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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.04.1900
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- 07.04.1900
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- Deutsch
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^ 81, 7. April 1900. Nichtamtlicher Teil. 2765 fassen, so würde er in der Entwickelung der Malerei keiner Erwähnung wert sein. Denn er hat es mit der Flucht der Erscheinungen, nicht mit deren Stetigkeit in Form und Farbe zu thun. Im allgemeinen liegt es aber nicht im Beruf der bildenden Künste, das rasch Vorübergehende festzuhalten, wenn auch Andeutungen der Bewegung oft eine willkommene Belebung des Hauptmotivs sind. Um mit einer Uebertreibung hier zu exemplifizieren: Der Dachdecker, der vom Dache fällt, ist — auf der Hälfte seines Weges ange kommen und in diesem Erscheinungsmomeut festgehalten — kein Vorwurf für die bildende Kunst. Springen mehrere Hunde an der Mauer in die Höhe, um der auf ihr sitzenden Katze beizukommen, so wird unser Auge einen von ihnen vielleicht in der Schwebe ertragen, die übrigen aber doch in einer bis zur Ermüdung oder Unthätigkeit Einzelner ab gestuften Bewegung zu sehen wünschen! Es ist dies »ein wunderlich Kapitel und steht auf einem anderen Titel-, den wir hier nicht erschöpfen können! Lessings Laokoon schärft uns dafür die Sinne! Es wird mitunter behauptet, daß das Eindringen orientalischer Vorbilder allein den Hang nach impressio nistischen Empfindungen verschulde. Müßten wir das zu geben, so läge darin beinahe ein Armutszeugnis für die europäischen Kulturvölker. Der Vorzug, den die Kunst erzeugnisse des Orientalismus augenfällig bieten, liegt in den lebhaften und bestimmten Farben, in denen sie unS ent gegentreten; anderseits geht ihm aber jedes Verständnis für die alle Körperfarben im Raume versöhnenden Elemente von Licht und Luft ab. Darum ist durch ihn auch eine in der Malerei längst überwundene Kunstphase wieder herein gebrochen : die Vernachlässigung der Licht- und Luft perspektive, dieses schon durch Brunellesco anfangs des fünf zehnten Jahrhunderts eingeleiteten und von Paolo Uccello in der Mitte desselben ausgebauten großen Fortschrittes. Der erste, der sie für überflüssig erklärte, war Bastien Lepage; ihm folgten der schon oben erwähnte Puvis de Chavanne u. a. Nun schufen in den hier geschilderten Richtungen zuerst in der Mitte der sechziger Jahre Edouard Manet (ff 1883), Edgar Degas, Camille Pissarro, Jean Raffaelli und Claude Monet. Es ist für den Zusammenhang der Geistesströmungen bezeichnend, daß gerade zur selben Zeit Emile Zola mit seinem poesielos-drastischen Verismus, an der Seite der Goncourts, für diese neuen Richtungen eintrat und zuerst für Ed. Manets »Geißelung Christi- eine Lanze brach. Wir sahen dieses Bild, sagt Herr Müntz, im Salon von 1866. In Komposition und Farbe war es für die damalige Zeit so frappierend, daß die Beschauer versucht wurden, mit Stöcken dreinzuschlagen. Man mußte es durch eine Barriere unerreichbar machen!- Zur Verteidigung dieser Komposition betonte man für den schaffenden Künstler die Notwendigkeit, seinem Wahrheitsbedürfnis für Situation, Form und Farbe frei nachzugehen. Aber — das Herabziehen gewohnheitsgemäßer, oder anerzogener Ideale in das Alltägliche, vielleicht Gemeine, hat doch mit den Bestrebungen, eine in Wirklichkeit sich darbietende Erscheinung wahr und richtig zu erfassen, nichts zu thun! Die neutestamentlichen Gastmähler eines Tizian, P. Veronese u. a. in venetianischen oder Renaissance- Kostümen waren dem Geschmack der damaligen dlobili an gepaßt. Und wenn Rembrandt es für angemessen fand, bei seiner »Kreuzabnahme- oder anderen Szenen aus Christi Leben Amsterdamer Kostümjuden Mitwirken zu lassen, so entschädigte er uns dafür mit so viel anderen Vorzügen, daß das Sprichwort »guoä liest lovi« rc. hier wohl eine gewisse Berechtigung gewinnt. Abgesehen von dieser Deformierung hergebrachter Legendengebilde brach ein gewisser Farben trubel — ein deutsches Wort fehlt uns dafür — über die Aufnahmefähigkeit des gebildeten Publikums herein. Eikb-nundsechzigster Jahrgang. E. Manet hatte ihn begonnen, und Paul Albert Besnard trieb ihn in mancher seiner Kompositionen auf die Spitze. Alle diese Umstände, sowohl die Herabziehung anerzogener Ideen in das Gewöhnliche, Gemeine, wie die Beleidigung des an ruhige Lichtverteilung gewöhnten Auges, steigerten die Entfremdung des Publikums in solchem Grade, daß die 88088810 pioturas plsbis zur Thatsache werden mußte. Im Jahre 1890, also ungefähr 25 Jahre nach dem Auftreten der ersten Neuerer, wurde der Sezessionisten-Salon des Marsfeldes eröffnet. »Das Charakteristische bei diesem unterwühlten Treiben,- sagt Herr Müntz, »liegt in dem Umstande, daß in den Augen der Chorführer jeder Künstler als Virtuose gilt, der von seinem Selbstbewußtsein, seiner Existenz durch irgend eine originale Leistung Kunde giebt! Unabhängigkeit und Originalität sind — nach dem neuen Rezept für Künstlergröße ^— dessen Hauptpflichten. Keins dieser Originale duldete Einspruch in den Wert seiner Leistung. Ein Ringen nach Ueberlegenheit in diesem oder jenem Stile gab es nicht mehr! Die Folge hiervon war, daß schon auf dieser ersten Sezessionsausstellung die wenigen Künstler um fassenderen Talentes zwischen der Masse der bizarresten Ver suche beinahe verschwanden. Es geschah dadurch dem Effekt des Ganzen indessen wenig Abbruchs denn mit Hilfe der so gewonnenen Heilsarmee gelangten die Chorführer zu Wort und That!- »Und nun« — sagt Herr Müntz — »lieferten diese Ausstellungen des Marsfeldes die Tribüne, der die Modernen bedurften, um die herkömmliche französische Kunst in Trümmer zu legen, jene aus Wissenschaft und Gewissen haftigkeit zusammengefügte Kunst, die seit der Julimonarchie und dem zweiten Kaiserreiche formell so große Fortschritte gemacht hat. Und wie rasch finden solche Beispiele Nach ahmung! Kaum hatte der Salon deS Marsfeldes seine Fahne gehißt, als sich 1891 in München der Salon der Sezession aufthat.« So der französische Kunstgelehrte. Das Interessante bei dieser nach verschiedenen Seiten hin sich zerklüftenden Be wegung ist der Umstand, daß z. B. die Impressionisten und Freilichtmaler unseren Sehorganen das deutlich empfundene Bild bestreiten — die klare Luft, in der wir die Farben, kräftiger oder gemildert, zur Erscheinung treten sehen! Auch können sie oder wollen nicht verstehen, daß die zum Teil seltsamen, für die wahre Kunst gleichgiltigen Forderungen, die sie an sich selbst stellen, in ihren Ausstellungsgegenständen zu unvollkommen und ungenießbar zum Ausdruck gelangen. Ebenso sind diese Modernen in ein allzugroßes Vorurteil hineingeraten gegen den einseitigen, zum Teil dämmerig warmen Lichtauffall, den seit der Erfindung unseres Deutschen Adam Elzheimer (um 1610—20) die Rem brandt, Ostade, Pieter de Hooghe und viele andere mit Vor liebe anwendeten; ihm stellen sie gegenwärtig das volle allseitige Tageslicht, sonnig oder matt, selbst grau und nebelig, entgegen, die tiefste Dämmerung, ja die volle Nacht. Wir bekennen hier ausdrücklich, auch in solchen Extremen vorzüg liches gesehen zu haben. Die Sonnenbelichtungen des Dänen Kroger und die des heiteren Tageslichtes des Berliner M. Fritz stehen hierin obenan. Der Franzose Raffaelli, unsere Deutschen Dill, Kampfs, Skarbina, Leistikow, Dettmann u. a. haben sich in Wetter stimmungen aller Art mit Erfolg versucht; auf einer der letzten Berliner Landes-Kunstausstellungen befand sich das Interieur eines schwedischen Malers, auf dem die volle Nacht eines Schlafzimmers durch den matten, von außen eindringenden Lichtschein zur unmittelbarsten Wahrheit ge langte. Ein solches Gelingen hat dieselben Verdienste für sich, das für ihre Zeit den holländischen Darstellern der Kerzenbeleuchtung: G. Dov, Jan Steen, Gottfr. Schalcken, A. van Boonen, und den Malern der Feuersbrünste: Art van der Neer, Egbert van der Poel rc. gebührte. In der Dar- 372
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