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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.04.1900
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- 07.04.1900
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- Deutsch
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halb berechtigter, mitunter auch irrationeller und visionärer Geistesströmungen. Herr E. Müntz ist der Meinung, daß viele Bilder von Paul Albert Besnard und Fresken von Puvis de Chavanne, die Feerieen von Claude Monet, die geisterhaften Nebelgestalten eines F. Khnopff, die Nacht stücke des Schotten Whistler u. a. mit den vorstehenden litte- rarischen Erscheinungen eine verzweifelte Ähnlichkeit haben. »Diese ultraradikale Schule beschränkt sich, wie er sagt, nicht mehr darauf, wie gewisse Realisten der früheren Zeit, die Häßlichkeit zu predigen; sie leugnet vielmehr jeden Unter schied zwischen schön und häßlich; alle Formen haben bei ihr das gleiche Recht auf Anerkennung! Was wir Stil, Abrundung der Komposition, nennen, ist für sie nur eine stumme Uebereinkunft zufällig Gleichfühlender! Dieser durch einige Jahrhunderte appretierten Stimmung entstamme auch nur, wie sie meint, der sogenannte Klassizismus, ein Zeit gebilde, eben so vergänglich, wie die uns ferngerückten An schauungen der Assyrer und Aegypter. Damit hängt nun auch zusammen, daß die von einander unabhängigen Kunst äußerungen dieser Völker, sowie der Griechen, Romanen oder Germanen, Chinesen, Japaner oder Hottentotten für die Modernen ganz gleiche Geltung haben. Diesem neuen Kunst gefühle entsprechend ist es falsch, in der Aufeinanderfolge der Jahrhunderte, nach der ästhetischen Seite hin, einen Fort schritt aufzusuchen und konstruieren zu wollen. Man solle jede dieser Kunstgattungen als »vollkommen in sich« ansehen und habe als Historiker keine andere Aufgabe, als die ein getretenen Formenveränderungen und ihren Zusammenhang mit dem Kulturleben nachzuweisen. Solche Thesen zur Grundlage historischen Empfindens und Denkens zu erheben, kann nur derjenige gewillt sein, der die relative Vollkommenheit aufeinanderfolgender Kunst epochen für sich betrachtet, deren Zusammenhang auflöst und einem Vergleiche derselben absichtlich aus dem Wege geht. Damit würde er aber auch alles dasjenige verkennen und leugnen, was, als Urbild oder Urkraft des Bildens in der Tiefe unseres Seelenlebens schlummert, — was — durch Generattonen in uns fortarbeitend, uns zum Voll- kommneren nach Form und seelischem Gehalt hinleitet, uns über die niedrigeren Instinkte erhebt — zu den höheren Seelensttmmungen aufopfernder Liebe und Gerechtig keit, zu allem Schönen und Guten, zu allem dem, was das Menschenherz in letzter Linie für alle Ausfälle an äußerer Glückseligkeit entschädigt. Auch wir erkennen an, daß bei jedem durch Jahrhunderte sich fortentwickelnden Volke, in seinem Kultus, bei seinen Lebensgewohnheiten, sich gewisse Kunstformen ergeben, die, als derzeitige Ideale der Nation, auf den Kenner der letzteren harmonisch wirken, auch wenn diese Ideale in den Einzelheiten, gegenüber unseren modernen Anschauungen, noch so anfechtbar erscheinen! Wer würde die Harmonie in der Figurenreihe einer ägyptischen Pylonenwand durch eine griechische oder chinesische Menschenbildung stören wollen, — wer zu den kurzlebigen Figuren eines romanischen Triptychon- Reliefs eine Heiligenfigur der Renaissance einstigen? Auf der Akropolis zu Athen, auf den Höhen zu Aegina und Olympia erhob sich der griechische Tempel als die Umschließung des da oben thronenden Gottes. Bei der gothischen Kathedrale unseres platten Landes gleitet unser Auge an den Säulen und Bogengurten empor bis zum Sternenhimmel des Spitzgewölbes, oder am Turme bis zu seiner in den Wolken verschwindenden Spitze! Dort die Endlichkeit der Gottesidee — hier deren Unabgeschlossenheit, Unausdenkbarkeit! In solcher Erkenntnis nationaler Besonder heiten sprechen auch wir von griechischer, römischer und nach unterscheidenden Momenten auch von italienischer, deutscher rc. Kunst und ihren relativen Jdealgebilden »als selbständigen und insofern gleichwertigen nationalen Erzeugnissen«. Auch Herr Eugöne Müntz huldigt der Anschauung, daß jede wahre Kunst ihre Wurzel in der Natur des Landes, im nationalen Leben und Gefühle habe. Das hindert ihn aber keineswegs, in der Aufeinanderfolge der Kunstepochen auch die Steigerung der Wesensvollkommenheit zu empfinden und nachzuweisen. »Wir können nicht umhin« — sagt Herr Müntz — »dieUeberlegenheit des klassischen Ideals aufrecht zu erhalten, denn es steht in engem Zusammenhangs mit der europäischen Kultur und Civilisatton. Wir europäischen Völkerstämme mit unseren Sendboten im Auslande nehmen in Kunst und Wissenschaft, in allen staatlichen Einrichtungen des öffentlichen Daseins, in unserem leiblichen und geistigen Wohlbefinden, eine höhere Stelle ein als der Muhammedaner, Hindu, Japaner und Chinese. Darum kann es nur als altertümelnde Spielerei erscheinen, wenn wir die Kunst jener Völker der unsrigen im Werte voranstellen, oder sie nachahmen! — dabei nicht ausgeschlossen, sie als historische Kundgebungen zu studieren, uns an vielen ihrer grotesken Typen zu erfreuen und von ihrer Technik uns manches anzueignen.« Bei dieser doch leidlich klaren Lage der Dinge mußte es in der That wundernehmen, wenn, wie Herr Müntz be richtet, »die orientalische Ausstellung der Union osntrals äs ksris vom Jahre 1865 am meisten dazu beigetragen hat, in die herkömmlichen Kunstbedürfnisse eine gewisse Unruhe zu bringen. Die litterarisch einflußreichen Gebrüder Goncourt waren es, die diese Anschauungen unterstützten.« Unter den farbenfreudigen Einwanderern orientalischer Kunst und Technik war es namentlich der Japanismus, der durch seinen graziösen Natursinn, seine delikaten Arbeiten die blasierten Herzen gefangen nahm. Indem er die Regungen des zar testen, farbenreichsten Pflanzen- und Tierlebens im Augen blicksbilde vereinigte, führte er fast bis zum unmittelbaren Naturgenuß zurück. Außerdem war man der von den letzten Jahrhunderten uns überlieferten Farbenstimmung müde! Man sprach viel von der braunen Sauce der bolognesischen und neapolitanisch-spanischen Schule, von der Notwendig keit, die Bedeutung der Dinge in Raume mehr hervor zuheben; man blickte mit Verachtung auf die einseitige Dämmerungsbelichtung der Niederländer. Man stellte sich die neue Aufgabe: an den Gegenständen, namentlich in freier Natur, die Erscheinungen von Luft, Licht und Farbe ganz so wiederzugeben, wie sie zufällig oder unter beson deren Umständen hervortraten. Ja, man ging so weit, das bewegliche Spiel des Lichtes und der Farben auf der Leinwand festhalten zu wollen. Hierbei entstanden die Bezeichnungen »Impressio nismus« und »Ulsin-nir-Malerei«. Eine prinzipielle Scheidung zwischen beiden Modalitäten ist kaum durch zuführen; an den modernen Kunstgegenständen selbst wiegt hier die eine, dort die andere vor. Das Bild eines Gelehrten, wie er am Tische, bei der Lampe arbeitend, vom Dämmer licht des Morgens berührt wird, wäre einseitig impressio nistisch — eine Gruppe feilschender Marktbesucher, von ge dämpftem, klarem Tageslicht rings umflossen, einseitig xlsin- s,ir. Der Maler vermag eine ganz rasch vorübergehende, aber sonst ungewöhnliche Wolkenstimmung mit ihren Lichtwirkungen auf die Umgebung zu erfassen und würde damit ein impressionistisches Freilichtbild liefern. Die Welt der Erscheinung, auch unter Besonderheiten, naturgemäß wiederzugeben, ist auch bisher einer großen Zahl von Meistern der Malerei gelungen. Der Impressionismus aber wendet sich mit Vorliebe an das Außergewöhnliche. Stände ihm die immerhin beachtens werte Aufgabe nicht zur Seite, Konflikte von Licht und Farben, wie sie der Augenblick überraschend zuweilen ergiebt, zu er-
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