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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.04.1900
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- 07.04.1900
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- Deutsch
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stellung des vollen Tageslichtes im Zimmer haben aber auch schon damals G. Dov, Nie. Maas, für die nüchterne Tages helle der Straße I. van de Meer de Delft und Pieter de Hooghe Erhebliches geleistet. Errungenschaften der Malerei, wie wir sie oben nam haft machen, hätten einer Secession aber auch nie bedurft. Die Krisis begann erst mit dem Zeitpunkte, wo man den Abfall vom Hergebrachten förmlich proklamierte: im Kunstvorwurf, von der Formenstrenge, in Harmonie von Licht und Farbe, in der Sorgsamkeit und einiger Reinlichkeit der Technik, — aber mit dem durchgehenden Anspruch, auch die geringfügigste ihrer Pinseleien als Kunstwerte ausgenommen zu sehen. Das Oelbild in seiner herkömmlichen, dem Mate riale selbst entstammenden Farbentiefe, in der Zartheit, Ver- schmolzenheit des Farbenauftrages, wurde aufgegeben. Schon Puvis de Chavanne hatte die Verwendung lebhafter Farben eingestellt. Wir sehen seine Kompositionen mit einem gelblich grünen Schleier überwoben, die Plastik in der Schattierung möglichst gemieden, so daß sie mehr den Eindruck eines Leim farben- oder Freskogemäldes, als den eines Oelbildes gewäh ren. Andere Maler hüllen die Gegenstände ihrer Wahl mit Vor liebe in ein schmutziges Violett, die Farbe der Ermüdung und der Trauer, oder in Graublau, oder derart in einen Nebel, daß unsere rekonstruktive Phantasie ganz in Anspruch genommen wird, um die verblaseneu Umrisse einigermaßen zu ergänzen. Dagegen treten wieder bei anderen die Naturfarben nicht unter den Lokalton, den jede äußere oder räumliche Belich tung erzeugt, sondern stehen lebhaft und unvermittelt da, wie der Anstrich aus einem Kindertuschkasten. Was die Technik des Farbenauftrages anbetrifft, so wählen William Morris und mitunter auch Walter Crane statt der breiten Verschmolzenheit oft nebeneinander gestellte Farbenlinien, der Engländer Brangwyn Farbentupfen von einem halben Quadratcentimenter. Der Pariser Henri Martin, der Pointilleur genannt, überläßt dem entfernt stehenden Auge die Mischung seiner punktweise aufgesetzten Grund farben zu komplementären Farbenempfindungen. Dagegen können wir die bei niederländischen Malern wieder auf tauchende Neigung zu zarten Schattierungen in der van Eyck-Memlingschen Malweise, wie sie sich an Josef Leempoels, Jan Veeth, van Hove u. a. kundgiebt, nicht zu den fahnen flüchtigen Sonderbestrebungen zählen, weil sie ein pietätvolles Festhalten an alten, gediegenen Ueberlieferungen ihrer Nation bekunden. Nun sind es ja aber nicht die Farbenmißbräuche allein, die uns die meisten Schöpfungen modernen Stiles verleiden — es ist die ästhetische Impotenz in der Wahl der Stoffe, die uns so vielfach anwidert. Alle die Neuerer, die auf die Landschaftsbilder von Flickel, Metzener, Lier, Ludwig Weng lein, die Willroider, Aug. Bürgel, C. Rettig u. a. verächtlich herabsehen, geben vor, die intime Landschaft zu kultivieren, wenn sie uns ihre Belichtungsversuche uninteressanter Gefilde, wenn sie uns steil bis zum fernen Horizonte ohne Luft- perspektive ansteigende Wiesenflächen, oder irgend einen Punkt malerischen Effektes mit unsäglich ödem Vordergründe zum Genüsse darbieten. Solcher Geschmacklosigkeit gegenüber erscheint der Amateur-Photograph oft als der wahre Künstler, dessen innerer Sinn der Natur die poetische Seite, das Bild, abzugewinneu versteht. In gleichem Maße abschreckend wirken oft die »sogenannten Charakterfiguren«:, die die Ten denz des Trägen, Versimpelten, Krankhaften an der Stirn tragen, namentlich in großem Maßstabe und mit dem modernen Farbenhauche! Was der Künstler an niederen Bildungen in seinem Bedürfnis für Staffage einsammelt, ge hört doch nur selten unter das Vergrößerungsglas der Einzel- schau! Auch treten uns die menschlichen Repräsentanten des Paradieses mitunter in recht plumpem Körperbau und in ungefälligen Verzeichnungen entgegen und lassen, im Zu sammenhänge mit den gelangweilten Gesichtern unserer Vor eltern, einen recht bedenklichen Rückschluß auf die Seligkeits vorstellungen ihres Erfinders zu. Seitens eines arkadischen Farbendichters neuester Werdelust hatten wir uns in Schuttes Salon hügeliger Wiesengefilde zu erfreuen, in denen die Bäche, wie auf einer Schulwandkarte in usuin velpümi, grob hineingeschmiert waren. Da konnte man allerdings laute Proteste gegen derartige Ungebühr hören! Eine fast wunderliche Stellung hat man, wie schon bei E. Manets Versuchen oben angedeutet, zu der »biblischen Ueberlieferung«, namentlich der neutestamentlichen einge nommen! Stoffe aus dem Neuen Testament, denen v. Geb hardt und seine Nachfolger auch unter modernen Formen die größte Gemütstiefe zu erhalten wußten, werden mit einem »sein sollenden« Verismus ausgestaltet oder in die matte Empfindung des Armenhauses umgesetzt, mitunter sogar zu ekelerregenden Situationen verarbeitet. Auch die griechische Fabelwelt lebt unter Böcklins Einfluß wieder auf. Das Schöne und Komische, was die Maler der Renaissance (Rafael, Giulio Romano, Pierino del Baga u. a.) in dieser Richtung in so anziehender Weise uns darzubieten wußten, erleidet aber heute eine Herabsetzung ins körperlich Gemeine, von dem sich die Rubens-Jordaenssche Satyr-Groteske immer noch vor teilhaft abhebt. So sehen wir trotz aller erdenklichen und möglichen Praktiken, unter denen die Sezession ihr Wesen treibt, in der Formenbildung fast nur Rückschritte, in der Farbe allerdings ein Streben nach neuer Verwertung, selten aber ein volles Gelingen. Eben deshalb ist ihre Negation alles dessen, was die Kunst bisher groß gemacht hat, so unver ständig! Sie stellt gewisse Ueblichkeiten der Farbengebung und Einseitigkeiten der Belichtung als Schreckbild früherer Kunstverirrungen hin, während sich ihre eigenen Parteigänger in solchen Einseitigkeiten überbieten (Thvmae, Raffaelli, Carritzre, die Schotten). Sie verachten das Geschichtsbild, weil ihnen der Gesichtskreis dafür fehlt und die Kraft und Macht der Gestal tung; — das Dorf- und Familienbild, weil das ge sittete Liebes- und Familienleben, die Grundlage alles mensch lichen Seins und Behagens, für ihren Pessimismus eine offene Frage bleibt. Lieber führen sie uns mit mattem ^Pinsel das Elend der Welt oder Konfigurationen vor, die dem Psychiatriker Lombroso den Stoff liefern, im Genie oft den Wahnsinn zu erblicken. Und das sollten die Zukuufts- vertreter der Kunst sein und der Phantasie, jener herrlichen Tochter Jovis, nur geschaffen, uin in die unausbleiblichen Verstimmungen unseres Menschenleben? wieder Einklang und Behagen zu bringen?? Schließlich noch zu einer für die Erzeugnisse der Malerei »scheinbar recht unscheinbaren« — und dennoch für Künstler, die nicht vom Manna der Wüste leben können, recht wichtigen Frage — zu den Bild maßen. Wir führen hier unter zahllosen Fehlgriffen nur einiges an: In den ersten neunziger Jahren brillierte in unserer Berliner Landes- KuustauSstellung eine 3X4 Meter große Leinwand — wenn wir nicht irren — belgisch-akademischen Octrois. Dieselbe beherbergte, in mattbelichtetem Zimmerraum, eine memnonen- artig hingepflanzte alte Frau in schmutzig-blauem Kattun kleide!! In Schuttes Salon konnte man auf einem ca 4 Q Meter großen Bilde Worpsweder Herkunft einen Bauer den von zwei Mägden gezogenen Pflug lenken sehen!! Welche Ver kennung der Möglichkeit, über Räume solcher Ausdehnung zu verfügen, und demnach — der Verkäuflichkeit! (Schluß folgt.)
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