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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.10.1903
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- Erscheinungsdatum
- 28.10.1903
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- Deutsch
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251, 28. Oktober 1903. Nichtamtlicher Teil. 8591 Das teilweise erfolgende Absterben einzelner Glieder des Körpers zeigt sich z. B. sehr deutlich bei dem Diabetes wellltns, der Zuckerkrankheit. Es bilden sich Wunden, die nicht heilen wollen, die vis wsäieatrix des Körpers reicht nicht aus, das Glied wird brandig und muß amputiert werden. Durch die Amputation der Gliedmaßen wird Ge sundung herbeigeführt, weil der Blutkreislauf verkürzt wird; der gefährliche Zuckergehalt nimmt erheblich ab oder ver schwindet. Mir ist ein Mann bekannt, dem beide Beine entfernt worden sind und der seitdem gesund ist; allerdings muß er auf Krücken gehen. Verglichen mit dem ausländischen Bücherkreislauf er scheint der deutsche Literaturkörper noch aller seiner Glieder mächtig, überall funktionieren die zur Aufnahme wissen schaftlicher Literatur vorhandenen Organe, auch die ent legensten; und es kommt nur darauf an, sie richtig zu er nähren und nicht zu überanstrengen, um sie elastisch und funktionsfähig zu erhalten. Diese Gefahr des wirtschaftlichen Absterbens der ent ferntem Teile des Bücherkreislaufs hat der Börsenverein durch seine Satzungen, seine Maßregeln zu beseitigen ver sucht, und es ist ihm, wie es scheint, nach langem Kampf gelungen, den Gewebszerfall des Buchhandels zu hemmen und zu beseitigen. Dies geschah durch das Mittel der wirt schaftlichen Stärkung, mittels Beseitigung des Kundenrabatts, der wie eine offne Fistel fortwährend Substanzverlust mit sich brachte. Warum also die Sortimentsbuchhändler wirtschaftlich gefördert werden mußten, das halten die intelligenten Beo bachter des Literaturkreislaufes längst erkannt. Der Grund liegt in den oben angeführten Worten von Henry George. Wir wollen noch einen Augenblick näher darauf eingehen. Den Kaufmann machen drei Dinge: Warenkenntnis, Marktkenntnis und die Handhabung des Rechenstistes. Die Warenkenntnis ermöglicht ihm den günstigen Einkauf; die Marktkenntnis den günstigen Verkauf, der Rechenstift ist sein Kompaß, der ihm seinen Kurs vorschreibt: die Ware von dort, wo sie wohlfeil zu haben ist, dahin zu leiten, wo sie gebraucht wird und mit Nutzen verkauft werden kann. Der Nutzen kann relativ klein, absolut genommen groß sein; ebenso umgekehrt. Herr Professor Bücher spricht in seiner Schrift die geradezu kindliche Ansicht aus: es gereiche dem Kaufmann stets zur Ehre, sich mit dem geringsten Gewinn zu begnügen. Man denke! Dann wäre ja der Kaufmann, der am wenigsten verdient, der ehrenhafteste. Das hieße, der Profit stünde im ungekehrten Verhältnis zu seiner Ehre. Bekanntlich hat die Trebergesellschaft in den letzten Jahren ihres Bestehens nie etwas profitiert. Und dennoch kam ihr Direktor Schmidt ins Zuchthaus! Professor Bücher würde ihn vielleicht zum »Jndustrieritter« geschlagen haben. Man erwäge: es ist ein Volkswirtschaftslehrer, der das Axiom von der Ehrenhaftigkeit des Kaufmanns aufstellt, die mit der Ab nahme seines Profits steigen soll. Unsre Meinung ist die, daß der Kaufmann, der da einen geringen Nutzen nimmt, wo er einen anständig erworbenen größeren bekommen kann, eigentlich kein rechter Kaufmann mehr ist, sondern ein rechter Narr. Genau so, wie der für einen Narren ange sehen wird, der einen Ruf an eine Universität bekommt und sich mit der Hälfte dessen begnügt, was man ihm bietet! Der Sortimentsbuchhändler (dessen Ehre nach Ansicht Professor Büchers hätte in den letzten Jahrzehnten stark im Steigen begriffen sein müssen) mußte wirtschaftlich gefestigt werden, weil sonst Gefahr drohte, daß ihm die Muße fehlte, sich mit seiner Ware zu beschäftigen. Warenkenntnis ist ja das vornehmste Erfordernis des Kaufmanns; er geht zu grunde, wenn er seine Ware nicht fortwährend prüfen kann. Jedermann versteht, daß ein Maler, dessen Augen vom Star befallen sind, kein Maler mehr ist; daß ein Weinhändler, der den Geschmack der Zunge und des Gaumens ver loren hat, selbst verloren ist; daß ein Juwelier, der den echten Stein vom falschen nicht unterscheiden kann, kein Juwelier ist; daß ein Verleger, der ge nötigt ist, sich bei Annahme seiner Verlagswerke nur auf Gutachten andrer zu verlassen, eigentlich auf Krücken geht und nie so rasch vorwärts kommt wie einer, der bei sonst gleichen Voraussetzungen auf eigenen Füßen steht. Ebenso wird ein Gelehrter, der das Leben beurteilen will, aber seine Kenntnis nur vom Papier abhebt, im Nachteil sein gegen den Beurteiler, der einen Teil dieses Lebens selbst bildet und mitten darin steht. Solchen Beurteilern gegen über gilt das Wort: Wem zu glauben sei, redlicher Freund, ich will es dir sagen: Glaube dem Leben; es lehrt besser als Redner und Buch. Die Warenkenntnis nun droht dem Sortimenter verloren zu gehen, der keine Hilfskraft halten kann. Er muß sich mit den untergeordneten Arbeiten befassen auf Kosten der wich tigeren; er muß es, weil er die Pakete nicht unausgepackt lassen kann, weil er das Schreibwerk keinem Gehilfen über tragen kann, weil er sein eigner Lohnarbeiter wird. Er wird sich, wenn er die Notwendigkeit, die Waren zu prüfen, erkannt hat und die fernere Notwendigkeit, sein Marktgebiet zu erhalten, ebenfalls als unerläßlich empfunden hat, er wird sich, sagen wir, bald überarbeiten, siech und stumpf werden; er wird dem Schnitter gleichen, dem es an Zeit gebricht, seine Sense zu dengeln, der dann seine Kraft eine Zeit lang verdoppelt und schließlich keuchend umsinkt. Er wird besiegt von dem nach Professor Bücher »ehrenhafteren- Konkurrenten, der sich mit dem »geringen Gewinn- begnügt, den er skrupellos den ande ren massenhaft entzieht. Das Absterben, das Verkümmern des Sortiments zu verhindern, war die wackere, wirtschaftlich richtige Absicht des Börsenvereinsvorstandes, und aus diesem Grunde ergriff er Maßregeln wahrhaft menschenfreundlicher Art, die Professor Bücher mit Unrecht mißbilligt, weil es ihm an der zur Be urteilung erforderlichen Einsicht gebrach. Die unausbleibliche Folge der Ermattung des Provinzial- sortiments wäre— ist, kann man beinahe sagen — ein Sinken des geistigen Niveaus dieser wichtigen Organe des Bücher kreislaufs, eine fortschreitende Verdummung. In dem Maße nämlich, in welchem die intelligenteren Köpfe inne werden, daß auf dem Felde der Bücherverteilung kein Ertrag, der der Leistung entspricht, zu holen ist, werden sie umsatteln; und durch diese Auswanderung, der irischen vergleichbar, verliert der Stand seine besten Kerntruppen; der latente Bücherbedarf wird nicht mehr in effektiven umgewandelt, die ernsthaften Bücher kehren in größerer Menge zurück als früher, der Schund und die Pornographie wuchert, wo früher wertvolle geistige Nahrung in die Gehirne drang und das Volk geistig kräftigte und sittlich stärkte. Die innere Mission des Sortiments zn erhalten, diese Mission, die gute geistige Nahrung mit Leichtigkeit überall dahin gelangen zu lassen, wo sie wirken kann, das war die Tendenz des Börsenvereins, gegen die der Nationalökonom Bücher ebenso schroff als töricht aufzu treten sich gemüßigt fühlte. Es ist das Kennzeichen eines unbedeutenden Kopfes, daß er alle Augenblicke Material zu seiner eignen Wider legung herbeischafft; wie ein schlechter Schachspieler gibt er sich das Selbstmatt, wenn ein kombinationskräftiger Gegner ihm gegenübertritt. Die beständigen Widersprüche in dem Bücherschen Elaborat veranlassen auch Dr. Trübner gelegent lich zu der Bemerkung über seinen Gegner (S. 30): »Aber er sorgt auch hier wieder für eine Widerlegung in seinem eignen Buch.« Das geschieht bei der ebenso einfachen wie 1140*
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