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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.10.1903
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1903-10-07
- Erscheinungsdatum
- 07.10.1903
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- Deutsch
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233, 7, Oktober 1903. Nichtamtlicher Teil. 7841 »der Literatur und der öffentlichen Meinung nicht irgendwelche Richtung« zu geben, sondern nur »die Herausgabe und den Verkauf derjenigen Werke der Literatur, der Wissenschaften und der Künste zu verbieten, die in Bezug auf den Glauben, den Thron, die guten Sitten und die persönliche Ehre der Bürger schädlich sind.« Im Gegensatz zum Gesetz von 1826, das vor- schricb, in den Werken die Stellen zu verbieten, »die einen doppelten Sinn haben, falls einer von ihnen den Zensur- bcstimmungen widerspricht«, schrieb das neue Gesetz von 1828 vor, »immer den klaren Sinn der Rede zur Grundlage zu nehmen, ohne sich eine willkürliche Erklärung derselben in schlechtem Sinne zu erlauben«, -nicht an den Worten und einzelnen Ausdrücken herumzukrittcln, sich in keine Kritik der Richtigkeit oder Haltlosigkeit der privaten Meinungen und Urteile des Verfassers einzulassen, seine Fehler in literarischer Beziehung nicht zu beachten.« Aber diese Prinzipien wurden durch eine Reihe verbietender Prinzipien lahm gelegt. Dem Verbot unterlagen alle »Urteile über die gegenwärtigen Maßregeln der Regierung überhaupt»; zum Druck nicht zugelassen wurden sogar historische Dokumente, die »eine Darstellung von Klage- und Kri minalsachen- enthielten usw. Eine dem allgemeinen Sinn des Gesetzes widersprechende Forderung (über das Verbot von Büchern wegen schlechten Stils usw.) ist in der Abteilung über die geist liche Zensur ausgesprochen. Nicht weniger wichtig war der un beschränkte Raum, der bezüglich des Verbots der diskretionären Gewalt des Zensors überlassen wurde, und noch wichtiger die Lebenspraxis, die die angeführten Artikel zu einem toten Buch staben machte. Die aus den Gesetzen von 1804 und 1826 erzogenen und fortwährend unter der Gefahr der Hauptwache stehenden Zensoren hielten es für ihre Pflicht, dem Publikum eben von ihrem Standpunkt aus gute Erzeugnisse zu liefern, d. h. gut nicht nur dem Inhalt, sondern sogar dem Stile nach. Durch das Gesetz von 1828 wurde die Zensur dem Unterrichts minister unterstellt. Die oberste Zensurinstanz — die Haupt verwaltung der Zensur, vom Unterrichtsminister ressorticrend — bestand aus den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Künste, aus dem Gehilfen des Kultusministers, dem Direktor der Dritten Abteilung der Eigenen Kanzlei Seiner Kaiser lichen Majestät (d. i. der Geheimpolizei), dem Kurator des Peters burger Lehrbczirks und einigen Mitgliedern aus verschiedenen Ministerien. Der Hauptverwaltung waren die Zcnsurkomitccs in Petersburg, Moskau, Riga, Wilna, Kiew, Odessa und Tiflis unter stellt, die aus den Zensoren unter dem Vorsitz des Kurators des betreffenden Lchrbczirks standen. Zu ihrer Leitung gehörte die innere und die ausländische Zensur. Die Gründung neuer perio discher Publikationen bedurfte der Allerhöchsten Genehmigung. Nicht zufrieden mit der allgemeinen Zensur, gab dieses Gesetz den Anstoß dazu, daß sich eine beträchtliche Vielheit der Zensuren ent wickelte. Schon früher waren die Bücher geistlichen Inhalts nicht nur der allgemeinen, sondern auch einer speziellen geistlichen Zensur unterworfen, deren Tätigkeit jetzt reglementiert wurde. Auf Grund des Gesetzes von 1828 mußten Journale und Bücher medizinischen Inhalts außer von der allgemeinen Zensur noch von der Medizinischen Akademie, oder von den medizinischen Fakultäten der Universitäten, je nach dem Ort des Erscheinens, zum Druck gebilligt werden; die Zensierung der militärischen Zeitung »llussüij Invaliä« (Russischer Invalide) wurde dem Hauptstabe übergeben, bei dem sich später eine speziell militärische Zensur (aufgehoben 1858) bildete; die »Senats-Nachrichten« wurden in der Senatskanzlei zensiert, die »8t. LstordurAslrijn IVjoäomosti» (St. Petersb. Ztg.) im Ministerium des Äußern; die Zensur der Plakate und Anzeigen, sowohl in Einzeldrucken als in den Zei tungen, war der Polizei auferlegt; dramatische Werke wurden von der Dritten Abteilung zur Aufführung bewilligt. In den folgen den Jahren zersplitterte sich die Zensur immer mehr in den ein zelnen Ressorts, weil die verschiedenen Ministerien, mit dem Er scheinen dieses oder jenes Artikels unzufrieden, die Vorlage von Artikeln forderten, die in dieser oder jener Weise Interesse für sie haben konnten. Das Zensurgesetz von 1828 hat ohne irgendwelche wesentliche Veränderungen während der ganzen Regierungszeit Nikolaus I. und während der ersten Jahre der Regierung Alexanders kl. bestanden; es wurde in den »8rvocl 8aüovore« (rus sische Gesetzsammlung) von 1832, 1842 und 1857 ausgenommen; unter seiner Wirksamkeit hat die Literatur unter dem Einfluß verschiedener Strömungen sowohl verhältnismäßig milde, als auch äußerst finstere Zeiten erlebt. Nach der Thronbesteigung Alexanders II. riefen neue Strö mungen eine Belebung der Literatur hervor, und unter anderem belebte sich die russische Literatur im Auslands. Anfangs übte dies eine bedeutende Änderung auf die Zensureinrichtungen aus, ohne das alte Gesetz zu berühren; aber bald machte sich die Revision desselben dringend notwendig. 1860 wurde die Hauptverwaltung der Zensur reorganisiert und in ihrer Hand die oberste Aufsicht über die Presse und die Zensurkomitees vereinigt. 1863 wurde die Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 70. Jahrgang. Zensur auf den Wunsch des llntcrrichtsministers (Golowin) selbst — weil ihre Aufgabe mit der allgemeinen Aufgabe des Mini steriums, »zur Entwicklung der geistigen Tätigkeit des Landes bcizutragen«, nicht übereinstimme — in das Ressort des Mini steriums des Innern übergeben. Am 6. (18.) Äpril 1865 er schienen die Zeitweiligen Bestimmungen über die Zensur und die Presse. Sie bilden kein vollständiges Zensurgesetz, reorganisieren nur die Hauptverwaltung, setzen das Institut der strafenden Zensur neben die Präventivzensur und bringen einige weniger bedeutende Neuerungen. Die Hauptaufgaben der Zensur blieben unverändert, wie sie im Gesetz von 1828 formuliert waren. Im Jahre 1876 wurde der größte Teil der Zeitweiligen Bestimmungen in die neue Ausgabe des Zensurgesetzes ausgenommen; die andern Artikel wurden an die Institute der Ministerien übertragen (»8vock Laüonorv«, Bd. 1, Tl. II). 1886 und 1890 erschienen neue Ausgaben des Zensurgesetzes mit Einschluß der Artikel aus der Gesetzgebung der spätern Zeit und der Artikel, die eine unter geordnete Bedeutung haben. Sonach steht auch jetzt noch im wesentlichen das Gesetz von 1828 in Kraft, mit den Veränderungen, die durch das Gesetz von 1865 hervorgerufen wurden, und den darauf folgenden gesetzlichen Bestimmungen. Infolge dieser verschiedenen Aufschichtungen ist das Zensur gesetz in redaktioneller Beziehung einer der am wenigsten be friedigenden Teile des -8rvock 8alrc>nov. Artikel, die denselben Gegenstand behandeln, sind in verschiedenen Abteilungen zerstreut (so stehen die allgemeinen Prinzipien der Zensur im Artikel 4 und dann in den Artikeln 93 und Folge); einige Seiten der Zensur praxis sind nicht mit einander in Übereinstimmung gebracht und leiden an inneren Widersprüchen (so ist z. B. die Strafe, die einer unter Präventivzensur stehenden periodischen Publikation aufzu- erlegcn ist, strenger, als die Strafe, die eine von solcher Zensur- freie Publikation trifft; die elftere kann ohne Angabe eines Grun des zuerkannt werden, während die andere durchaus motiviert werden mutz; die erstere war durch das Gesetz von 1828 bestimmt, die andere ist den Zeitweiligen Bestimmungen entnommen, und durch diese chronologische Verschiedenheit erklärt sich die sonderbare Inkonsequenz). Die Grundprinzipien, die durch das Zensurgesetz und durch die Zeitweiligen Bestimmungen von 1865 festgesetzt sind, sind die folgenden. Zu verbieten sind Druckwerke: 1. wenn sie die Tendenz haben, die Lehren der orthodoxen Kirche zu er schüttern, 2. wenn sie die Achtung gegen die selbstherr liche Obergewalt oder gegen die Grundeinrichtungen des Staats untergraben, 3. die guten Sitten und die Wohl anständigkeit oder 4. die Ehre irgend einer Person durch un anständige Ausdrücke oder durch Veröffentlichung von Dingen, die sich auf ihre Sittlichkeit und ihr häusliches Leben beziehen, und um so mehr durch Verleumdung verletzen. Cs dürfen keine frechen und verwegenen Klügeleien zugelassen werden, die ebenso dem wahren Glauben wie der wahren Philosophie widerstreben (Art. 94), keine Werke, die die schädlichen Lehren des Sozialismus und Kommunisnius darlegen (Art. 95), die Mißgunst und Haß eines Standes gegen den andern erwecken (Art. 96); Werke und Abhandlungen Uber die Unvollkommenheit der bestehenden Ein richtungen werden nur in dem Falle gestattet, wenn sie in einem dem Gegenstände angemessenen Tone geschrieben sind und dabei nur in Büchern von über zehn Druckbogen Umfang oder in Journalen, die einen Subskriptionspreis von nicht weniger als 7 Rubel jährlich haben (Art. 97 und 99); nicht gestattet ist, seitens der Regierung geplante Maßregeln auf bloße Gerüchte hin zu veröffentlichen, so lange sie nicht in gesetzlicher Weise publiziert sind (Art. 100) usw. Diesen Angaben sind noch einige Artikel des Strafgesetzbuchs beizufügen, wo die Kriminalstrase für das Verfassen und Ver breiten von Werken bestimmt wird, die gegen die oberste Gewalt gerichtet sind und die Thronfolgeordnung bestreiten; ferner für Verleumdung, Diffamation, vorzeitige, vor der Gerichtssitzung er folgende Verkündung von Nachrichten, die die Voruntersuchung ergeben hat, usw. Die Aufsicht über die Ausführung alles dessen ist der Zensur überlassen. Das Prinzip der Vielheit der Zensuren ist in einer etwas gemilderten Form beibehalten. Außer der allgemeinen Zensur, die in eine innere und eine ausländische zerfällt, und auf die sich auch die Theaterzensur bezieht, besteht eine vollständig getrennte geistliche Zensur, die anders organisiert ist und nach andern Normen wirkt, als sie im Zensurgesetz ange geben sind. Die Berichte über die Sitzungen der Semstwa (Land schaften), der Dumen (Stadträte) und Adelsversammlungen unter stehen der Zensur der Gouverneure, Generalgouverneure und Stadthauptleute. Die Zensur der medizinischen Bücher kommt dem medizinischen Rate (beim Ministerium des Innern) zu. Plakate und Anzeigen unterliegen der Zensur der Polizei; Nach richten, die sich auf die Person des Kaisers oder der Mitglieder der kaiserlichen Familie beziehen, stehen unter der Zensur des Hofministeriums. (Fortsetzung folgt.) 1042
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