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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.09.1903
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- 22.09.1903
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- Deutsch
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7802 Nichtamtlicher Teil. 220, 22. September 1903. Wissenschaft« von Gustav Wilhelm Knorrn, Sor timentsbuchhändler. gr. 8°. 56 Seiten. Walden burg i. Schlesien 1908, Verlag von E. Meitzers Buchhandlung (G. Knorrn). Man kann verschiedener Meinung darüber sein, ob der Büchersche Eierkuchen den Lärm wert ist, der sich um ihn erhebt. Denn wenn die Omelette auch nach allen Regeln der Gastronomie zubereitet und mit Raffinement serviert worden ist, so bleibt sie doch nur ein Eierkuchen. Ich kann mir nicht helfen, aber es kommt mir hier sogar das Andersensche Märchen von des Königs neuen Kleidern in den Sinn; man sieht die kostbaren goldnen Gewebe, weil die andern sie sehen, und in Wirklichkeit ist gar nichts da! Was ist denn die Quintessenz der Bücherschen Schrift? Was erhebt sie über das Machwerk eines polternden Raisonneurs, der hinter dem Wagen herläuft? Ist es denn eine so große Kunst, Mißstände, angebliche und wirkliche, in einem beliebigen Stande aufzudecken, mit dem man sich »wissenschaftlich« beschäftigt? Könnte man ein ähnliches Ergebnis nicht bei Betrachtung des Standes der deutschen Professoren gewinnen? In der Tat, indem die Schrift Büchers darauf verzichtet, Positives wenigstens in greifbare Nähe zu rücken, hat sie den Anspruch darauf verwirkt, für etwas andres zu gelten als für das ephemere Werk eines Unzufriedenen, deren die Welt zur Hälfte voll ist. Nur das Drum und Dran, der Koch, der ihn gebraten, der Lärm und die Feierlichkeit, mit der er serviert wird, gibt diesem Eierkuchen eine weit über seinen innern Wert reichende Bedeutung. Würde man sonst ein Werk ernst nehmen, das so großspurig als Anklageschrift auftritt, um nachher das Bekenntnis zu verbreiten, daß sein Verfasser nicht daran denke, auch nur Fingerzeige zu geben, wie an Stelle der von ihm als unhaltbar erklärten Zustände andre, bessere gesetzt werden könnten? Nicht wegen seines innern Werts, sondern lediglich weil sich das konfuse Buch eine »Denkschrift« nennt und »im Auftrag des Akademischen Schutz vereins« von einem Professor der Nationalökonomie verfaßt ist, hat es die Beachtung gefunden, die ihm nicht zukommt. Ein Professor der Nationalökonomie will den Zwischen handel ausschalten, ausgerechnet im zwanzigsten Jahrhundert! Ein moderner Franxois Quesnay, für den noch kein Friedrich List gelebt hat! Ein Professor der Nationalökonomie, der leugnet, daß auch der Handel Werte schafft in Ort und Zeit, der die Ansicht vertritt, daß Konsumtion und Produktion direkt ineinandergreifen könnten! Das sollte man freilich nicht für möglich halten; aber wer das Buch des Professors Bücher liest, der wird zu seinem Erstaunen finden, daß es noch einen Nationalökonomen gibt, der, wenigstens was den deutschen Buchhandel anbetrifft, noch auf dem Standpunkt der Phpsiokraten steht. Mit dürren Worten ist das freilich nicht gesagt, aber es läßt sich schlechterdings gar nichts andres aus dem Buche herauslesen. Das geht z. B. ganz deutlich aus dem Bedauern hervor, das der Verfasser enrpfindet, weil ein Vorschlag des deutschen Post archivs vom Jahre 1874, der »direkte Bestellungen des Publikums bei den Verlegern« als den »naturgemäßen und einfachsten Weg zur schnellen Beschaffung literarischer Er zeugnisse« empfahl, keine Anerkennung von seiten der Verleger gefunden hat. Und auch aus den eignen Worten Büchers ist seine Ansicht von der Überflüssigkeit des Sor timents als eines lediglich verteuernden Zwischenhandels zu erkennen. »Für die meisten Disziplinen«, sagt er (S. 43), »kommen nur sehr wenige Verleger in Betracht, und diese haben alle weit wirksamere und raschere Mittel, den Interessenten ihres Verlags neue Erscheinungen bekannt zu machen, als sie das Sortiment bietet.« Hinter »bekannt zu machen« ist selbstverständlich zu ergänzen: »und zu liefern«, denn Professor Bücher will doch nicht etwa, daß der Verleger dem Publikum seine Neuigkeiten direkt nur bekannt machen und etwa durch das »viel zu langsam arbeitende Sortiment« be- orgen lassen solle? Daß dies nicht seine Absicht ist, geht aus der wunderlichen Behauptung hervor, »überall« habe »sich unter dem Einfluß der großen Erleichterungen, die dafür unsere Reichspost bietet, der direkte Bezug vom Produzenten einge bürgert« s!!j; »und im Buchhandel glaubt man noch an einer veralteren Vertriebsweise festhalten zu müssen«. Ich habe diese Ausführungen wiedergeben müssen, um den Beweis zu liefern, daß tatsächlich im Jahre 1903 ein Professor der Nationalökonomie den Zwischenhandel für über flüssig erklärt. Als Stoff für die nächste Kantate-Komödie empfehle ich das Ideal Büchers einmal in die Theaterwirk lichkeit zu übersetzen unter dem Titel: Eine Woche ohne Sortimentsbuchhändler. Es könnte etwas ähnliches heraus kommen wie aus dem Thema »Ein Tag ohne Zeitung», das ein witziger Kopf einmal bearbeitet hat. Schon in einer ernst gehaltenen Antwort auf Büchers Schrift, die den Sortimentsbuchhändler Gustav Wilhelm Knorrn (Waldenburg i/Schles.) zum Verfasser hat, mutet das an einigen Beispielen demonstrierte Ideal Büchers ge radezu humoristisch an! Wie es gehen wird, »wenn direkte Fäden aus dem Lager des Verlegers in die Millionen von Haushaltungen führen werden, die wenigstens einen Kalender und ein Bilderbuch anschaffen«, kann man sich doch eigentlich nur humoristisch ausmalen. Gleichwohl hat Knorrn es fertig gebracht, diesen — mit Verlaub — prosessoralen Unsinn mit ernsten Mitteln als das zu erweisen, was er ist. Ich be trachte freilich die Zeit, die für solche Berechnung nötig ist, 'ür vergeudet, und nur die Tatsache, daß Knorrn gerade seine Ferientage dafür zur Verfügung hatte, kann ich als mildern den Umstand gelten lassen. Der frische Ton, den Knorrn in seiner Erwiderung an schlägt, macht das Büchlein zu einer angenehmen, unter haltenden Lektüre, die an manchen Stellen geradezu ergötzlich wirkt. Mit wie wenig Sorgfalt die Büchersche Denkschrift verfertigt ist, geht daraus hervor, daß ihre eigentlichen Grundlagen wanken, wie Knorrn trocken feststellt. Denn der bücherverteuernde Sortimenter konnte doch nur dann in dem gewünschten Lichte erscheinen, wenn sein enorm hoher Verdienst, im besondern gegen die bescheidenen Gewinne andrer Zweige des Handels, in Prozenten festgestellt wurde. Und nun stellt sich heraus, daß nahezu ausnahmslos der Rabatt, wo Freiexemplare in Betracht kommen, von Bücher falsch, nämlich zu hoch berechnet ist! Da man eine Tendenz doch wohl nicht gut annehmen darf, ohne den Verfasser zu beleidigen, so bleibt nur noch die Erklärung übrig, daß der Professor der Nationalökonomie nicht rechnen kann. Wer das aber nicht kann, macht sich einer Fahrlässigkeit schuldig, wenn er nicht seine Resultate Kundigen — etwa einem Pro fessor der Mathematik — zur Nachprüfung übergibt, ehe er sie zur Grundlage von Angriffen macht. Dazu sind auch die Berechnungen des Gewinns in andern Handelszweigen großenteils falsch, aber hier nach der entgegengesetzten Seite. Die Knorrnsche Broschüre kann jedem Leser der Bücherschen Ausführungen nur warm empfohlen werden. Auch bei dem begeisterten Verehrer des Professors wird die Wirkung die sein, daß er doch um einige Stufen von seinem Sockel heruntersteigen muß. Da ich indes nicht annehmen kann, daß ein Professor der Nationalökonomie im Ernste daran denken kann, den Zwischenhandel aus der Güterverteilung zu eliminieren — was doch aus der oben mit Genugtuung mitgeteilten Be hauptung, daß überall schon der direkte Bezug vom Produ zenten eingeführt sei, hervorzugehen scheint — so muß man
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