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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.09.1903
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- Erscheinungsdatum
- 04.09.1903
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- Deutsch
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. ^ 205, 4. September 1908. Nichtamtlicher Teil. 6759 Dieser Fall steht erfreulicherweise völlig vereinzelt da, und es ist zudem mit Sicherheit anzunehmen, daß es sich hier um einen pervers veranlagten Menschen handelte. Häufig werden Bücher aus bloßer Gewinnsucht gestohlen. Schon im Altertum wurden Manuskripte sorgfältig gehütet, und im Mittelalter schrieb man oft an das Ende derselben einen »Bücherfluch« (gegen den, der das betreffende Manuskript stehlen wollte). Ein Deputierter zur Zeit des ersten Kaiserreichs, Antoine- Marie-Henri Boulard, der vorher Notar und Bürgermeister des 10. Pariser Bezirks gewesen war, hatte sein Haus, Bonaparte- Straße Nr. 23, an der Ecke der, Jacob-Straße, vom Keller bis unters Dach ganz mit Büchern ungefüllt. In der Beschaffung derselben soll er aber nicht sehr gewissenhaft gewesen sein, denn eines Tages nahm er sogar aus der Loge eines Hauswärters ein Buch mit, und er verdankte es nur einem Geldgeschenk, daß er nicht als Dieb entlarvt wurde. An krankhafter Stehlsucht litt vor fünfzig Jahren einer der ersten Pariser Buchhändler. Obschon er es gar nicht nötig hatte, pflegte er sowohl bei den Bouguinistes an den Seine-Ufern als auch im »UStsl äss Vovts»« Bücher in die Tasche zu stecken. Er tat das übrigens nicht einmal heimlich, und wenn der Bouquiniste ihm die Rechnung schickte, so bezahlte ec sie stets. Man kannte ihn als Sonderling, und wenn auf einer Vücherversteigerung der eine oder andre Band verschwunden war und man ihn bat, ein mal in seinen Taschen nachzusehen, so gab er den Band ohne Widerspruch wieder heraus oder bezahlte ihn. Es war ebenfalls vor 50 Jahren in Paris, als ein seit langem von den Bouguinistes gefürchteter englischer Bücherdieb sest- genommen wurde. Dieser war kein Geringerer als Sir Edward Fitz-Gerald, der einer der berühmtesten Familien Englands angehörte, der Neffe des damaligen Premier-Ministers. Schon als Botschaftssekretär hatte Edward Fitz-Gerald bei seinen besten Freunden Bücher gestohlen. Eines Tages wurde er von seiner Frau erwischt, als er in einem Schloß in Northumberland Bücher stahl. Sie selbst zeigte ihn an. Er flüchtete dann nach Paris, wo er seiner unglückseligen Leidenschaft wieder nachhing, bis er zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Er hatte übrigens keineswegs teure Bücher gestohlen, und er scheint mehr einem krankhaften Triebe gefolgt zu sein, da er im übrigen ein redlicher Mensch war. Um billig in den Besitz eines Werkes zu kommen, stehlen manche einen oder zwei Bände oder entfernen nur den einen oder andern Bogen. Dies tat z. B. in Lyon ein von allen Buch händlern gefürchteter Vr. R., der, nachdem er einen Band eines Werkes gestohlen, nach 8 oder 14 Tagen wiederkam, um das un vollständige Werk möglichst billig zu kaufen. Andre suchen Werke, die sie unvollständig gekauft haben, da durch zu vervollständigen, daß sie in öffentlichen oder privaten Bibliotheken den fehlenden Band oder Bogen aus dem betreffen den Werk entwenden. Ein Bibliothekar im Haag, der die reich haltigste Elzevir - Sammlung besaß, ließ deshalb niemand seine Bibliothek besichtigen, der nicht vorher eine große Robe ohne Ärmel und ohne Taschen anzog. Die Nationalbibliothek in Paris ist schon häufig be stohlen worden. Schon zu Colberts Zeiten bemerkte man, daß der königliche Bibliothekar Pierre de Carcavi vorzugsweise die Doubletten entwendete, vermutlich um sie zu verkaufen; er wurde deshalb 1684 von seinem Posten enthoben. Etwas später wurden wertvolle Manuskripte und Bücher von Jean Aymon, einem zürn Protestantismus übergetretenen und dann zur katholischen Kirche zurückgekehrten Geistlichen, gestohlen, der sic nach dem Haag mitnahm. Die Entwendung der Handschriften und der Bücher wurde ihm dadurch erleichtert, daß der Bibliothekar Nicolas Clement ihn nicht immer überwachte. Schon vorher hatte er einem Buchhändler im Haag ein Koran-Manuskript gestohlen. In Paris entwendete er u. a.: »Rs äsrnisr Ooncilo äs äsrusalew tonn pur Is8 Arees au sujst äs 1a transsubstautiation«, eines der kost barsten Manuskripte der Nationalbibliothek, ebenso den ersten Band der Originalbriefe Viscontis, ferner italienische Briefe von Prospero Santa-Croce, »l/^rubassacis äs l'liivsgus ä'^cvAau- lsms ä Roms«, ein Evangelienbuch in Unzialbuchstaben, die Briefe des heiligen Paulus (in Folio, auf Velinpapier) usw. Nach langwierigen diplomatischen Verhandlungen entschlossen sich die holländischen Staaten 1709, das Manuskript des »Ooncils äs äeruoalsru« wieder nach Paris zu senden. Die meisten andern Manuskripte und Bücher gelangten aber nie wieder in den Besitz der Nationalbibliothek. Der berüchtigste Bücherdieb aller Zeiten aber war Libri, der den französischen Bibliotheken Vücherschätze im Wert von Millionen entwendete. Wilhelm - Brutus - Timoleon Libri - Carrucci war ein Nachkomme des Dichters Feo della Sommaia, eines Freundes Petrarcas und Boccaccios. Er nannte sich wegen seiner Bücher liebhaberei Libri della Sommaia. Sein Vater war 1816 in Lyon wegen Fälschung von Handelseffekten zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden. 1830 wurde Libri infolge einer politischen Verschwörung gezwungen, Italien zu verlassen. Er flüchtete nach Frankreich, wo er eine gastliche Aufnahme fand, weil er ein tüch tiger Gelehrter, namentlich hervorragender Mathematiker war. 1832 wurde er zum außerordentlichen Professor am LollsZs äs Rravcs ernannt, im folgenden Jahre naturalisiert und zum Mitglied des Instituts gewählt. Im nächsten Jahre wurde er Professor an der naturwissenschaftlichen Fakultät in Paris und Ritter der Ehren legion, 1838 Redakteur am »äournal äss Lavants«, 1843 ordentlicher Professor am OollsZs äs Rrancs und sogar mit dem Amt eines General-Inspektors des öffentlichen Unterrichts bekleidet. Ein Beschluß vom 3. August 1841 ordnete die Herausgabe eines »Generalkatalogs aller Manuskripte in alten und neuen Sprachen im Besitze der öffentlichen Bibliotheken in den Departements» an. Libri wurde zum Sekretär der Kommission für Ausarbeitung dieses Katalogs ernannt, und er erhielt auf d'ese Weise Zutritt zu allen öffentlichen Bibliotheken in der Provinz. Schon vorher hatte er die großen Pariser Bibliotheken durchstöbert, nachdem er bereits den Bibliotheken von Florenz und Pisa manchen wert vollen Band entwendet hatte. Da er mit amtlichen Empfehlungen versehen war, so wurde er in der Provinz überall aufs freundlichste behandelt. Nur der Bibliothekar von Äuxerre war so schlau, ihn nie allein zu lassen, auch wenn er nachts arbeiten wollte. In allen andern Bibliotheken, in Dijon/Lyon, Grenoble, Carpentras, Mont pellier, Poitiers, Tours, Orleans fand er reichlich Gelegenheit zu stehlen. Seine Diebstähle suchte er durch falsche Angaben in den Katalogen und auf den Bücher-Etiketten zu verdecken. Die ge stohlenen Manuskripte ließ er anders einbinden, nahm darin Ra suren vor oder fügte Notizen hinzu, um den Glauben zu erwecken, sie hätten sich in Privatbesitz befunden. Der erste Verdacht gegen Libri wurde 1tz46 laut; allein man wagte es nicht, eine so hoch- gestellte Persönlichkeit anzuklagen. Erst ein Jahr später, als Libri eine Sammlung alter Werke versteigern ließ, die inehr-als 100 000 Frcs. einbrachte, wurde eine geheime Untersuchung gegen ihn eröffnet. Da aber Libri mit Guizot, dem Ministerpräsidenten, eng befreundet war, so sollte die Sache niedergeschlagen werden, als die Revolution von 1848 ausbrach. Als Libri hörte, daß die Untersuchung ihren Fortgang nahm, flüchtete er noch rechtzeitig nach England, wohin er sich 18 Kisten Bücher nachsenden ließ, die er für 25 000 Frcs. versichert hatte. Libri wurde in contumaciam zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt und seiner Ämter verlustig erklärt. Er protestierte übrigens gegen das Urteil und behielt auch eine Anzahl Anhänger in Frankreich, worunter Laboulaye, Paul Lacroix, Msrimse u. a., die noch zehn bis fünfzehn Jahre lang an seine Unschuld glaubten. Leopold Delisle, der be kannte Leiter der Nationalbibliothek, hat aber die Schuld Libris aufs bestimmteste nachgewiesen. Lord Ashburnham, dessen Vater viele der gestohlenen Werke gekauft hatte, gab 1880 ein überaus seltenes, leider verstümmeltes Manuskript des Pentateuchs an Frankreich zurück. Aber die andern Manuskripte behielt er. Die meisten der von Libri geraubten Bücherschätze blieben in Eng land, Italien, Deutschland und Amerika. Nur einige wertvolle Manuskripte kaufte Leopold Delisle auf Kosten der französischen Regierung 1888 zurück. Inzwischen war Libri nach Italien zurück- gekehrt; er starb übrigens in tiefstem Elend am 28. September 1869 in Fiesole bei Florenz. Sein Helfershelfer beim Verkauf der gestohlenen Werke war Joseph Barrois, ehemaliger Abgeordneter des Nord-Departe ments, der 1855 starb. Dieser hatte die aus der königlichen Bibliothek gestohlenen Manuskripte gekauft und, nachdem er sie verstümmelt und unkenntlich gemacht hatte, 1849 an Lord Ashburnham weiterverkauft, zur selben Zeit, als der Prozeß gegen Libri bereits anhängig war. (Schluß folgt.) Kleine Mitteilungen. Deutscher Buchgewerbeverein. — Die Ostermeß- und Jahresausstellung im Deutschen Buchhändlerhause zu Leipzig wird am 15. September geschloffen werden, da dann mit den Vor bereitungen einer Ausstellung begonnen werden muß, die in Ab drucken ein übersichtliches Bild der Lebensarbeit Ludwig Richters geben soll. Durch das Entgegenkommen verschiedener Verleger, vor allem der Firmen Georg Wigands Verlag und Alphons Dürr in Leipzig, wird es voraussichtlich möglich sein, alle diejenigen Radierungen, Kupferstiche, Lithographien und Holzschnitte in Ab drucken zu zeigen, die die unermüdliche Arbeit des Meisters der graphischen Kunst geschaffen hat. Die Ausstellung wird am 27. September 1903, am Vorabend von Ludwig Richters hundert stem Geburtstag, eröffnet werden. Über ihren Fortschritt werden wir weiter berichten. Am Sonnabend, den 5. September, bleiben aus Anlaß der Kaiserparade die Geschäftsstelle, das Lesezimmer, sowie die Aus- 898'
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