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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.09.1903
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 04.09.1903
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- Deutsch
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6758 Nichtamtlicher Teil. 205, 4. September 1903. keilen, die die Arbeit des Werkeltags in jedem Stand mit sich bringt, zu verringern oder aus dem Wege zu räumen. 6. N. Büchrrliekhaber und Vücherdiebe. Von T. Kellen (Essen/Ruhr). jNachdruck verboten.) »Von allen von Gott erschaffenen Wesen ist der Bücherfreund (biblioxbils) ohne Zweifel der selbsüchtigste und grausamste.« Dieser Ausspruch Edniond Texiers ist allerdings übertrieben, allein es ist doch Tatsache, daß ein leidenschaftlicher Büchersammler ebenso einseitig werden kann, wie jemand, der sich durch eine andre Leidenschaft beherrschen läßt. Zu welchen Verirrungen er sich sogar verleiten lassen kann, ersieht man z. B. aus einem Buche, das Albert Cim soeben über »Bücherliebhaber und Bücherdiebe--*) veröffentlicht. Da das Werk auch für deutsche Leser, namentlich für Buchhändler, viel Interessantes enthält, so seien hier einige Einzelheiten daraus mitgeteilt. Das Büchcrleihen ist unstreitig eine Untugend, denn ge liehene Bücher werden häufig nicht zurückgegeben und noch häufiger beschmutzt oder beschädigt. Scaliger hatte auf seiner Bibliothek eine Inschrift aufgehängt: »Its ack venäsntss«. Wollt Ihr Bücher haben, so geht in die Buchhandlungen! Das ist ein Wort, das sich jeder merken sollte. Der Maler Du Moustier, der zur Zeit Ludwigs LUI. im Louvre wohnte, hatte unter andern Sprüchen in seiner Bibliothek auch folgenden angebracht: »Der Teufel hole die Bücberleiher!« Das war zwar nicht sehr höflich, aber dafür um so deutlicher. Merkwürdigerweise gibt es sogar Gelehrte und Schriftsteller, die ihre Bibliothek durch geliehene Bücher bereichern, obschon man von ihnen doch erwarten sollte, daß sie den Wert der Bücher auch für ihre rechtmäßigen Eigentümer zu schätzen wissen. Solche Gelehrte waren z. B. der Moralist Nicole, sowie die Akademiker Villemain und Louis de Lomsnie. Schon Tallemant des Rsaux macht in seinen »Ilistorisltss« die Bemerkung, manche Leute glaubten, Bücher stehlen sei kein Diebstahl, falls man sie nicht nachher verkaufe. Richard von Bury, der gegen das Jahr 1340 ein -plizckobiblion« schrieb (seit dem Mittelalter wohl das älteste Buch über Bibliomanie), gesteht ganz offen, daß er seine Stellung als Kanzler und Schatz meister Eduards III. von England ohne Scheu ausnutzte, um sich sowohl in Klöstern als bei Privaten Manuskripte anzueignen, die ihm gefielen. Ferner berichtet Rabelais in seinem »Pantagruel«, ein berühmter Rechtsgelehrter, Andre Tiraqueau, einer der Räte Heinrichs II. von Frankreich, habe den Prämonstratenser- Mönchen die Episteln Ciceros gestohlen. Als die Mönche ihm drohten, er werde aufgehängt werden, antwortete er: »Ach, be denket doch, meine Brüder, daß ich diesen Cicero dringend brauche und daß man einen Mann nicht hängt, der in zwölf Jahren zwölf Kinder in die Welt gesetzt und zwölf Foliobände ge schrieben hat.« Sogar der oben erwähnte Maler Du Moustier, der die Bücherleiher so kräftig verwünschte, wird von Tallemant des Rsaux beschuldigt, einem Buchhändler am Pont-Neuf ein von ihn: seit langem gesuchtes Buch gestohlen zu haben; aber die »üistoristtss- sind bekanntlich durchaus nicht immer als zuverlässig zu betrachten. Diderot kam einst auf merkwürdige Weise in den Besitz ge stohlener Bücher. Er hatte ein kleines Männchen kennen gelernt, das er »I,s pstit Oboes« (Der kleine Dingsda) nannte. Dieser war sehr stolz darauf, mit dem berühmten Schriftsteller verkehren u können, und er schenkte ihm mehrmals alte wertvolle Bücher, lls Diderot endlich Verdacht schöpfte und die Geschenke nicht mehr annehmen wollte, gab sein Freund zu, daß sie gestohlen seien; aber er bemerkte, das habe nichts auf sich, da der Eigentümer seit vier Jahren sein Bibliothekszimmcr nicht mehr betreten habe und Diderot diese Schätze doch besser ausnützen könne. Als Diderot sie trotzdem zurückgebcn wollte, erklärte der andere, das sei nicht mehr möglich, da der Eigentümer, der Abbs de Gatient, Kanonikus Unserer Lieben Frau von Paris, dessen Sekretär und *) .1 watsu rs st voleurs cks livrss. Lwpruntsurs inäslicats, voleurs pur amour ckss livrss, voleurs par amour cks I'arxsnt, vols ckans Iss Libliotbsques publiquss, ober Iss eäitsurs, libraires, bouquiuistss sic. OuvraAS orns cks ckeux planobss bors tsxts. Paris, II. Oara^on, 1903. VIII, 145 8. in-18". — Der schön aus gestattete Band ist in der »Oollsotion äu Libliopkils parisisn« erschienen und nur in 325 numerierten Exemplaren gedruckt worden. Der Verfasser ist Bibliothekar im Unter-Staatssekretariat der Post und Telegraphie und hat schon früher ein Werk über die Kunst, sich eine Bibliothek anzulegen, herausgegeben. Vorleser er gewesen sei, vorgestern gestorben sei und an die Bibliothek die Siegel angelegt seien. Die Erbin des Kanonikers weigerte sich übrigens, die Bücher zurückzunehmen, und so behielt Diderot sie und machte seinen seltsamen Verehrer zu seinem Bibliothekar, bis er seine ganze Bibliothek an die Zarin Katharina verkaufte. Bei den Italienern hat es zu allen Zeiten sehr eifrige Bücher sammler und sehr grausame Vücherdiebe gegeben. Der Marquis Tacconi in Neapel hatte ursprünglich ein Einkommen von 100 000 Franken, aber er fälschte zuletzt Banknoten, um teure Bücher zu kaufen. Cr las diese nicht, sondern stellte sie bloß in seine Bibliothek. Als er erwischt wurde, verurteilte man ihn zu den Galeeren. Der traurigste Kriminalfall in der Geschichte des Buchhandels sind wohl die Verbrechen des Buchhändlers Vincente in Barce lona, der 1836 zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Albert Cim gibt einen gleichzeitigen Bericht der »Casstts äss llribunaux« wieder, und wenn dieses Blatt nicht wegen seiner ernsten Berichte bekannt wäre, möchte man wohl annehmen, daß die ganze Geschichte einer abenteuerlichen Phantasie entsprungen wäre. Vincente war ursprünglich Mönch in dem Zisterzienserkloster Pöblet (Provinz Tarragonien) gewesen. Infolge der Kloster plünderungen hatte er sich in Barcelona als Buchhändler unter den Arkaden am Hauptplatz niedergelassen, wo der Hauptsitz der Antiquare ist. Obwohl er als Mönch wenig studierte, hatte er doch stets seine Freude an den reichen Bücher- und Manuskript schätzen seines Klosters gehabt. Es war bei ihm eine Leidenschaft, Bücher in Händen zu haben, und deshalb etablierte er sich als Buchhändler. Sein Lager war ziemlich umfangreich, und er besaß auch viele ältere kostbare Werke, doch trennte er sich höchst ungern von ihnen. Cr verlangte außerordentlich hohe Preise, und selbst wenn ihm diese zugestanden wurden, suchte er oft noch den Ver kauf rückgängig zu machen. Gegen Mitte des Jahres 1836 wurde die reichhaltige Bibliothek eines alten Rechtsanwalts versteigert. Unter den vielen Selten heiten befand sich auch ein kleiner Folioband: »pars s orckinacions kstss psr los Aloriosos rsz-s cks -Iraqon als rs^nicols cksl rsAus äs Valencia.« Cs war die erste Ausgabe dieses Werkes; Lambert Palmart, der die Buchdruckerkunst in Spanien eingeführt hat, hatte sie 1482 gedruckt. Ein zweites Exemplar dieses Werkes war nicht bekannt, und deshalb ging Vincente in seinem Angebot bis 1320 Franken. Sein Konkurrent Augustin Patxot bot aber 1334 Franken und erhielt es zugcschlagen. Noch vor Ablauf der Woche entstand nachts in dem Laden dieses Konkurrenten ein Brand. Patxot selbst wurde im Laden tot aufgefunden; er war völlig entstellt, aber ein Verbrechen schien ausgeschlossen, da auf einem Tisch eine ziemlich bedeutende Geldsumme unberührt ge blieben war. Um dieselbe Zeit wurde ein Pfarrer aus der Um gegend in einem Graben ermordet aufgefunden, und bald darauf zog man die Leiche eines jungen deutschen Schriftstellers (der Name wird nicht mitgeteilt), der mehrere Dolchstiche erhalten hatte, aus dem Wasser. Auch diese waren nicht beraubt worden. In der folgenden Zeit wurden noch neun Leichen aufgefunden, und es entstand daraufhin eine begreifliche Erregung im Lande. Jedesmal handelte es sich um gebildete Leute, und man glaubte zuletzt, sie seien das Opfer einer geheimen Inquisition geworden. Unter denen, gegen die man Verdacht schöpfte, befand sich auch Vincente, weil er ehemals Mönch gewesen war. Bei einer Haus suchung fand man das 1482 von Palmart gedruckte Buch, und da er dessen Erwerb nicht glaubhaft nachzuweisen vermochte, wurde er verhaftet. Als man seine Bibliothek untersuchte, fand man meh rere kostbare Bücher, die er an die ermordeten Personen verkauft hatte. Nach längerem Leugnen bequemte er sich endlich zu einem Geständnis, nachdem ihm das Versprechen gegeben woroen war, daß seine Bibliothek unversehrt erhalten bleiben sollte. Er hatte nämlich seine Kunden ermordet, um wieder in den Besitz der ver kauften Bücher zu gelangen. Dem Pfarrer hatte er, als er sich in Geldverlegenheit befand, ein seltenes Buch verkauft: »Vigilius mor- tuorum sscuvckuw cüorura scclssias NaAuntinas.« Als der Verkäufer fort war, wurde es ihm leid; er folgte ihm und wollte ihm sein Geld zurückgeben. Allein der Pfarrer ließ sich nicht darauf ein, und als sie an einer einsamen Stelle waren, stieß Vincente ihn mit Messerstichen nieder und gelangte so wieder in den Besitz seines Buches. In andern Fällen hatte er aus seltenen Büchern einzelne Blätter herausgenommen, und wenn dann nach kurzer Zeit die Käufer wiederkamen, um zu reklamieren, lockte er sie in einen Hinterraum, ermordete sie und trug nachts ihre Leichen hinaus. »Die Menschen sterben doch früher oder später,« sagte er vor Gericht, »aber die guten Bücher muß man ausbewahren und be halten.« Seinen Konkurrenten Patxot hatte er erschlagen, und um die Spur seines Verbrechens zu verwischen, hatte er seinen Laden in Brand gesteckt. Er wurde zum Tode durch den Strang verurteilt und hingerichtet.
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