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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.12.1904
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- Erscheinungsdatum
- 27.12.1904
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- Deutsch
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11592 Nichtamtlicher Teil. 300. 27. Dezember 1904. Nichtamtlicher Teil. Zur Geschichte der chemischen Lehrbücher. Von W. Ostwnld.') Da ich mich wiederholt mit der Abfassung chemischer Lehrbücher abgegeben habe, so nehme ich. wenn sich die Ge legenheit bietet, gern ältere Werke solcher Art in die Hand, um zu sehen, wie sich die Herren Kollegen seinerzeit mit den Schwierigkeiten abgefunden haben, unter deren Last ich selbst geseufzt hatte. Es ist ein Interesse ähnlich dem. mit dem die Frauen gegenseitig ihre Kinder betrachten, wo bei es denn auch nicht fehlt, daß man das eigene trotz allem, was die andern sagen, doch eigentlich für das beste und schönste ansteht. Es mag wie ein Widerspruch aussehen, aber es darf doch gesagt werden: was man dabei lernt, ist nor allen Dingen Bescheidenheit bezüglich der eignen Leistung. Sieht man nämlich, mit wie vielen Jrrtümern solche Werke be haftet sind, selbst wenn sie von Männern ausgegangen sind, die ihrer Zeit die ersten ihres Fachs waren, deren Gedanken die Auffassung der Wissenschaft für Jahrzehnte, ja Jahr hunderte bestimmt haben, so erkennt man, daß man bei aller Mutterliebe auch für das eigne Werk kein andres Schicksal voraussehen darf: es wird bestenfalls ein kräftiger und einflußreicher Mann, aber hernach wird es alt und unwirksam und muß einem aus neuem Geschlecht den Platz räumen. Das ist das Los solcher zusammenfassender Werke im Gegensatz zu dem Los. das bahnbrechenden wissenschaftlichen Original arbeiten beschicken ist; die letztem haben das Vorrecht ewiger Jugend. Wir können noch heute vollständig Davys Entdecker freude Mitempfinden, wenn wir seinen elektrochemischen For schungen nachgehen, die ihn von der Erklärung des Auftretens von Säure und Alkali durch den galvanischen Strom aus scheinbar reinem Wasser bis zu der Entdeckung der Alkali metalle geführt haben, und wenn wir sehen, daß dasselbe Verfahren, durch das der erste Sterbliche Kalium und Natrium zu Gesichte bekam, heute auch technisch das zweck mäßigste ist. um diese Metalle im Großbetriebe herzustellen. Wie anders mutet uns solchen Entdeckungsfahrten gegen über das systematisch geordnete Lehrbuch an. sei es auch z. B. von keinem Geringern. als dem Reformator der Verbrennungs lehre. Lav visier, verfaßt. Nur wenige Jahre älter, als jener Bericht, macht es auf uns doch heute einen gänzlich veralteten Eindruck, und wir sind erstaunt, daß ein an Fehlern so reiches Werk es seinerzeit dazu gebracht hatte, als die Bibel der neuern Chemie angesehen zu werden. Die Ursache dieses Gegensatzes wird klar, wenn man sich die Verschiedenheit des Inhalts beider Produkte ver gegenwärtigt. Der Entdeckerbericht setzt die gesamten Kennt nisse und Anschauungen seiner Zeit als bekannt voraus, ohne von ihnen etwas andres zu erwähnen, als was für den vorliegenden Zweck gerade erforderlich ist. Das Lehrbuch muß dagegen alles zusammenfassen, was zurzeit für richtig gilt, und enthält neben dem bleibend Richtigen, das vielleicht das Verdienst des Verfassers ist. sehr viel Falsches, was nicht seine Schuld ist, da es eben das Wissen seiner Zeit darstellt. Daraus ergibt sich unmittelbar der sehr viel größere Anteil des Sterblichen in solchen Werken. 's Mit gütig erteilter Erlaubnis des Herrn Verfassers und der Verlagshandlung abgedruckt aus Nr. 1 (1. Jahrgangs) der Monatsschrift »Chemische Novitäten- vom 15. Oktober 1904. Diese Hcste werden von der Buchhandlung Gustav Fock G. m. b. H. in Leipzig herausgegeben. Ihr Untertitel lautet: »Bibliographische Monatsschrift sür die neu erscheinende Literatur auf dem Gesamtgcbiete der reinen und angewandten Chemie und der chemischen Technologie-. (Jahrgang s12 Nrn.j Preis 2 ^ 50 ^ ord.) Was nun das obenerwähnte einflußreiche Werk Lavoisiers. richtet der berühmte Verfasser selbst, daß es sich für ihn zuerst nur um eine Rechtfertigung der auf Grund der neuen Anschau ungen von ihm im Verein mit Fourcroy. Guyton. de Mor- veau und Beinhaltet ausgearbeiteten Nomenklatur gehandelt hätte, die die Genannten 1787 der Pariser Akademie als »Uetbocko 6o noinonolaturo obinnqno» vorgelegt hatten. »Und in der Tat, da ich mich nur mit der Nomenklatur zu beschäftigen glaubte; da es bloß meine Absicht war. die chemische Sprache zu vervollkommnen, entstand unvermerkt unter meinen Händen, ohne daß ich es zu hindern ver mochte. dieses chemische Elementarwerk.-') Im Anschluß an diese Entstehungsgeschichte werden nun die Grundsätze dargelegt, nach denen das Lehrbuch verfaßt ist. Als erster erscheint der Grundsatz alles Lehrens. daß man vom Bekannten zum Unbekannten fort schreiten müsse. Wir wollen bei diesem Punkte in Lavoisiers Programm einige Augenblicke verweilen, weil diese Regel trotz ihres grundsätzlichen Charakters von den spätern Autoren der Lehrbücher der Chemie, insbesondere in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, immer wieder gröblich verletzt worden ist. »Wenn wir uns zum erstenmal dem Studio einer Wissenschaft ergeben, so sind wir in Rücksicht dieser Wissen schaft in einem Zustande, der dem sehr analog ist, worinnen sich die Kinder befinden; und der Weg. dem wir folgen müssen, ist gerade der. welchen die Natur in der Bildung ihrer Vorstellungen einschlägt. Ebenso, wie dem Kinde die Vor stellung eine Wirkung der Sensation ist. die Sensation aber die Vorstellung bei ihm erzeugt, ebenso müssen auch für den jenigen. welcher die Physik zu studieren anfängt, die Vor stellungen nur eine Konsequenz, eine unmittelbare Folge einer Beobachtung oder Erfahrung sein.» Goldne Worte, die leider die spätern Lehrbuchautoren nur zu oft außer acht gelassen haben! Sieht man sich nämlich die Form der Lehrbücher an. wie sie mit geringen Ände rungen während des letzten Jahrhunderts geherrscht hat. so findet man unweigerlich die Reihenfolge: Theoretische Ein leitung. Beschreibung der Elemente und ihrer Verbindungen. Und die theoretische Einleitung bringt die allgemeinen Gesetze und Hypothesen (beide meist sogar miteinander ver mischt und ohne daß irgend welche Obacht auf ihre Tren nung gegeben würde) in einem Stile, der die Bekannt schaft mit den chemischen Einzelheiten bereits voraussetzt, während in der Beschreibung der Elemente und Ver bindungen jene theoretischen Anschauungen nicht nur als be kannt. sondern auch als bewiesen vorausgesetzt werden. Es findet sich daher nirgend in der ganzen Darstellung ein Platz, wo die experimentellen Grundlagen jener theoretischen An schauungen dargelegt würden, und das ganze Lehrgebäude erhebt sich auf Fundamenten, zu deren Prüfung der Schüler niemals Gelegenheit und Anleitung erhalten hat. Fragt man sich, wie ein so unsinniger Gebrauch hat entstehen können, da die richtigen Prinzipien bereits so lange in unsrer Wissenschaft Anwendung gefunden hatten, so ist die Antwort darin zu suchen, daß die Form des Handbuchs, wie sie insbesondere durch Leo pold Gmelin seit 1817 in klassischer Weise für unsre Wissenschaft begründet worden ist. mit der des Lehrbuchs verwechselt wurde. Was für das erstere ') Zit. nach der Übersetzung von Hcrbstädt. Berlin und Stettin 1792.
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