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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.05.1904
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 28.05.1904
- Sprache
- Deutsch
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4642 Nichtamtlicher Teil. 121, 28. Mai IS04. ich darf es mir daher versagen, hier Namen und Titel als Beweismomente anzuführen. Bildwerke mit und ohne Text, die dem »Kultus des Nackten- und dem noch viel schlimmeren »Kultus des Halbnackten- huldigen, die schon oft die Staats anwaltschaften in Bewegung gesetzt haben. Diesem Umstand schreibe ich zwar an sich keine Beweiskraft zu, denn auch ein Staatsanwalt kann sich irren bei Feststellung der Grenz linien zwischen Kunst, die dem Künstler dienen will und soll (Aktstudien!) und einer Kunst, die in ihrem Kern unsittlich und gemein ist! Mag es in manchen Fällen auch sehr schwer sein, eine von reinem, künstlerischem Geist getragene Darstellung zu unterscheiden von einer nur aus Erwerbssinn geschaffenenen frivolen Mache, so ergeben sich gerade hieraus weitere Gesichtspunkte, die auch den buch- und kunsthändle rischen Beruf angehen. Wir deutschen Buch- und Kunsthändler werden gewiß nicht wünschen, daß die geistigen Erzeugnisse unseres Volkes unter die Zensur des Staates gebracht werden, wir müssen das sogar zu verhindern bestrebt sein. Das letztere kann aber nur gelingen, wenn wir mehr als Händler zu sein ver mögen. Wir müssen uns bewußt sein, daß es neben dem »Geschäft- für unseren Beruf noch Aufgaben und Pflichten gibt, die wir unbedingt zu erfüllen haben. Wir müssen selbst wissen und beurteilen können, was wir verbreiten, noch mehr aber, was wir vertreiben wollen und dürfen! Mag man im Hinblick auf weit auseinander gehende Mei nungen und Überzeugungen die Grenzlinien für unsere Be rufstätigkeit noch so weit stecken, aber sie müssen gesteckt werden, denn es gibt eine Literatur und Kunst, die wir bekämpfen müssen! Es darf mit Genugtuung ausgesprochen werden, daß im Publikum trotz aller Gegenströmungen doch immer noch ein großer Kreis besteht, dessen Überzeugung uns stützt. Die Zahl von deutschen Männern und Frauen, die noch nicht angekränkelt sind von dem modernen Zeitgeist in der Kunst, ist gottlob heute noch sehr groß. Und innerhalb dieses großen Kreises herrscht, was auch uns beseelt, wirklich auf richtige Trauer, außerdem aber auch ein tiefer, ehrlicher Zorn gegen die heutigen Auswüchse auf dem Gebiet der Kunst und Literatur. Immer schamloser und zahlreicher treten Er scheinungen auf, die, jedes höhern Wertes bar, dem Anstands und Sittlichkeiisgefühl geradezu Hohn sprechen und geeignet sind, die Seele unseres Volkes, namentlich unserer Jugend, zu vergiften. Allen voran stehen gewisse Witzblätter, deren schädliche Wirkung um so größer ist, als man denselben Geist und Witz wenigstens teilweise nicht absprechen kann. Aber es ist der Geist der Verneinung, des frivolen Spottes und der Zerstörung, der sich hier regt, der nichts verschont, und dem nichts mehr heilig ist. Wenn nur menschliche Schwachheiten gegeißelt würden, könnte nian sich beruhigen, aber selbst des Menschen heiligstes Gut, sein religiöses Ge fühl und sein Glaube, wird verhöhnt und in den Kot hinabgezerrt. Am schlimmsten ergeht es demjenigen, der sich gegen solche aus den Niederungen menschlichen Geistes auf steigende Giftdllnste öffentlich auflehnt, — er wird mit den schärfsten Waffen der Bosheit und Niedertracht bekämpft und in seiner Person der Lächerlichkeit preisgegeben. Und ein solcher Geist darf sich heutzutage ungestraft rühren! Mit den Witzblättern, die zumeist auf der Straße feilgeboten werden, wohin sie ja auch gehören, rivalisieren zahlreiche Bücher und Schriften, die ebenfalls einem niederen, speku lativen Erwerbssinn entstammen. Unsere anständige Presse lehnt es zwar in dankenswerter Weise ab, solche literarische Aus- und Mißgeburten durch empfehlende Kritiken zu fürder», aber sie hat es seither noch nicht allseitig abgelehnt, dieselben durch bezahlte Ankündigungen dem Publikum nahe zu bringen. Es ist bekannt, was in einer weit verbreiteten Streitschrift dem deutschen Buchhandel hinsichtlich seiner Mitschuld beim Vertriebe der unsittlichen Literatur aufgerechnet wurde. Dieser Vorwurf war gewiß in seiner Verallgemeinerung von Einzel fällen eine große Ungerechtigkeit, denn man darf die Mehrheit der deutschen Buchhändler doch nicht verantwortlich machen für das, was diese selbst tief beklagen, leider aber nicht ver hindern können. Es muß gegen die uns angehängten Be schuldigungen aufs entschiedenste betont werden, daß die un lauteren Erscheinungen und Machenschaften im deutschen Buchhandel nur einer kleinen Minderzahl von Firmen zur Last fallen. Um diese treffen zu können, bedarf es einer Gesetzgebung, die unter voller Anerkennung und Wahrung der Rechte eines höheren, künstlerischen Schaffens, die er forderliche Handhabe bietet, um eine reinliche Scheidung zwischen Kunst und Asterkunst zu vollziehen. Von Be deutung dürfte sein, daß in Dresden, wo die Goethebünde vom 6. bis 7. April tagten, folgender Antrag vom Herrn Geh. Hofrat Gurlitt angenommen wurde: »Der Delegiertentag der Goethebünde ersucht die Einzelbünde, in ihrem Wirkungs kreis gegen die Schmutzliteratur und -kunst in geeigneter Weise vorzugehen, da diese Unkunst einen ernsten Schaden für die echte Kunst darstellt —-. Außerdem hat jetzt ein namhafter deutscher Schriftsteller (Otto von Leixner) einen Aufruf erlassen, der hoffentlich nicht ungehört verhallen wird. Der gesamte ehrenhafte deutsche Buchhandel hat nach meinem Dafürhalten die Aufgabe und Pflicht, hier mithelfend einzutreten, und ich bin fest überzeugt, daß er nicht zurück stehen werde im Kampfe gegen die unlauteren Elemente innerhalb und außerhalb unseres Kreises. Verlag und Sortiment erachte ich als eine solidarisch verbundene Ge nossenschaft, die nicht nur geschäftlichen Interessen nachzugehen, sondern auch in gemeinschaftlicher Arbeit ihre ganze Kraft einzusetzen hat, um den deutschen Buchhandel durch einen gründlichen Reinigungsprozeß hochzuhalten! Unser Sorti ment in seiner zwischen Verlag und Publikum vermittelnden Stellung, dürfte dabei die Hauptaufgabe zu leisten haben. Wir Sortimenter können, wenn wir nur wollen, nicht nur etwas erreichen, sondern auch verhindern! Damit soll gesagt sein, daß der Sortimentsbuchhändler, in Ausübung seines Berufes, dem ihm vertrauenden Publikum gegenüber nicht nur die Rolle des ehrlichen Maklers bei Empfehlung guter Bücher zu übernehmen, sondern daneben auch das Publikum zu schützen und zu warnen hat vor den schlechten Büchern. Wir dürfen nicht abwarten, bis uns die Macht des Staates durch Gesetzesparagraphen den Rücken stärkt, sondern wir sollen im Vollgefühl unserer eigenen Kraft, als selbst ständige und gewissenhafte deutsche Männer kämpfen für eine sittlich reine deutsche Literatur und Kunst! In diesem Sinne sind vorstehende Ausführungen ge schrieben. Mögen sie freundliche Aufnahme und ernste Er wägung finden im Kreise meiner lieben Kollegen! Seit mehreren Jahrzehnten im Kampfe stehend für ideale Be strebungen des deutschen Buchhandels, weiß ich mich einig und in Freundschaft verbunden mit einer großen Zahl hoch geachteter Berufsgenossen. Wenn es mir heute gelungen sein sollte, im Sinn und Geist dieser Freunde gesprochen zu haben, so bitte ich diese, mir ein Zeichen ihrer Zustimmung zu geben. Sie soll dazu dienen, um meine schriftlichen Erörterungen in das Gebiet praktischer Maßnahmen zu übertragen. Einstweilen bitte ich meinen guten Willen als eine bescheidene, aber ehrlich gemeinte Tat entgegenzunehmen. Was mich anirieb zum Schreiben, möchte ich ausklingen lassen in ein Goethesches Wort: »Wahre Kunst ist wie gute Gesellschaft, sie nötigt uns in der angenehmsten Weise das Maß zu erkennen, nach dem und zu dem unser Innerstes gebildet ist.« —
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