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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.05.1904
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 28.05.1904
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- Deutsch
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pv 121, 28 Mm 1904, Nichtamtlicher Teil, 4841 Man vergegenwärtige sich doch einmal den Unterschied in der Kunst zwischen einst und jetzt! Wir wissen ja, daß große Menschengeister für die Zeit, in der sie lebten, von bestimmendem Einfluß gewesen find und, je nachdem, auch weit über ihre Zeit hinaus, Goethe — Bismarck! Wir haben aber auch aus der Geschichte gelernt, daß es Zeiten gab und immer geben wird, wo große Geister überhaupt möglich oder nicht möglich waren. Von Künstlern und Dichtern unserer Zeit ist uns oftmals gesagt worden! wir befinden uns in einer Üb crgangsepoche! Das ist ja gewiß richtig, aber ist damit nicht zugegeben, daß unsere Zeit eine die Menschheit verjüngende neue Kunst noch nicht besitzt!? Trotzdem aber sollen wir glauben, daß die »alten Ideale- sich überlebt haben! Muß man da nicht an das Goethesche Wort denken! »Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!- — Mögen unsere modernen Dichter und Künstler, sowie deren Apostel, die inaktiven Kunst fanatiker, sich doch nicht wundern, wenn angesichts einer Zeitströmung, die von den schlimmsten künstlerischen Aus wüchsen durchsetzt ist, auch eine Gegenströmung sich bemerkbar macht, die aus ehrlicher, aufrichtiger Überzeugung festhalten will an allem, was eine frühere Zeit in den höchsten Aus flüssen des menschlichen Geistes geschaffen hat — für alle Zeiten! Um ein entscheidendes Merkmal festzulegen zwischen einst und jetzt, genügt eine einfache Wortbezeichnung natürlich nicht. Wenn man von einer klassischen und von einer modernen Epoche in Literatur und Kunst redet, so liegt darin nur eine Andeutung, die der näheren Erklärung bedarf. Die Entstehung der Frage! Was ist denn klassisch? — hat schon die größten Kontroversen gezeitigt; ich meine aber, man könnte diese Frage am besten lösen, wenn man einfach sagt! Klassisch ist, was nicht veraltet. Ich möchte aber noch hinzufügen! Klassisch ist nichts und kann nichts werden, was nicht geboren ist von einem reinen, auf das Höchste ge richteten künstlerischen Geist, Die Grenzlinien hierfür ab stecken zu können, maße ich mir nicht an, aber ich weiß mich einig mit einer heute gottlob in weiten Kreisen noch lebendigen Überzeugung, daß es für die Kunst ganz unbedingt Grenzlinien gibt! Diese Grenzlinien treten uns entgegen aus den Meister schöpfungen der Kunst aller Zeiten und Völker! Und was diese Meisterschöpsungen darstellen und enthalten, atmet nicht nur künstlerische Vollkommenheit in der Form, sondern es drückt durch künstlerische Mittel, in Bild oder Wort, des Menschen höchste Betätigung einer auf sittlicher Grundlage ruhenden Weltanschauung aus. Wie steht es dagegen mit den Grenzlinien auf dem Gebiete unseres heutigen künstlerischen Schaffens, das wir als modern bezeichnen!? Unsere modernen Dichter und Künstler behaupten, daß die Kunst für ihre naturnotwendige Entwicklung frei fein und bleiben müsse von jeglichen Fesseln, Gesetzen usw, — Daraus ergibt sich, daß eine Grenzlinie geleugnet wird. Das könnte zwar einleuchten, wenn zum Beispiel alle oder doch die Mehrheit unserer bildenden Künstler eine Genialität besitzen wie Böcklin oder Klinger! Solchen hervorragenden Geistern darf man gewiß das Zeugnis nicht aberkennen, daß sie ihrer Kunst neue Bahnen vorgezeichnet haben. Ein gleiches möchte ich von der Literatur von Nietzsche sagen, wenngleich mir scheinen will, daß diese drei stark subjektiv ausgeprägten Geister trotz ihrer Größe nicht in Vergleich gestellt werden dürfen mit den Meistern der klassischen Vergangenheit, weil diese ihre subjektiven Leistungen dem objektiven Kunstgesetz unterstellt haben. Was die genialen Meister unserer Zeit in ihrem die Kunst befruchtenden Schaffen bedeuten, braucht hier nicht Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 7l. Jahrgang. erörtert zu werden; allein ich muß Hinweisen auf die mit demselben verbundene Kehrseite, Ich stehe unter dem Ein druck, daß unsere heutigen höchsten Kunstschöpfungen keinen Gipfelpunkt zu erreichen vermochten, sondern nur ein Ringen nach Vollendung bedeuten. Wenn diese Auffassung zutrifft, so läßt sich daraus auch das Gebaren derjenigen ableiten und erklären, die, als kleine Geister geboren, nicht selbst schöpferisch austreten, sondern nur nachahmend arbeiten können und dabei Ausdrucksmittel ergreifen, die abseits von den Wegen wahrer Kunst liegen! Unter diesen kleinen Geistern befinden sich neben vielen unschädlichen auch schädliche, d, h, solche, die ohne Rücksicht auf früheres und gegenwärtiges künst lerisches Schaffen, der Menschheit nur ihr persönliches »Ich« darbieten. In diesen bedenklichen Existenzen erblicke ich die Hauptgefahr für unsere Zeit und damit auch für die Ziele einer idealen, reinen Kunst, Es darf nicht übersehen werden, wie groß die Verwirrung der Begriffe über künstlerische Dinge bereits geworden ist, und wie dieser Umstand geradezu ausgebsutet wird von spekulativen Köpfen, die auch im deutschen Buch- und Kunsthandel zu finden sind. Leider! Anläßlich der Behandlung eines Einzelfalles, wo die Bestellanstalt in Leipzig die Verteilung von Rundschreiben ausgeschlossen hatte, die die Werke eines französischen Schrift stellers ankündigten, hat man vor kurzem im Börsenblatt lesen können, daß die persönlichen Anschauungen der Leiter der Bestellanstalt nicht maßgebend sein dürsten, um Rundschreiben zurückzuweisen, sofern diese nicht anstößigen Inhalts und als solche mit den bestehenden Gesetzen in Konflikt kommen könnten. Außerdem wurde noch behauptet, daß in der Kunst in erster Linie künstlerische Gesichtspunkte die ent scheidende Rolle spielen. Diese Auslassungen braucht man gewiß nicht tragisch zu nehmen, aber sie legen doch ein beredtes Zeugnis ab für den heutigen Geist, der sich über sittliche Bedenken hinwegsetzt und sich lediglich den bestehen den Gesetzen, wenngleich nur der Not gehorchend, unter ordnet! Es mag zugegeben werden, daß das gesamte künstle rische Schaffen unserer Zeit noch kein abschließendes Urteil ermöglicht, wir befinden uns ja, wie wir gehört haben, in einer Übergangszeit des Ringens und Strebens, Um so mehr dürfte daher der Wunsch gerechtfertigt sein, daß der Tag bald anbrechen möge, wo eine dem ewig wiederkehren den holden Frühling gleiche Kunst die Menschheit aufs neue zu erfreuen und zu beglücken vermag. Einstweilen erscheint jedoch etwas Pessimismus in dieser Beziehung erklärlich, denn die Vertreter der modernen Kunst, sowie auch gewisse Kreise unserer heutigen Lehrerschaft, die den Unterricht auf eine künstlerische Basis stellen wollen, haben bereits so viel Schaden und Verwirrung angerichtet, daß man eine Heilung oder Besserung von heute auf morgen nicht hoffen darf. Wer sich vergegenwärtigt, was heutzutage der Menschheit als »Kunst« zugemutet wird, wer hinblickt auf die große, leider nur zu große Zahl von literarischen Erscheinungen, die als »hervorragende Kunstwerke- von der Kritik angepriesen werden, wird wohl ein banges und wehes Gefühl in sich nicht bekämpfen können, Wohl ist dagegen das Vorhandensein einer Reihe von echten »Rittern vom Geist», die als heute lebende Dichter und Künstler die Menschheit aus den Niederungen des täglichen Daseins in höhere, reine Sphären emporbringen möchten, ein Bollwerk; aber auch dieses wird bedroht durch rücksichtslos kämpfende Widersacher, durch eine von »Kunstfanatismus» erfaßte Ge sellschaft! Wohin steuern wir, so Habs ich schon oft gedacht, wenn ich nur die Ankündigungen von Büchern, Schriften und Bildwerken der allerbedenklichsten Qualität, noch mehr aber, wenn ich diese selbst sah oder las! Meine Leser wissen, welche Gattung von »Kunstwerken, gemeint ist, Kl4
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