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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.10.1901
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- 1901-10-22
- Erscheinungsdatum
- 22.10.1901
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849« Nichtamtlicher Teil. 247, 22. Oktober 1S0I. wirklichen Namen in die Welt hinaus, und so darf besonders das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert als das klassische Zeitalter des Pseudonyms bezeichnet werden. Aus der großen Schar dieser pseudonymen Verfasser seien in bunter Reihe nur einige genannt: Ulr. Megcrle — Abraham a Sancta Clara, Willib. v. Pirkheimer — Joh. Franc. Cottalambergius, Joh. Camerarius — Stanislaus Elvidius, Phil. v. Zesen — Ritter hold von Blauen, Joh. Agricola — Hans Eckerling, I. M. Moscherosch — Philander v. Sittewalt, Phil. Spener — Germanus Philalethes, Christ. Thomasius --- Hector Gott fried Erdmann rc. Daß man sich in Frankreich, England, den Niederlanden, der Schweiz u. s. w. des Pseudonyms ebenfalls sehr häufig bediente, braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden. Die humoristischen und satirischen Schriftsteller des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts hüllten sich natürlich erst recht in ihr Pseudonym, so Rabelais — Maistre Alcofrybas Rasier, Joh. Fischart, Hans Jakob Christoffel v. Grimmelshausen, die eine ganze Anzahl von Decknamen brauchten. Die Anzahl der von dem allerdings schon ins achtzehnte Jahrhundert gehörenden Voltaire ge brauchten Pseudonyme ist kaum festzustellen. Die Pseudouymbildung war eine sehr verschiedene; haupt sächlich geschah sie durch Namensveränderung, Zugrunde legung der Ortsnamen, Uebersetzung, Anagrammatisierung, Buchstaben- und Silbenspiel. Der Autor versteckte sich hinter seinem Pseudonym, war aber jederzeit imstande, seinen Namen auf dem Titelblatt oder in nächster Nähe desselben nachzmveisen. Bei dem freigewählten Pseudonym ist dies jedoch schon schwieriger. Es wird ja meist mit dem Ver fasser noch in irgend einer Beziehung stehen, aber doch nicht in unmittelbarer Beziehung zu seinem bürgerlichen Namen. Wenn nun gar statt mit Namen mit Personen gespielt wird, d. h. wenn als Pseudonym der Name eines Verfassers ge wählt wird, der wirklich existiert, bezw. existiert hat, so ivird das Pseudonym sehr dunkel; es tritt zu dem Verheimlichen der Verfasserschaft noch das Vorschützen der Verfasserschaft eines anderen, entweder eines lebenden oder toten Verfassers hinzu. Diese Fälle sind im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert gar nicht selten. Lange Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte nach dem Erdenwallen der betreffenden Origi nale taucht plötzlich auf neuen Druckschriften ein Aesop, Aristides, Albertus Magnus, Francis Walsingham (4730, Original zur Zeit der Königin Elisabeth), Marmaduke Myrtle (Pseudonym von Richard Steele, 1802) auf, während in letzterem Falle das Pseudonym des Originals schon hundert Jahre vorher gebraucht wurde. Die gründlichste Art der Namensverhüllung geschieht durch Annahme des Namens einer anderen noch lebenden Person. So soll einer der ältesten römischen Lustspieldichter, dessen Komödien wir unter dem Namen des Terenz kennen, sich dieses Namens nur als Pseudonyms bedient haben Cicero nennt in einem Briese an T.Pomponius Atticus denTerenz einen Mann, -dessenKomödien wegen der Eleganz ihrer Schreibweise von C. Laelius ge schrieben sein sollen-. P. Terentius war um ISO v. Chr. geboren und starb ungefähr zweiunddreißig Jahre alt 159 oder 158 v. Chr. Er war als Sklave nach Rom gekommen und lebte dann daselbst als Freigelassener. C Laelius, genannt der Weise, ein Freund des jüngeren Publius Scipio Africanus, war ein Hauptförderer der griechischen Bildung in Rom und mochte etwa gleichalterig mit Terenz sein, über lebte ihn aber um ein Beträchtliches, da er noch 140 als Konsul auftritt. Hatte er sich beim Veröffentlichen seiner Lustspiele, wie Cicero sagt, des Namens Terenz bedient, so hatte er mithin einen lebenden Zeitgenossen als Pseudonym verwandt Ein ähnliches Beispiel bietet Bodenstedt-Mirza- Schaffy. In seinem Buche »Tausend und ein Tag im Orient- iührt er die liebenswürdige Gestalt seines tatarischen Lehrers in Tiflis »Mirza - Schaffy, d. j. der gelehrte Schaffy-, ein. Diesem ist eine Reihe von Liedern in den Mund gelegt, die, später vermehrt, besonders und mit einem Prolog von Friedrich Bodenstedt erschienen. Alle Welt meinte nun, es seien Dichtungen von Mirza-Schaffy, die Bodenstedt ins Deutsche übertragen hatte. Aus dem Nachworte zu den viel später erschienenen: -Liedern aus dem Nachlasse von Mirza- Schaffy- war nun zu ersehen, daß Bodenstedt der wirkliche Dichter der alten wie der neuen Lieder des Mirza-Schaffy war, u,nd daß dessen Name nur als Deckmantel fiir die Liedersammlungen benutzt worden sei. Sollte nun, nachdem sich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert ganze Scharen von deutschen, schweizerischen, französischen, italienischen, englischen Dichtern und Gelehrten zeitweilig oder zuweilen ausschließlich des Pseudonyms bedient haben, nicht angenommen werden können, daß ein Manu, den dis Weltlitteratur als den größten und vielseitigsten Dichter kennt, als den besten und edelsten aller Humoristen und Satiriker preist, der im Jahre 1600 in der Vollkraft seines litterarischen Schaffens stand, daß William Shakespeare sich nie im Leben eines Pseudonyms bedient hätte? Es ist Grund genug zu der Anschauung vorhanden, daß auch er der Sitte der Zeit gemäß sich verhüllt habe. Aber nicht ein Mensch Namens William Shakespeare war es, der sich ver hüllte, sondern der Name William Shakespeare selbst ist die Umhüllung, und zwar für Francis Bacon von Verulam, der als Deckmantel seiner litterarischen Produkte den ähnlich lautenden Namen eines mit ihm fast gleichalterigen Schau spielers William Shakspere benutzte. Es ist nach Bormann naturwissenschaftlich und historisch erwiesen, durch eine Menge von Stellen in Francis Bacons Schriften selbst, wie in denen seiner Zeitgenossen, durch Tausende von Parallelstellen aus Bacons Prosaschriften und den Shakespeare-Dichtungen ist dnr- gethan, daß in Francis Bacon der Mann zu verehren ist, der uns das Kostbarste geschenkt hat, was die Litteratur aller Völker und Zeiten anszuweisen hat. Francis Bacon ist eigentlich schon von Geburt dem Pseudonym zugsthan. Schon sein Vater, Sir Nicholas Bacon, der Ratgeber der Königin Elisabeth, benutzte den Namen eines Unterbeamteu Hales als lebendigen Deckmantel für eine politische Schrift und wird von Ben Jonson als erster Schriftsteller seiner Zeit hervorgehoben, ohne daß man wüßte, was er geschrieben hat, vermutlich also anonym oder pseudonym. Die Mutter von Francis, Anne Bacon, hat wiederholt anonym Schriften aus dem Lateinischen und Italienischen ins Englische übersetzt. Aber auch Francis Bacon war von jeher gewohnt, unter fremdem Namen für andere zu schreiben und seinen eigenen Namen zurück treten zu lassen, wie er sich auch an den wiederholten Wechsel seiner Amtstitel und Namen gewöhnen mußte. Aus dem einfachen Francis Bacon wird nacheinander Sir Francis Bacon, Francis Baron von Verulam, Viscount Saint Alban. Daß Bacon sich Pseudonyme beizulegen pflegte, wissen wir aus noch verhandelten Manuskriptblättern, auf denen er sich Valerius Terminus und Hermes Stella nennt. Aber auch in seinen Schriften äußert sich Bacon über das Pseudonym. So heißt es in seinem »Fortschritt der Wissen schaft-: -Auch die Widmungen von Büchern und Schriften au Patrone sind nicht zu empfehlen; denn Bücher (solche, die des Namens Bücher würdig sind) sollten keine Patrone haben als Wahrheit und Vernunft; und der alte Brauch war, sie nur intimen und gleichalterigen Freunden zu widmen, oder die Bücher mit ihren Namen zu betiteln.» Also die besten Bücher, solche Bücher, die allein der Wahrheit und Vernunft dienen, die würdigsten Geistesprodukte soll man nicht Patronen, son dern Freunden widmen, oder sie mit den Namen von Freun den oder Gleichalterigen betiteln, d. h. fremde Namen lebender
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