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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.05.1901
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- Erscheinungsdatum
- 29.05.1901
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- Deutsch
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Börsenblatt s. d. deutschen Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 4357 (Lraeger.) Nun ist der Kumpf von selten der Einschrünker mit besonderer Heftig keit geführt worden, und es sind in ulten diesen Kämpfen Schlugwortc hineingüworfen worden, die heute noch wicdertönen. Wir Huben gehört, daß man die Ausdehner mit einem Ringe vergleicht, daß man sie sogar Mnsikagrarier genannt hat. Nun fühle ich mich dadurch nicht verletzt, ich wäre sogar nicht abgeneigt, der freundlichen Aufforderung des Herrn vr. Oertel darin eine Ehrenbezeugung zu erblicken, Folge zu geben (sehr gut! rechts), wenn ich mich nicht überzeugt hätte, daß dies von den Gegnern gegen »ns als Vorwurf gebraucht worden ist. Man will uns vorwcrfen auf diesem Gebiete, was man den Agrariern und Ning- bilduugen auf anderen Gebieten vorwirst. Ob mit Recht oder mit Un recht, lasse ich dahin gestellt; ich habe weder Neigung noch de» Beruf, das heute z» entscheide»; ich konstatiere nur die Thatsache. Man wirst also den Ringbildern und den Agrariern vor, daß sic Sondcrintcressen zuliebe die Allgemeinheit schädige», daß sic Gegenstände des notwendigen Gebrauches in der Preisbildung in der uugercchtsertigsten Weise verteuern. Nun, wo liegt denn hier das Analogon? Wollen wir die Musik verteuern? Nein! Hat denn jemand von den Agrariern, von den Ring- bildcrn verlangt, daß sie gewissen Kreisen der Bevölkerung ihre Pro duktion ganz umsonst liefern? Oder hat jemand von den Ritterguts besitzern verlangt, daß sie 30 Jahre nach ihrem Tode ihr Rittergut an die Allgemeinheit ausliefern sollen? Gewiß nicht. Also meine ich, man könnte unsere Gegner viel eher und mit größerem Recht als uns Musik agrarier, Musikkommuuisteu nennen (sehr gut!), weil sie das geistige Eigentum der Komponisten für die Kommune, für die Allgemeinheit be anspruchen. cSehr gut!) Ich will damit niemand verletzen, sondern mich nur auf den mirtschastlichen Standpunkt stelle», der nach der Meinung meines verehrten Freundes Richter der einzig richtige oder wenigstens der hauptsächlichste ist. Nun kenne ich aber auch einen wirt schaftlichen Standpunkt, den ich für vollkommen berechtigt erachte, nämlich den, daß man jedermann die Verwertung seines Produktes ermöglicht und ihn darin nicht unzulässigerweise beschränkt, und von diesem Stand punkte aus bin ich also für die Ausdehnung auch des Urheberrechtes. Worum handelt es sich denn hier? Es handelt sich hier um die Ausdehnung der Schutzfrist nach dem Tode der geistigen Urheber nicht etwa im allgemeinen, nicht in Bezug auf alle ihre Werke, sonder» ledig lich aus die dramatischen Werke und die zur öffentlichen Aufführung ge eigneten Tonwerke, und hier soll der Schutz nur verlängert werden für die öffentliche Aufführung dieser Produktionen, also für einen ganz be sonderen und beschränkten Teil des Urheberrechts, der mit den übrigen gar nichts zu thun hat. Es ist bei Beratung dieses Paragraphen immer nur vorwiegend von den Komponisten gesprochen worden; die Musiker sind nun einmal die Süudeuböckc dieser Vorlage. Nein, ebenso wichtig ist es bezüglich der dramatischen Autoren. Es ist gar nicht uninteressant, einmal die Geschichte der Beteiligung des Urhebers an den Erträgnissen von Aufführungen seiner Werke zu verfolgen. Da muß mau denn an erkennen, daß in dieser Beziehung Frankreich wirklich an der Spitze der Civilisation marschiert ist. Bereits im Jahre 1791 wurde in Frankreich ein Gesetz gegeben, welches den dramatischen Autoren, gleichgültig, ob ihre Werke gedruckt waren oder nicht, einen Teil der Erträgnisse sicherte. Deutschland hat sich lange besonnen. In Preußen wurde im Jahre 1837 ein Schutz gewährt für uugedrucktc dramatische Werke, der aber nicht sehr wirksam war, und 1841 entschloß sich der damalige Bundestag, dem löblichen Beispiele Preußens zu folge» und ein Gesetz zum Schutze der dramatischen Autoren zu erlassen. Dann waren es nun — und das ist sehr bezeichnend — zwei hochverdiente, noch heute im besten Ansehen stehende Theaterleiter, die Hoftheaterintcndanten Küstner in Berlin und Holbein in Wien, die übcrcinkamen, daß von jeder Vorstellung einen Teil des Ertrages, wie wir also sagen, eine Tantieme, der Autor erhalte. Dan» kam in Preußen das Schutzgesetz von 1654, das zum ersten Male eine Schutzfrist nach dem Tode gewährte, die aber nur 10 Jahre dauerte und davon abhing, daß der betreffende Autor aus dem Titelblatt seines Werkes sich und seinen Erben einen entsprechenden Vorbehalt gemacht hatte. Das wurde ausgedehnt im Jahre 1857 vom Bundestag, und nachher kam die Gesetzgebung von 1870. Sic muß also doch auch die Notwendigkeit anerkannt haben, diese zehnjährige Schutzfrist aus 30 Jahre zu verlängern. Nun hat uns die Regierung vorgeschlagen, und die Kom mission hat diesen Vorschlag accepticrt, diese Schutzfrist aus 50 Jahre auszudchnen. Warum? Die Gründe hat der Herr Staatssekretär Nicberding in einer ausgezeichneten Rede am 19. April d. I. so klar und erschöpfend dargclcgt, daß eigentlich außerordentlich wenig in dieser Beziehung zu sagen übrig bleibt. Allerdings haben auch internationale Rücksichten dabei eine gewisse Rolle gespielt. Wir sind von Nationen umgebe», welche fast alle längere Schutzfristen haben, die meisten die fünfzigjährige, und es ist bei dem lebhaften Austausch der Litteraturcn, der gegenwärtig herrscht, außerordentlich wünschenswert, ja notwendig, auch in dieser Beziehung eine allgemeine Gleichheit zu schaffen. Ein anderer Grund ist der, daß die gegenwärtige dreißigjährige Schutzfrist nicht lang genug ist. Ich würde kein Bedenken tragen, auch der achtzig jährigen spanische» Schutzfrist zuzustimmen, — ja, ich würde es für voll kommen gerechtfertigt und dem Begriffe des geistigen Eigentums ent sprechend halten, wenn überhaupt von einem derartigen Heimfallsrecht der Allgemeinheit keine Rede wäre. Dieses Heimsallsrrcht wird mit sehr Acktundlecki-ialter Ialirqang. schönen Worten, die aber im Grunde nichts weiter als hohle, klingende Phrasen sind, gerechtfertigt. Alle Beschränkungen, welche den Autoren in dieser Beziehung auscrlegt werden, werden im Namen der Allgemeinheit gefordert. Nu» haben wir ja gesehen, wie diese Allgemeinheit repräsen tiert wird, bald durch die Fabrikanten musikalischer Instrumente, bald durch Gesang- und Musikvereine und hier in unserem Falle durch besondere Personen, wie ich nachher ,a»scinnndcrzusetzcn mir erlauben werde. Man hat auch gesagt, es werden ja nur wenige Autoren sein, deren Erben davon Gebrauch machen können, weil die meisten derartigen Werke wie Eintagsfliegen nach kürzerer, meist nach sehr kurzer Dauer wieder vergehen. Das kann doch kein Grund sei», hier die Verlängerung der Schutzfrist abzulehnen. Ob das vielen oder wenige» zu gute kommt, das Prinzip muß doch gewahrt werden. Ich mache Sie daraus aufmerksam, daß es ja auch beim körperlichen Eigentum Gegenstände giebt, die ihren Wert und ihre Nutzung sehr bald verlieren. Wollen Sie etwa mit Rück sicht daraus auch eine besondere Gesetzgebung rechtfertigen? Was ist denn nun der Genuß der Erbe» der Autoren? Es ist ei» Ausfluß des Erbrechts, und alle Ausstellungen, die z. B. mein verehrter Freund Richter bei diesem Punkte gemacht hat, könnte man mit demselben Recht gegen das Erbrecht überhaupt machen. Wenn Sie nur denjenigen ein Erbrecht zugestehen wollen, die in der Notlage sind, das zu gebrauche», was der Erblasser hinterläßt, dann schaffen Sie doch einfach das Erbrecht ab und lassen in besonderen Fälle» Gnade walten! Das Erbrecht ist nur die Fortsetzung der Persönlichkeit des Erblassers, und diese vcrmögens- rechtliche Persönlichkeit des Erblassers soll sich beim geistigen Eigentum ebenso präsentieren wie beim körperlichen. Die Erfahrung lehrt — und ich könnte Ihnen viele Beispiele der Art anführen —, daß es auch wirk lich Witwe» und Waisen Ware», denen dieser Ertrag zu gute gekommen ist, und die es sehr wohl hätte» vertragen können, wenn er ihnen noch 20 Jahre länger zu gute gekommen wäre. Ich erinnere Sic an Lortzing. Ich glaube, mein verehrter Freund Richter hat nicht ganz korrekt citicrt. Lortzing ist 1851 gestorben. Obgleich seine Opern schon bei seinen Leb zeiten eine außerordentliche Beliebtheit und Popularität errangen, ging es ihm doch immer schlecht, aus dem einsachen Grunde, weil damals das geistige Eigentum, das Aufführungsrecht den Autoren gegenüber nicht in der heute üblichen Weise gewahrt wurde. 1851 ist er gestorben, 1871 kam das Gesetz, das auch seinen Erben Tantieme zubilligte, die schon nach zehnjährigem Genuß aufhörte. Meine Herren, aus Lortzings Grab steht die berühmte Grabschrift, die also lautet: Deutsch war sein Lied und deutsch sein Leid, Sein Leben Kampf mit Not und Neid. Unter dem deutschen Leid ist damals an den Zustand gedacht worden, der zu jener Zeit in Deutschland ziemlich allgemein war, daß man näm lich den Schmachtriemen für die Nationaltracht der geistig Produzieren den hielt, und daß cs gewissermaßen zur poetischen Verklärung gehörte, daß diejenigen, die geistig produzierten, von den irdischen Bedürfnissen so viel als möglich losgelöst waren. Zum Glück hat sich das heute geändert; der Schmachtriemen ist erweitert worden, und man sollte jedem Bestreben, ihn wieder enger zu schnallen, entgegentretcn. Nun ist von den Verfechtern der 50jährigcn Schutzfrist betont und auseinandergesetzt worden, daß vielfach erst nach dem Tode eine Ge schmacksrichtung komme, welche an de» betreffenden Werken sich ergötzt. Es sind in dieser Beziehung sehr viele Beispiele angeführt worden. Ich kann Ihnen noch einige anführc». Auf musikalischem Gebiete ist Ihnen Nicolai vorgeführt worden, der Komponist einer unserer populärsten Opern, der kurz nach der Aufführung starb. Meine Herren, denken Sic an eine Oper, die sich seit einigen Jahren die Welt erobert hat, und deren Reiz noch lange fortleben wird, das ist Bizets »Carmen«. Ja, meine Herren, als die Oper zum ersten Male aufgesührt wurde, fiel sie durch und erst lange Jahre nach dem Tode des Komponisten wurde sic wieder aufgesührt und geht heute im Triumphzug durch die ganze Welt. Denken Sic unter den Dramatikern an unseren Klassiker Kleist, der erst lange nach seinem Tode auf dem Theater zur Geltung kam; denken Sic an Grillparzer, von dem die meisten Werke spurlos vorübergingen, nament lich nicht aus Oesterreich nach Deutschland gelangten, und daß auf dem Theater sein heute vielleicht wirksamstes Drama, die -Jüdin von Toledo«, etwa erst 20 Jahre nach seinem Tode zum erste» Male aufgeführt worden ist. Meine Herren, das sind doch alles Zustände, die die Verlängerung der Schutzfrist, wenn auch nicht gerade notwendig in Ihren Augen er scheinen lassen, aber doch im höchsten Grade rechtfertige». Und wem kommt denn nun, meine Herren, die Beharrung bei dem gegenwärtigen Zustande zu gute? Der Allgemeinheit, heißt es! lim die Allgemeinheit als Erbin und Miteigentümerin des geistigen Eigentums zu rechtfertigen, braucht man ein wunderschönes Wort, man sagt nämlich: der schaffende Dichter, der schaffende Komponist erhält so viel Anregung aus seinem Volke heraus, daß er notwendig verpflichtet ist, seinen Teil dem Volke so bald als möglich wieder zurückzugeben. Meine Herren, befindet sich denn der dramatische Dichter, befindet sich denn der Kom ponist in einer andern Lage als jeder unter uns? Jeder Mensch, er mag eine Stellung und einen Beruf haben, wie er wolle, ist zum Teil ein Produkt der Bildung, die anfgcspeichcrt vor ihm liegt, ist ein Pro dukt der Zustände, die vor ihm andere geschaffen haben. Aber haben 569
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