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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.05.1901
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 29.05.1901
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- Deutsch
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Börsenblatt f. d. deutschen Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 4363 (Dr. Niebcrding.) würde. Der Fall ist juristisch unmöglich, weil eben nach der von Herrn Or, Spahn bereits erwähnten Neichsgerichtsjudikatur der verantwortliche Redakteur nur für den Inhalt des Artikels verantwortlich ist, nie aber wegen der Thatsache des Nachdrucks. Zweitens kommt aber in Betracht, daß selbst, wenn dieser nach meiner Meinung durchschlagende Punkt nicht vorläge, deshalb durch diesen An trag nichts erreicht wird, weil ein fliegender Gerichtsstand bei Nachdruck- fachen überhaupt nicht Vorkommen kann. Der Nachdruck gehört nicht zu den Ersolgsdelikten, die außer am Orte der That auch am Orte ihrer Wirkung verfolgt werden könnten. Die Beleidigung kann verfolgt werden »ach der Judikatur des Reichsgerichts an dem Orte, wo sic ausgesprochen wird, und dort, wo sie vernommen wird. Daher der fliegende Gerichts stand. Bei Nachdruck kann das nicht Vorkommen; dieser wird stets er schöpft in seinem Thatbcstandc an dem Orte, wo er begangen ist, nicht aber dort, wo die nachgcdrucktcn Sache» verbreitet werden. Deshalb ist dieser Vorschlag des Herrn Or. Müller (Sagau) innerlich gegenstandslos. Ich mochte bitten, diesen Antrag abzulehncn. Was den Antrag Albrecht und Genossen bekifft, so muß ich zu diesem Antrag fragen, weshalb denn bloß zu Gunsten des Redakteurs und Herausgebers der fliegende Gerichtsstand beseitigt werden soll. Be denken Sie doch, daß in dem Preßgcsctz der Herausgeber nur in Betracht kommt bei nicht periodischen Drucksachen und nur dann, wenn ein Ver leger und Verfasser nicht da ist; nur wo Verleger und Verfasser fehlen, haftet der Herausgeber primo looo. Würde der Antrag Albrecht angenommen, dann würde für den Herausgeber nicht periodischer Schriften der fliegende Gerichtsstand be seitigt werden; für den Verleger und Verfasser würde er bleiben. Das ist doch ein Rechtszustand, der ganz unmöglich ist, den die Herren selbst nicht wollen und wir auch nicht. Tann meine Herren, muten Sie durch diesen Antrag dem Hause zu, daß cs wcitergchende Bestimmungen auf diesem Gebiet treffen soll, als die Kommission für den Strafprozeß in ihrem Berichte selbst dem Hause vorgeschlagc» hat. Diese Kommission hat ja die Frage des fliegende» Gerichtsstandes eingehend erwogen und hat Vorschläge gemacht, wie die Abhilfe geschaffen werden kann, — aber, meine Herren, bei weitem nicht in dem Umfange, wie es hier ganz radikal von den Herren Abgeordneten auf der Linken vorgeschlagen wird. Sie werden doch kaum geneigt sein, in diesem Augenblicke gegen die Vorschläge Ihrer eigenen Kommission, ohne in der Lage gewesen zu sei», sie zu prüfen, einen Beschluß zu fassen. Die technische Unannehmbarkcit dieser Bestimmungen geht auch daraus hervor, daß, wen» der Antrag angenommen wird, alle Prcßcrzcugnisse, die ans dem Auslände zu uns hcrüberkommen, straffrei sind. Es besteht für sic nach dem Vorschlag des Antrags überhaupt kein Gerichtsstand. Es braucht also jemand nur bei uns sich an der Grenze zu etablieren, sein Blatt jenseits der Grenze erscheinen zu lassen, und cs zu uns ins Land zu bringen, dann ist alles, was in dem Blatte steht, straffrei, weil kein Gerichtsstand dasür vorhanden ist. Das hat niemals im Laufe der Verhandlungen über den fliegenden Gerichtsstand irgend eine Partei, ich glaube auch nicht die äußerste Linke, gewollt. Auch deshalb ist dieser Antrag nicht annehmbar. Nun, meine Herren, erlauben Sie mir noch eine Bemerkung über die politische Seite der Sache. Der Herr Abgeordnete Or. Müller (Sagan) hat vorhin bemerkt, daß es doch auch für die Reichs-Justizverwaltung angenehm sein müßte, nicht den Anschein zu erwecken, als ob sie bemüht sei, den fliegenden Gerichtsstand im gegenwärtigen Umfang unbedingt aufrecht zu erhalten. Ich kann ihm in diesem Punkte nur zustimme». Verschiedene Kommissionen, die im Laufe der Jahre gesessen haben, seit dem ich die Ehre habe, das Reichs-Justizamt zu leiten, sind Zeuge ge wesen, daß ich mich mit den Herren zusammen immer wieder bemüht habe, einen Weg zu finden, um den fliegenden Gerichtsstand einzu schränken. In der Beziehung kann ich also den Herrn Abgeordneten vr Müller nur beruhigen. Ich erkenne die Mängel des jetzigen Rechts zustandes durchaus an und halte cs für richtig — das habe ich schon in der zweiten Lesung erklärt —, daß ihnen abgeholfen werde. Ich habe damals auch die weitere Erklärung abgegeben, daß wir uns, seitdem wir »ns überzeugen mußten, daß im Nahmen der Stras- prozcßordnung diese Frage zu einer baldigen Lösung nicht kommen werde, unabhängig davon bemühen, einen Weg zu finden, um die obwaltenden Uebelstände aus dem Wege zu schaffen. Wir sind — auch das habe ich bereits erklärt — mit den Bundesregierungen über die Frage in Ver bindung getreten, und der bisherige Verlaus dieser Verhandlungen be rechtigt mich zu der Hoffnung, daß wir in nicht zu langer Zeit mit einem Vorschläge an den Reichstag werden hcrantretc» können, der den Zweck hat, de» obwaltenden Uebelstände» entgegcnzuwirken. Ich glaube, damit werden sowohl die Reichsverwaltung wie die verbündeten Regierungen den Beweis liefern, daß es in ihrem Wunsche liegt, in dieser Frage dem Verlangen des Reichstags entgegenzukommen. Ich möchte Sie daher dringend bitten, diese wohlwollende Stimmung gegenüber der Auffassung des Reichstags nicht dadurch zu beirren, daß Sie nun i» der Weise, wie es der Antrag Albrecht vorschlägt, gegen die verbündeten Regierungen Vorgehen. Auf dem Wege werden Sie nichts erreiche», Sie werden nur die Möglichkeit gefährden, in nicht zu langer Frist aus dem Wege der Initiative der verbündeten Regierungen zur Er ledigung der Frage zu kommen. So aber, wie es in diesen beiden An trägen vorgeschlagcn ist, werden Sie zu Ihrem Ziele nicht kommen. Die Erklärung, die ich zu meinem Bedauern genötigt war, bereits bei der zweiten Lesung der Vorlage abzugeben, daß die Verbündeten Regierungen auf eine Erledigung der Sache im Rahme» dieses Gesetzes nicht eingehcn werden, muß ich heute wiederholen, und zwar auf Grund weiterer In formationen, die ich bei den hohen Regierungen eingezogen habe. Ich darf darüber keine» Zweifel lassen, daß die verbündeten Regierungen, wenn eine derartige Bestimmung in den Entwurf ausgenommen würde, vorzichen würden, die ganze gegenwärtige Vorlage zunächst ans sich be ruhen zu lassen, bis zu einer anderweitigen günstigeren Gelegenheit. (Hört! hört! rechts.) Ich möchte Sie bitten, doch das Werk, das wir nun gemeinsam zu stände gebracht haben, nicht im letzten Augenblick wieder zu vernichten, nachdem ich Ihnen die Erklärung abgegeben habe, daß in der Frage des fliegenden Gerichtsstandes auch von seiten der verbündeten Negierungen voraussichtlich entgegeugckommen werden wird. Mehr können Sie doch in diesem Augenblick von seiten der verbündeten Regierungen nicht er warten. (Bravo! rechts.) Heine, Abgeordneter: Meine Herren, den Bedenken der beiden Herren Vorredner, sowohl des Herrn Abgeordneten Or. Spahn als des Herrn Staatssekretärs Or. Nieberding, kann ich, was ihre juristischen Aus führungen betrifft, durchaus nicht bcitrctcn. Der Antrag des Herrn Abgeordneten Or. Müller (Sagan) ist, wenn man unseren weitcrgehcnden nicht annimmt, durchaus noch nichts Ucber- flüssiges, sonder» bedeutet immerhin einen Fortschritt. Die Auffassung, daß die Delikte gegen dieses Gesetz, die Nachdrucksdclikte überhaupt nie sür den fliegenden Gerichtsstand in Frage kommen könnten, ist nach meiner Meinung nicht zutreffend. Die beiden Herren Vorredner haben gesagt, der Nachdruck könne nur verfolgt werden, wo er begangen sei. Das ist richtig; aber das Reichsgericht hat den berühmten Entscheidungen, in denen es den fliegenden Gerichtsstand konstituiert hat, auch die These voraugeschickt, jedes Delikt könne nur da verfolgt werden, wo es be gangen sei. Das ist eben die Frage, wo ein Delikt begangen wird, wo es anfängt begangen zu werden und wo es endet begangen zu werde». Das Reichsgericht hat sich der Theorie angeschlossen, daß ein Delikt zwar schon begangen werde mit dem ersten Ausübungsakt, aber immer noch weiter begangen werde mit jeder weiteren Fortsetzung dieser Hand lungen, und speziell bei durch Verbreitung von Druckschriften begangenen strafbaren Handlungen nimmt das Reichsgericht au, daß, solange über haupt noch und wo immer eines der gegen das Gesetz verstoßenden Bücher und Exemplare verbreitet werde, daß da immer noch das Delikt fortlebc. Diese Theorie, wenn sie einmal angenommen wird, muß auch auf das Delikt der Herstellung und Verbreitung von Nachdrucksschristwerken An wendung finden wie auf jede andere strafbare Handlung. Wenn der fliegende Gerichtsstand bisher noch nicht in dieser Weise verwendet worden ist, so sichert das durchaus nicht dagegen, daß er nicht doch einmal in der Weise verwendet werden kann. Die Entscheidung des Reichsgerichts, die der Herr Abgeordnete vr. Spahn zitiert hat, stammt aus dem Jahre 1890. Ja, damals mar der fliegende Gerichtsstand auch noch nicht ge boren. Er hat, wenn ich nicht irre, erst 1891 in seiner vollen Schönheit das Licht der Welt erblickt. Faktisch ist erst durch das bekannte Urteil wegen Caprivi-Belcidigung, durch welches eine bayerische Strafsache nach Berlin gezogen wurde, der fliegende Gerichtsstand Gemeingut geworden. Au Versuchen, ihn einzusühren, hat es vorher nicht gefehlt, aber immer haben die Gerichte diese Versuche abgeschlagen, weil sie sich noch der feier lichen Erklärung erinnerten, die bei Beratung der Rcichs-Justizgesetzc im Reichstag von Abgeordneten der verschiedensten Parteien und von den Regicrungsvertretcrn abgegeben worden waren, und »ach denen kein Zweifel darüber bestehen konnte, daß der fliegende Gerichtsstand der Presse ungesetzlich ist und gegen die Absicht der Gesetzgeber bei Erlaß der Reichs- Justizgesctze verstößt. Erst seitdem das Reichsgericht sich auf diesen neuen Bode» gestellt hat, ist der fliegende Gerichtsstand in die Praxis einge- zogcn. Nun sind ja erfreulicherweise alle der Meinung, daß er ei» Uebel ist »ud beseitigt werden muß. Der Herr Abgeordnete Or. Spahn hat selbst einen Fall angesührt, wo eine Sache künstlich nach Berlin gezogen werden sollte, um dort mildere Richter zu finden, die, wenn ich recht ver standen habe, im Punkte der Sittlichkeit cs nicht so genau nähmen. (Widerspruch aus der Mitte.) Da ist es nun ganz amüsant, daß ich dem Herrn Abgeordneten vr. Spahn einen anderen Fall entgcgcnhalten kann: der Bischof von Königgrätz hat die -Frankfurter Kleine Presse» angeklagt in Mainz, also einem Orte, wo weder er wohnt, »och wo die Frankfurter Kleine Presse« erscheint, son dern den er sich, ich weiß nicht, aus welchen Gründen, beliebig ausgesucht hat. So wie einmal die jetzige Rechtsprechung liegt, ist cs gar nicht zu verwundern, daß der Herr das gctha» hat. Ich wünschte bloß, daß er die beherzigenswerten Worte des Herrn Or. Spahn hören möge und cinsche, wie sehr er damit gegen den Geist unserer Strafprozcßordnnng verstoßen hat. Alle sind, wie gesagt, einig, daß der fliegende Gerichtsstand weg muß. Aus dem Juristentage haben Olshausen und Hamm erklärt: er muß weg, aber die Rechtsprechung ist nicht im stände, ihn zu beseitigen. Ich be greife das nicht. Es ist ja früher in der Rechtsprechung ohne den fliegen- 570'
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