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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.05.1901
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- 29.05.1901
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- Deutsch
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4362 Nichtamtlicher Teil. ^ 122, 29. Mai 1961 (Fischer (Berlin).) hineingekommen sind, die der Sache nach in die Gewerbeordnung gehören, so wäre es auch kein Unglück, wenn inan bei der Gelegenheit einen Uebcl- stand beseitigte, der allgemein als unerträglich empfunden wird, und von dem sogar die Regierung selbst erklärt hat, sie ginge mit dem Gedanken um, dem Hause einen Abänderungsantrag zu unterbreiten, wobei sie sich aber in keiner Weise gebunden hielt in Bezug auf die Zeit, ob schon in baldiger Nähe oder erst i» weiter Ferne diese Materie geregelt werden soll. Für die Aufrcchterhaltung des fliegenden Gerichtsstandes können nur politische Gründe angeführt werden, nämlich, daß es ein Mittel ist, die oppositionelle Presse in höherem Grade zu belästigen und zu schuhricgcln, als cs sonst möglich wäre. Der Reichstag hat sich in seiner großen Majorität gegen den fliegenden Gerichtsstand erklärt, der deutsche Juristcntag mit Einstimmigkeit, die bedeutenden Juristen haben sich alle gegen ihn erklärt, und sogar die verbündeten Regierungen sind nicht in der Lage, denselben aufrecht zu erhalten mit anderen Gründen, als daß damit die oppositionelle Presse besser, als bei loyaler Auslegung des Prcßgesetzcs möglich wäre, belästigt werden könnte. Aber dieser Gesichts punkt kann den Reichstag nicht bestimme». Ich meine, gerade im Interesse der politischen Moral müßte mau für die Beseitigung des fliegenden Gerichtsstandes cintreten, weil dadurch schon das fundamentale Recht verletzt wird, daß niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden solle. (Sehr gut! links.) Der fliegende Gerichtsstand ist deshalb so beliebt, weil dabei alle die Vergehen, die in Süddcutschland dein Schwurgericht überwiesen werden müssen, durch die einfache Verfügung eines strebsamen Staatsanwalts dem Gericht überwiesen werden können, von dem der betreffende Beamte annimmt, daß es in einem Sinne entscheidet, wie cs der jeweiligen An sicht der Regierung entspricht. Der Prozeß gegen den Redakteur der Metallarbeitcrzeitung Schcrm in Nürnberg ist ausdrücklich deswegen in Zwickau verhandelt worden, weil, wenn man in Nürnberg die Anklage erhoben hätte, mau hätte befürchten müssen, daß es zu keiner Ver urteilung gekommen wäre. Im Prozeß gegen den Verleger Ernst in München ist Chemnitz ans demselben Grunde gewählt worden. In München hätte das Gericht vielleicht die Anklage erhoben, aber die Ge schworenen hätten freigesprochcn; in Sachsen aber war man sicher, daß die Richter verurteilen würden. Angesichts aller dieser Dinge, die ich angeführt habe, und des all gemein anerkannten öffentlichen Notstandes möchte ich das HauS er suche», trotz der Resolution Büsing für unseren Antrag zu stimmen. (Beifall links.) vr. Müller (Sagan), Abgeordneter: Meine Herren, auch ich kann Sie nur bitten, dem Anträge, welchen der Herr Vorredner befür wortet hat, Ihre Zustimmung zu erteilen. Mein Freund Friedrich Hauß- man» (Böblingen) hat ja schon in der zweiten Lesung die Gründe ge nügend klargclcgt, welche auch unseres Erachtens mit zwingender Not wendigkeit darauf Hinweisen, den groben Unfug des fliegenden Gerichtsstandes der Presse ganz zu beseitige». Meinen Antrag habe ich heute nur cingcbracht, weil meinem Freunde Haußinan» eutgcgcn- gchalten worden, daß eine gänzliche Beseitigung des fliegende» Gerichtsstandes der Presse, wie sie sein Antrag mit Recht anstrebte, nicht platzgreifen könne innerhalb des Rahmens dieses Gesetzes. Um diesem Einwaud jeden Boden zu nehme», habe ich in meinem Antrag den Ge richtsstand festgelegt nur für die in diesem Gesetz mit Strafen be drohten Handlungen. Nun weiß ich ja sehr wohl, daß die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der Litteratur und der Tonkunst, nur in sehr beschränktem Umsange Gelegen heit bieten, mit dem fliegenden Gerichtsstand Unfug zu treiben. Die Möglichkeit dazu ist aber doch im tz 40 dieses Gesetzes gegeben. Diese eine Thatsache müßte eigentlich schon zu grinsten meines Antrags ent scheiden. Dieses hohe Haus wird doch nicht dazu beitragen wollen, daß der grobe Unfug des fliegenden Gerichtsstandes auch noch zugelasscn werde für neue Bestimmungen, die in diesem Gesetze erst geschaffen werden sollen. Schon um reichsgesctzlich sestznlegcn, daß die Volksvertretung, daß der Deutsche Reichstag den fliegenden Gerichtsstand der Presse durch weg verabscheut, möchte ich Sic bitten, für den Fall, daß Sic den Antrag Albrecht und Genossen ablehnen, doch wenigstens meinem Antrag zu- znstimmcn, der den Einwaud ausränmt, daß die Frage des fliegenden Gerichtsstandes nicht in diesem Gesetz berührt werden dürfe. Ich habe die Worte »in diesem Gesetze- dem Anträge meines Freundes Haußmann- Böblingen cingefügt, um der Annahme dieses Antrags die letzte Hemme aus dem Wege zu schaffen. Nachdem dies geschehen, müßten doch ehr licherweise diejenigen Nationalliberalen, welche lediglich aus dem schönen Grunde, daß eine allgemeine Beseitigung des fliegenden Gerichtsstandes nicht in der Urheberrcchtsgesctzgcbung platzgrcifcn dürfe, sich gegen den Antrag Haußmann sträubten, nun für meinen Antrag stimmen. (Sehr gut! links.) Daß aus tz 40 thatsächlich jdie Möglichkeit herzulciteu ist, eine Bestrafung unter Anwendung des fliegenden Gerichtsstandes herbei zuführen, läßt sich z. B. an den Vorgängen erkennen, die sich bei der Veröffentlichung des Tagebuchs des frühere» Kronprinzen Friedrich Wilhelm durch Professor vr. Geffcken abgespielt haben. In diesem Falle hätte meines Erachtens ein findiger Staatsanwalt aus Z 40 dieses Ge setzes unter Anwendung des fliegenden Gerichtsstandes eine Bestrafung hcrbeisührcn können. (Zuruf.) — Ich bin nicht Jurist; ich maße mir hier ja auch kein Urteil an; ich spreche nur meine Zweifel aus; aber ich meine doch, selbst wenn meine Zweifel grundlos wären, müßte der Reichs-Justizverwaltung daran liege», jeden Anschein zu meiden, als strebe sie danach, durch Widerspruch gegen die Anträge Haußmann und Albrecht den fliegenden Gerichtsstand zu festigen. Reichsrcgiernng und Volksvertretung haben doch gemeinsam das leb hafteste Interesse daran, daß unsere Rechtsprechung unberührt bleibe von jedweder Einwirkung der politischen und konfessionellen, lokale» und so zialen Parteilichkeit. Wen» nnter Anwendung des fliegenden Gerichts standes der Peffe bestimmte Strafkammern wicderholenttich mit Erfolg in Anspruch genommen werden sollte», um Angehörige oppositioneller poli tischer Parteien zu schikanieren, so müßte ja doch natürlich die jetzt schon in einzelnen Provinzen vorhandene Auffassung weiter um sich greisen, daß bestimmte Strafkammern unter ihresgleichen eine ähnliche Fehlrolle spielen, wie früher gewisse Gymnasien, die als rvt'uAia stultorum galten; das heißt: gewisse Strafrichter würden hernach als Blutrichter in Verdacht kommen, daß sie auf höhere Weisung hin dafür zu haben seien, oppositionellen Agitatoren gegenüber das Recht zu beugen. Vor solchem Verdacht wollen wir unsere Rechtsprechung bewahren; deshalb treten wir überall dagegen auf, daß solche Mißstände bestehen bleiben, wie nach all seifiger Anerkenntnis der fliegende Gerichtsstand der Presse einer der ärgste» und schlimmsten ist — auch hier weil wir meinen, daß cs für die Neichsgewalt niemals und nirgends gleichgültig sein kann, wenn — sei es auch nur bei einem winzigen Anlasse — der Anschein erweckt wird, als biete sich neue Gelegenheit für Parteilichkeit in der Rechtsprechung. Ich sollte meinen, wir wären über diesen Anschein schon leider hier und da weit hinausgekommen; die Praxis der Justiz ist vielfach derart ge diehen, daß Abhilfe dringend nötig ist. (Sehr wahr! links.) In dieser späten Stunde will ich das Haus nicht noch durch umfängliche Ausführungen ermüden, sonder» nur nochmals dringend bitten, zunächst für den Antrag Albrecht und Genossen und, wenn dieser abgelehnt werde» sollte, für meinen Antrag zu stimmen. (Bravo!) vr. Spahn, Abgeordneter: Ich möchte bitten, beide Anträge abzulehnen, den Antrag Albrecht aus den schon bei der zweiten Lesung ausgcführtcn Gründe», insbesondere weil die Materie, welche dieser An trag regeln will, in die Strafprozcßordnung gehört, und nicht in dieses Gesetz, den Antrag Müller aus solgendem Grunde. Der Antrag geht von der Voraussetzung aus, der fliegende Gerichtsstand finde auch An wendung auf den Nachdruck; das ist ein Irrtum, das Preßgesetz hat den fliegenden Gerichtsstand nur für den Inhalt der Druckschrift. Der Nach druck ist nicht Inhalt der Druckschrift. Das Reichsgericht hat in einer Entscheidung, die mitgeteilt ist in Goltdammers Archiv Band 38, vom 17. November 1890, sestgestellt, daß der Nachdruck nicht unter die Be stimmungen des Preßgesetzes falle. Deshalb würden wir durch Annahme dieser Bestimmung dem Gesetz einen Inhalt geben, der praktisch keinen Wert hat. Dabei möchte ich aber den Wunsch aussprechen, daß eine Regelung des fliegenden Gerichtsstandes doch stattfinde. (Sehr gut!) Zufällig ist mir heule folgende Thatsache mitgeteilt worden. Während der Beratungen über die ksx Hcinze hat ein rheinischer Redakteur in seiner Zeitung Be merkungen gemacht gegen einen Leipziger Verleger, der Schriften oder Abbildungen hcrumgcscndct mit einem Inhalt, der unter die lex Heinzc fallen konnte. Da hat der Leipziger Verleger Klage erhoben gegen den im Rheinland wohnenden Redakteur, aber nicht am Rhein oder in Leipzig, sondern in Berlin, und zwar mit der Motivierung, das Sittlichkcitsgefühl in Berlin wäre ein anderes als im Rheinland (hört, hört!); er habe deshalb den Wunsch, daß die Sache an einem Berliner Gericht zum Austrag gebracht werde. Er nahm wohl an, daß die Richter in Berlin den Begriff des Unsittlichen mit weiterem Gewissen auffaßtcn als die Richter am Rhein. (Hört! hört!) Meine Herren, diese Art und Weise der Auswahl der Gerichte mit Rücksichten auf die Rechtsprechung hatte ein außerordentlich bedenkliches Anzeichen gegen den fliegenden Gerichts stand. (Sehr richtig!) vr. Nicbcrding, Wirklicher Geheimer Rat, Staatssekretär des Ncichs-Jnstizamts, Bevollmächtigter zum Bundesrat: Meine Herren, ich möchte mir zunächst einige sachliche Bemerkungen zu den beiden Anträgen gestatten, weil ich glaube, daß schon ans diesen sachlichen Gründen die Annahme der Anträge seitens des Hauses nicht erfolgen kann. Ich werde dann auch noch zum Schluß auf die politische Seite der Sache eingehen. Was den Antrag vr. Müller (Sagau) betrifft, so kann ich de» ju ristischen Ausführungen meines geehrten Herrn Vorredners nur beipflichten. Der Antrag erreicht nicht das, was der Herr Abgeordnete dadurch er reichen will. Würde der Antrag angenommen, so wäre das ein Schlag ins Wasser; der Rechtszusland gegenüber der Presse würde derselbe bleiben, wie er bisher gewesen ist, und zwar aus folgenden zwei Grün den. Erstens, weil die Nachdrnckvcrgchen keine Sachen sind, deretwegen der verantwortliche Redakteur eines Blattes, der lediglich für den Inhalt der Artikel haftet, verfolgt werde» kann. Der Antrag will den Redakteur in dem Falle von dem fliegenden Gerichtsstände befreien, daß derselbe wegen eines nachgcdrucktcn Artikels ans Grund dieses Gesetzes erfolgen
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