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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.11.1902
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- Erscheinungsdatum
- 01.11.1902
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- Deutsch
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8868 Nichtamtlicher Teil. 254, 1. November 1902. und der Preis sehr mäßig. So weit märe die Sache also ganz einwandfrei. Aber schon bei flüchtigem Durchblättern wurde mir eine unangenehme Ueberraschung zu teil: der Text der spannenden Novelle war durch Geschäftsinserate unterbrochen, die halbe und ganze Seiten ausfüllten. Vielleicht ist das amerikanische Sitte — wünschenswert wäre es nicht, daß sie sich bei uns einbürgern würde. Ein industriöser Verleger bringt uns dann vielleicht den Faust mit Inseraten, z. B. bei »Nachbarin, Euer Fläschchen« die Anzeige einer Firma, das einzig echte Lau äs 6oIo§ns anpreisend, und wenn Mephistopheles sagt: »Da miß dem Junker Kleider und miß ihm Hosen an!«, so folgt die Anzeige einer Kleiderfirma mit Preiskurant. Hier wendet sich der Gast mit Grausen. 4- 4- 4- Zur selben abendlichen Stunde, in der die geputzte und schaulustige Menge die Theater der Großstadt aufsucht, um sich an den ernsten und heitern Spielen der Phantasie zu ergötzen, zur selben Zeit, in der in rauchigen, bierdunst erfüllten Prachtlokalen den Sternen der Variötös, den Feuer fressern und Schlangenbeschwörern, Gliederverrenkern, Jong leuren, Diseusen und japanischen Tanzkünstlerinnen zugejubelt wird, öffnen sich die großen Säle einiger gastfreundlichen Gymnasien und Bürgerschulen, um ein paar hundert Per sonen einzulassen, die nach zehn- und mehrstündiger Arbeits zeit ihre körperliche und geistige Müdigkeit überwinden, um ihren Bildungsdurst zu stillen und sich neue Wissensgebiete zu erobern. Es wäre geschmacklos, eine Stadt auf Kosten der übrigen deutschen Städte herauszustreichen; aber es darf wohl gesagt werden, daß auf dem Gebiet der Volksbildung Wien einen allerersten Rang einnimmt. Sozial denkende Männer, zumeist jüngere Dozenten, wetteifern in der Grün dung, uneigennützigen Führung und Ausgestaltung von Ver einen, deren Ziel es ist, ganzen Schichten der Bevölkerung die Möglichkeit einer Erweiterung ihres Bildungsbesitzes zu bieten. Dem seit vielen Jahren höchst segensreich wirken den Wiener Volksbildungsverein, dessen Domäne die Volks bibliotheken mit ihren äußerst niedrigen Leihgebühren sind, haben sich die volkstümlichen Universitätskurse, die im Auf trag der Wiener Universität von Professoren, Dozenten und Assistenten gehalten werden, angereiht. Die einzelnen Kurse umfassen die mannigfachsten Gebiete: die exakten Wissenschaften, wie Physik, Chemie, ferner populäre Medizin, besonders Hygiene, Rechtskunde für das tägliche Leben, Geschichte, Musiklehre, Litteraturgeschichte, Philosophie rc. Sechs Abende, für die insgesamt das Honorar eine Krone beträgt, bilden einen Kurs. An den Vortrag schließt sich häufig die Beantwortung münd licher oder schriftlicher Anfragen aus dem Hörerkreise oder eine Diskussion, die in gleichem Maße wie die nahezu an dächtige und gespannte Aufmerksamkeit während des Vortrags Zeugnis ablegt für den schönen Ernst und das aufrichtige Streben des Auditoriums. Als jüngstes — nicht geringstes — Glied dieser Organi sation schloß sich vor etwa Jahresfrist der Verein »Volks- Heim« an, dessen hochgestecktes Ziel: die Gründung einer Volks hochschule, an amerikanische Vorbilder erinnert. Leider fehlen hier die opferwilligen amerikanischen Milliardäre, die Car negies, Goulds u. a., denen es Vergnügen macht, Millionen für Volksbildungszwecke zu spenden. Dennoch konnte der Verein — im April 1902 — einen erfreulichen Rechenschafts bericht über das erste Jahr seines Bestehens ablegen. Er konnte darauf Hinweisen, daß bald nach Gründung sich über 1100 Mitglieder einfanden, daß ein regelmäßiger, systemati scher Unterricht in den verschiedensten Wissenschaften — von der Elementarstufe bis zur höchsten seminaristischen Aus bildung — in siebzig Kursen gehalten wurde, und daß es trotz bescheidener Mittel gelang, nicht blos ein physikalisches und chemisches Laboratorium, sondern auch ein solches für experimentelle Psychologie einzurichten. Jeder Kurs steht jedem Mitgliede unentgeltlich offen. Der Jahres beitrag ist fünf Kronen, für die Gewerkschaftsmitglieder drei Kronen. Ungemein stark ist der Zudrang zu den Sprachen. So wird der lateinische Kurs, der seine Teilnehmer bis zur Lektüre von Tacitus' Germania führt, von Leuten besucht, die längst im praktischen Leben stehen und sich nachträglich die Kenntnis der klassischen Sprache aneignen. Ganz be sonders beliebt ist auch Englisch, Mathematik und — ach! Philosophie. Wer die Klagen mit angehört hat, die erhoben wurden, als bei der Einschreibung in den neuen Oktoberkurs des Englischen die Hälfte der sich meldenden Lernlustigen aus räumlichen Gründen abgewiesen werden mußte, wird einen hohen Begriff von dem Vorwärts- und Aufwärts- strcben der untern Schichten erhalten haben. Eine, aller dings vorläufig nur an Ort und Stelle zu benutzende Bibliothek umfaßt gegenwärtig über 1000 Bände, die zum größern Teil aus Spenden, zum kleinern Teil aus Ankäufen herrühren. Seit der am 7. Juli vorigen Jahres erfolgten Eröffnung der Bibliothek wurden bis 31. März 1902, ab gesehen von der zahlreichen Inanspruchnahme der Hand bibliothek, 1226 Werke benutzt, wovon nur 206 den belle tristischen und Reisewerken, dagegen 260 den Naturwissen schaften und 760 den Geisteswissenschaften angehörten. Kein Zweifel, daß bei denen, die eine solche Bibliothek benutzen, die Freude am Buch und am Büchersammeln erweckt wird und daß daher diese Bibliotheken auch für den Buchhandel reiche Frucht tragen. ^ck voosin Volksbildung. Wie steht es mit der Lehr lingsschule des Wiener Buchhandels, für die vor einigen Jahren eine lebhafte Propaganda entfacht wurde? Da schweigt des Sängers Höflichkeit. Wien, Oktober 1902. Friedrich Schiller. Kleine Mitteilungen. Schulstatistisches aus Preußen. — Bei der schulstatisti schen Erhebung vom 27. Juni 1901 hat das Königliche Statistische Bureau im preußischen Staat 460 öffentliche mittlere Schulen (Mittelschulen u. dergl.) für Knaben oder Mädchen oder beide Geschlechter mit 3965 vollbeschäftigten Lehrkräften (3059 Lehrern, 906 Lehrerinnen), 371 Hilsslehrkcäften mit Lehramtsbefähigung (313 Lehrer, 58 Lehrerinnen) und 353 technischen Hilfslehrkräften (131 Lehrer, 222 Lehrerinnen) ermittelt. In diesen Schulen wurden im ganzen 73 517 Knaben und 61016 Mädchen, zusammen 134 533 Kinder unterrichtet (1896 97 230, 1891 86 535). Der Schülerbestand setzte sich aus 117 611 evangelischen, 13 338 katholischen, 394 sonst christlichen und 3190 jüdischen Kindern zusammen. Aus Rußland. — Wie kürzlich aus St. Petersburg ge meldet worden ist, übersiedelt der russische Schriftsteller Maxim Gorki nach Nischnei - Nowgorod, um dort am öffentlichen Leben als Mitglied der Stadtvertretung und der Landschaft teilzunehmen. Zu dieser Meldung bemerkt ergänzend die Neue Freie Presse: Die knappe Meldung birgt in sich den vorläufigen Abschluß der seiner Zeit vielbesprochenen Maßregelung Gorkis, die die Ver bannung des Dichters nach Arsamas zur Folge hatte. Bekanntlich hat Gorki den Protest unterzeichnet, den die russischen Schriftsteller im Vorjahr gegen das Vorgehen der Polizei bei der Unterdrückung der Studenten-Unruhen vor der Kasankirche erhoben haben. Gorki wurde damals in Untersuchung gezogen und nach Nischnei- Nowgorod unter Polizei-Aufsicht verbannt. Infolge seiner ernst lichen Erkrankung wurde ihm gestattet, nach der Krim zu gehen, um sich dort einer Kur zu unterziehen. Inzwischen hatte die St. Petersburger Akademie der Wissenschaften, die Gorki zum Akademiker gewählt hatte, dem Druck nachgegeben und die Wahl Gorkis annulliert. Die Annullierung wurde damit begründet, daß Gorki, weil in Untersuchungshaft stehend, nicht zum Akademiker gewählt werden konnte. Unter den russischen Schriftstellern hatte diese Maßregelung Gorkis große Aufregung hervorgerufen. Der hervorragende russische Novellist Wladimir Korolenko wies die auf ihn gefallene Wahl zum Akademiker zurück und unterzog in einem Schreiben an die Akademie das Vor gehen dieser gelehrten Körperschaft einer schonungslosen Kritik.
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