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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.04.1902
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- Erscheinungsdatum
- 25.04.1902
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- Deutsch
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^ 94, 25. April 1902. Nichtamtlicher Teil. 3441 geschwebt hätte. Anderseits sprachen für den zweiten Satz sehr wesentliche Gesichtspunkte. Der Beleidigte hat vielfach ein un mittelbares und starkes Interesse daran, daß seine Rehabilitierung am Wohnorte erfolgt. Auch der Juristentag hat sich vor zwei Jahren für diese Lösung ausgesprochen. Sollte der zweite Satz abgelehnt werden, so wird vielleicht die Mehrheit meiner Fraktion für das Gesetz nicht zu haben sein. Im großen und ganzen bietet der Entwurf das, was recht und billig ist, und auch die Presse kann ihn im allgemeinen so annehmen, wie er ist. Das Gute würde auch in diesem Falle der Feind des Besseren sein, zumal da cs zweifelhaft ist, ob dies wirklich das Bessere ist. Wenn aber gesagt ist, die Presse wolle cs lieber beim alten lassen, so ist dieser Wunsch entweder eine Thorheit oder eine Renommisterei; denn unzweifelhaft bringt dieser Entwurf eine Besserung; sie hätte fortan nur ein oder höchstens zwei Gerichtsstände. Viel leicht findet sich bei der Revision des Gerichtsverfassungsgesetzes eine bessere Fassung; vorläufig können wir uns bescheiden. Abgeordneter Heine (Soz.): Der Staatssekretär hat uns zu verstehen gegeben, daß die Regierung diesem Entwürfe mit dem Gefühl der größten Gleichgiltigkeit gegenübcrstehe. Ich stimme ihm darin bei. Wird der Entwurf abgelehnt, um so besser. Ich nehme für mich auch nicht den kleinsten Teil der Vaterschaft in Anspruch. Welche Gefahr in diesem Entwürfe liegt, das zu sehen, ist für den Nichtjuristen sehr schwer. Die liebelstände, welche durch den fliegenden Gerichtsstand hervorgerufen werden, sind allerdings sehr groß. Ich erinnere nur an den Verfasser der antijesuitischen Flugschrift, Graßmann in Stettin. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts über den fliegenden Gerichtsstand ist einfach gesetz widrig. Sowohl die Mitglieder des Reichstages, wie die Ver treter der Regierungen haben seiner Zeit es für ausgeschlossen gehalten, daß der Redakteur u. s. w. wo anders verfolgt werden könnne als am Erscheinungsorte des Blattes. Was heute geschieht, ist ein Mißbrauch. Nehmen wir aber das an, was die Regierung jetzt vorschlägt, so wird dieser Mißbrauch legalisiert für Privatklagen und andere wichtige Fälle. Das wäre um so be denklicher, als die Hochflut des fliegenden Gerichtsstandes vorüber ist. Wir befinden uns in einer gesunden Entwickelung, und es ist nicht ausgeschlossen, daß auch das Reichsgericht seinen Standpunkt ändert. Die Judikatur geht jetzt so weit, das Prcßdelikt noch als fortdauernd zu betrachten, so lange ein Exemplar des Preß- erzeugnisses verbreitet wird. Man hat auf diese Weise auch den Mißbrauch des «iolus svovtualie in die Praxis eingeführt. Bei der Presse ist dieser Mißbrauch nur augenfälliger, weil er als eine Chikanierung empfunden wird. Die Sache hat sich noch verschlim mert insofern, als durch das Oberlandesgericht in Dresden und das Reichsgericht die Verjährung in Preßsachen vollkommen auf gehoben ist, so lange noch irgendwo mit Wissen und Willen des Verlegers ein Preßerzeugnis vorhanden ist, z. B. in einer Bibliothek. Dieser lächerliche Zustand dauert so lange, bis das letzte Exemplar verbrannt oder sonstwie verschwunden ist. Eine gute Gesetzgebung müßte es sich zur Aufgabe machen, die ganze Sache grund sätzlich zu regeln. Davor scheut sich natürlich die Verwaltung; sie sucht lieber solche Neuerungen dem Publikum schmackhaft zu machen. Das Unrecht wird sanktioniert und dauernd fixiert. Mit diesem Gesetz würden wir alle jene Mißstände, die ich er wähnt habe, legalisieren. Will man gegenwärtig schon an eine Besserung Herangehen, so schaffe man ein ausschließliches Forum für Preßdelikte. Warum sollte man nicht die Presse be günstigen? Die Deutschen haben ja die Buchdruckerkunst erfunden, und bei Prinzenreisen und loyalen Demonstrationen, photo graphischen Aufnahmen u. s. w. weiß man sie auch zu schätzen. Schafft man nicht ein ausschließliches Forum, so kann man aus Grund des Zusammenhangs der Strafthaten auch fortan den Redakteur vor jedes beliebige Forum ziehen. Die Privatklage manien durch besondere Bestimmungen zu fördern, haben wir keine Veranlassung. Die Rechtsprechung würde bei der mangel haften Umgrenzung der strafbaren Handlung in diesem Gesetz sehr leicht dazu kommen, daß für bestimmte Fälle der fliegende Gerichts stand aufrecht zu erhalten ist. Die Gerichte könnten sagen, die Beleidigung ist ohne Zweifel ein Delikt, das nicht allein durch den Inhalt begangen ist, sondern auch durch die Thatsache der Kenntnisnahme durch einen Dritten. Zweck des Gesetzes ist ja, zu verhindern, daß die Gerichte sich ein Forum aussuchen. Dann müßten aber nicht nur die Personen, die Verfasser, Verleger u. s. w. geschützt werden, sondern auch die Druckschrift selbst. Die Beschlag nahme einer Druckschrift darf nicht dem Zufall überlassen werden. Will die Regierung ein gutes Gesetz machen, so thut die Presse gut daran, lieber noch etwas zu warten. Wir sind ja ans Warten gewöhnt. An einem Unrecht wollen wir uns nicht be teiligen. Abgeordneter Jeffer» (b. k. F.) führt als Redakteur des -Flens- borg Avis» Beispiele an, wie in seiner Heimat der Grobe Unfug- Paragraph gehandhabt werde. Jemand sei zu fünf Wochen Haft Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 69. Jahrgang. verurteilt worden, weil er Nordschleswig als Südjütland bezeichnet hätte. Seine dänischen Landsleute lebten eben unter einem Aus nahmezustand. (Präsident Graf von Ballestrem ersucht den Redner, allmählich zu dem eigentlichen Gegenstand der Beratung zu kommen.) Der Zustand des fliegenden Gerichtsstandes müsse aufgehoben werden schon im Interesse des Ansehens der Gerichte selbst. Redner geht dann auf weitere allgemeine politische Fragen ein, wird aber durch den Präsidenten abermals mit der Bemerkung unterbrochen, der Redner könne diese Dinge beim Budget im nächsten Jahre Vorbringen. Da der Redner seine Auseinander setzungen fortsctzt, ruft ihn der Präsident formell zur Sache. Gegen 6'/z Uhr wird die weitere Beratung auf Dienstag l Uhr vertagt. 171. Sitzung vom 22. April 1902. Fortsetzung der Generaldiskussion über den Gesetz entwurf, betreffend Abänderung des ß 7 der Straf prozeßordnung (fliegender Gerichtsstand der Presse): Abgeordneter vr. Marcour (Zentr.): Die Presse billigt die Vorlage nicht in allen Punkten. So hat z. B. das Organ deutscher Zeitungsverleger in Hannover Ausstellungen gemacht. Die gestrige Debatte hat ebenfalls gezeigt, daß vollständig niemand mit der Vorlage zufrieden ist. Cs ist aber nicht zu leugnen, daß in manchen Punkten die Vorlage eine Verbesserung des gegen wärtigen Zustandes darstellt, wenn auch der fliegende Gerichts stand in der letzten Zeit nur noch in seltenen Fällen zur Anwen dung gebracht worden ist. Diesen Verbesserungen stehen aber Ver schlechterungen gegenüber. Ob diese die Verbesserungen über wiegen, lasse ich dahingestellt. Durch die Bestimmung über die Privatklagen wegen Beleidigung wird der fliegende Gerichts stand, der bisher eine Ausnahme war, zur Regel gemacht. Es kann der Fall eintreten, daß in einer Volksversammlung gegen eine weit entfernte Person viel gröbere Beleidigungen ausgestoßen werden, als durch ein Preßorgan, und es ist nicht einzusehen, warum dann die Bestimmung nur auf die Presse Anwendung finden soll. Früher bestanden auch in juristischen Kreisen über die Verfolgung der Prefse andere Anschauungen. Erst die bekannte Reichsgerichts-Entscheidung von 1892 hat einen Wandel gebracht. Eine Ausnahme gegen die Presse wäre doch nur dann statthaft, wenn man annehmen könnte, daß die Prefse sich ein besonderes Vergnügen daraus macht, Privatleute zu beleidigen. Die Presse ist immer Liebkind, wenn man sie nötig hat; sonst aber mag man nichts mit ihr zu thun haben. Sie nimmt es mit der Beobachtung des achten Gebots genau so ernst wie irgend einer. Unter An führung von Beispielen aus der eigenen Praxis sucht Redner nachzuweisen, daß nach der bisherigen Praxis der Redakteur seinem zuständigen Gericht habe entzogen werden können, einzig in der Absicht, eine Verurteilung zu erzielen. Nach der neuen Fassung würde damit auch nicht völlig aufgeräumt. Man müsse in der zweiten Lesung versuchen, diese Ausnahmebestimmung zu beseitigen. Abgeordneter vr. Müller-Meiningen (fr. Volksp.): Es besteht ja ziemlich allgemein der Wunsch, bald zum Sekt überzugehcn (der zweite Gegenstand der Tagesordnung ist die zweite Lesung der Schaumweinsteuer); ich muß aber doch noch einiges zu dem -Fliegenden» bemerken. Die deutsche Presse wird bald merken, daß sie mit der Vorlage nur ein Danaergeschenk erhält. Gegen dieselbe bestehen eine Reihe schwerer Bedenken. Auch die nichtperiodischen Druckschriften müssen schon mit Rücksicht auf den deutschen Buch handel den periodischen gleichgestellt werden. Für ausländische Druckschriften muß ebenfalls ein einheitlicher Gerichtsstand in Leipzig oder Berlin errichtet werden. Es müssen ferner alle direkt oder indirekt an der Herstellung eines Preßerzeugnisses beteiligten Personen unter das Gesetz fallen; das ist nicht deutlich genug aus gesprochen, wie schon Kollege Heine dargethan hat. Auch die Flug blätter dürfen nicht anders als Zeitungsartikel behandelt werden. Die Begründung ist so auf Schrauben gestellt, daß das Publikum sie gar nicht versteht, und findige Staatsanwälte einfach die Ab sicht der ganzen Vorlage illusorisch machen können. Vor der Schlauheit des deutschen Juristen und des deutschen Staatsanwalts kann nicht genug gewarnt werden. Es ist z. B. zweifelhaft, ob der Begriff des Erscheinens mit dem Begriff der Veröffentlichung zusammenfällt. Da haben die Auslegungskünste der Richter und Staatsanwälte ganz freie Hand. So ist auch der Begriff des Er scheinungsortes ungemein dunkel; er muß hier im Reichstage ganz genau definiert werden. Der Gerichtsstand des Ortes des Erschei nens der Druckschrift muß zum ausschließlichen Gerichtsstände ge macht werden, weil sonst auf dem Wege der Konnexität das ganze Gesetz wirkungslos gemacht werden kann. Das vorum äowieilii ist hier nicht anwendbar. Ich freue mich sehr, daß Herr Marcour anerkennt, daß cs sich hier thatsächlich um eine Verschlechterung 456
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