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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.01.1898
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1898-01-19
- Erscheinungsdatum
- 19.01.1898
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- Deutsch
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486 Nichtamtlicher Teil. 14, IS. Januar 1898. bis zu dreihundert Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer an öffentlichen Straßen oder Plätzen Schriften, Abbildungen oder Darstellungen ausstellt oder anschlägt, welche, auch ohne unzüchtig zu sein, durch grobe Unanständigkeit geeignet sind, das Scham- und Sntlichkeitsgefühl erheblich zu verletzen. Meine Herren, ich glaube, auch in dieser Beziehung darf sich die Kunst sowohl in der Malerei wie in der Skulptur und in der Lilteratur die Schranken zu Herr, die das Christentum für uns alle gezogen hat. Es giebt weder für den Schrift steller, noch für den Maler, noch für den Bildhauer einen anderen Sittenkodex wie den Sittenkodex, den das Christen tum für uns alle ausgestellt hat. (BravoI in der Mitte.) Es ist ein Phantom, das in den Köpfen einzelner spukt, daß wir in der Lage und auch bereits dahin gekommen wären, einen Kulturzusiand cinzunehmen, der über den des Christen tum hinausgegangen sei. Meine Herren, wir leben und weben in der christlichen Kultur, unser ganzer Gedankenkreis bewegt sich in ihr, und die christliche Kultur hat diese Per sonen mit ihren Phantomen zu ihrer gegenwärtigen Höhe gehoben, sic haben die christliche Kultur noch nicht übertrumpft. Dann, meine Herren, haben wir uns e,laubt. Ihnen noch einen Antrag zu bringen, der über den Rahmen dessen hinausgeht, was damals beschlossen worden ist. Das ist der sogenannte Theaterparagraph. Bon meinen Freunden war in der Kommission geltend gemacht worden, daß die Dar stellungen auf den Bühnen vielfach sitlenverderbend wirken. Es ist deshalb von uns vorgeschlagen worden, alle die mit Gefängnis zu bestrafen, welche öffentlich theatralische Vor stellungen, Singspiele, Gesangs- oder deklamatorische Vor- iräge, Schaustellungen von Personen oder ähnliche Auffüh rungen veranstalten oder leiten, die durch gröbliche Verletzung des Scham- oder Sittlichkeitsgesühl Aergernis zu erregen ge eignet sind. Wir sind mit diesem Paragraphen, der aller dings die Thcaler weniger, sondern vor allen Dingen das Tingeltangelwesen in weitem Umfange trifft, in der Kommis sion damals unterlegen, wie ich glaube, mit 12 gegen 8 oder mir 9 gegen 8 Stimmen. Die Frage schien uns aber doch so wichtig, daß wir glaubten, wir sollten die Fassung dem hohen Hause noch mal Vorschlägen; das Haus mag dann dazu Stellung nehmen, es muß ja doch über jeden einzelnen Paragraphen absummen. Unterliegen wir damit, — gut, so beugen wir uns in aller Ruhe; wir dürfen uns dann sagen: wir haben das, was wir als notwendig und richtig erkannt haben, versucht. Alan hat gegen die Aufnahme einer derartigen Bestim mung eingcwendel, daß die Theaterstücke einer Zensur unter lägen, daß sie auch einer Kontrolle des Oberverwaltungs gerichts unterlägen, und daß es mißlich sei, wenn die Zensur der Verwaltungsbehörde wieder durch die Gerichte zensuriert werde. Wir haben dieses Bedenken nicht für schwerwiegend genug erachtet, um aus eine derartige Bestimmung zu ver zichten, und zwar wesentlich aus folgenden Gründen. Manches Theaterstück läßt bei der Lektüre ruhig und kalt; es kommt darauf an, wie die Darstellung auf der Bühne ist. Das trifft namentlich bei den Aufführungen zu, die in den Theatern niederer Ordnung stattfinden. Eine Aufführung an sich kann unsittlich wirken, und dieses Moment wollten wir auch da, wo der Text nicht unsittlich ist, sondern die Art der Darstellung, durch diese Bestimmung treffen. Meine Herren, es sind auch noch andere Sachen, die uns aus der Bühne schmerzlich berühren. Es ist erstaunlich, daß unserer Zeit das Verständnis für einen Satz so blas- phemischer Natur verloren gegangen ist, wie er sich bei Ibsen findet: das weibliche Liebeslebcn in ihr getötet zu haben — es ist im »Borkmann« —, das ist die Sünde, für die es keine Sühne mehr giebt, die Sünde gegen den heiligen Geist! Es ist eine Blasphemie schärfsten Grades (sehr richtig! in der Mitte), eine Bibelstelle von solcher Bedeutung und solcher Wichtigkeit auf einen solchen Fall zur Anwendung zu bringen. (Sehr richtig! in der Mitte.) Das Stück wird gelesen, niemand findet den geringsten An stoß daran. Es ist etwas Deprimierendes, daß so viele, die unsere Theater besuchen, so unempfindlich geworden sind gegen die Schläge, die man ihrem Gefühl versetzt. Meine Herren, ich bin ein Schüler des verstorbenen Aesthetikers Bischer und erinnere mich seiner ästhetischen Vor lesung noch lebhaft. Ich erinnere mich der sehr herben Be merkungen, die er über Wilhelm Meister machte. Sie können sie ähnlich in der Aesthetik Nachlesen; ich will sie nicht weiter vortragen. Er hat den Satz wiederholt betont, daß unsere Kunst wahrhaft Großes nur gezeitigt habe, wo sie auf reli giösem Boden entsproß. (Sehr richtig! in der Mitte.) Und denselben Satz, meine Herren, spricht mit anderen Worten Goethe aus, nach dem die Kunst produktiv nur so lange ist, als sie religiös ist. In Uebereinsümmung mit ihnen dürfen wir ruhig sagen: wer uns den Vorwurf macht, wir wollen der Kunst entgegentreten, der trifft den Unrechten (bravo! in der Mitte), und wer uns den Vorwurf macht, wir wollen allein auf dem Wege der Gesetzgebung heilend Vorgehen, der kommt auch bei uns an den Unrechten Dasselbe Wahlprogramm, mit dem ich meine Rede eröffnet habe, betonte, daß es unsere Aufgabe em müsse, alle sittlichen Faktoren im Volksleben lebendig zu machen. Meine Herren, gerade, weil wir glauben, daß es der sittlichen und ethischen Faktoren im Volksleben bedürfe, um die Sittlichkeit im Volke gesund zu erhalten, — gerade deshalb rüfen wir immer nach der Freigabe aller kirchlichen Bewegungen (bravo! in der Mitte), damit sie den Sauerteig im Volke bilden. Deshalb verlangen wir alle unsere Orden zurück, einschließlich der Jesuiten (bravo! in der Mitte), — um das hier noch einmal zu wiederholen —, weil wir uns sagen: gerade in diesem Kampfe muß die Mauer unserer Wehr demanthart und lückenlos sein; niemand ist zu ent behren, der durch Wort und Beispiel die Forderungen der Sittlichkeit vertritt. (Bravo! in der Mitte.) Uns komme man nicht mit dem Vorwurf, daß wir der Ge- etzgebung zu viel vertrauten. Aber wir sind uns auch be wußt, daß die Gesetzgebung nach dieser Richtung eine Aufgabe milzuerfüllen hat, (sehr richtig!) und wir wollen nicht mehr, als daß sie für den Teil der Aufgabe, zu dem mitzuwirken sie berufen ist, auch eingreife und helfe. (Bravo! in der Mitte.) Meine Herren, unsere Jugend hat im Deutschen Reich schwere Aufgaben für die Zukunft zu erfüllen. Es ist gestern >m anderen Hause der Sag gefallen, daß die Staaten stark seien und gesund, wenn ihre Finanzen gut wären. Gewiß; aber nicht allein dann! Wichtiger noch für die Gesundheit und Stärke des Staats als die Finanzkrast, ist die Gesund heit des Volks, die nur blüht, wenn unsere Jugend, männ lich wie weiblich, unter dem Banner der Sittlichkeit zieht. (Lebhaftes Bravo in der Mitte.) Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schall. Schall, Abgeordneter: Meine Herren, ich bin in der an genehmen Lage, auch heute wieder wie bei einer früheren
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