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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.01.1898
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1898-01-19
- Erscheinungsdatum
- 19.01.1898
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- Deutsch
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14 19 Januar 1898 Nichtamtlicher Teil. 485 sie die Individualität als solche zu sehr in den Vordergrund gestellt und die Unterordnung des Individuums unter den Gedanken der Gemeinschaft allzusehr außer acht gelassen hat. Wir waren infolgedessen nicht nur genötigt, auf wirtschaft lichem Gebiete zu ändern, auch in der Strafgesetzgebung mußten wir eine Reihe von Vorschriften erlassen, die dem Eigeninteresse entgegentraten. Ich erinnere an die Bestim mungen gegen die Warenverfälschungen, an die Bestimmungen gegen den unlauteren Wettbewerb auf den verschiedensten Gebieten des Erwerbslebens, wo wir durch Strafgesetze die eigennützigen Bestrebungen des Individuums einzudämmen suchten. Ebenso müssen wir auf dem Gebiete der Sittlichkeit, da, wo unser Strafgesetzbuch nicht genügend die Unterordnung der Neigungen des Einzelnen unter die Bedürfnisse des Ge meinwohls ins Auge faßt, durch Strafbestimmungen repri- mierend den Leidenschaften der Einzelnen entgegentreten. Meine Herren, wenn wir Ihnen die Vorlage in der Form, wie sie hier vorliegt, gebracht haben, so haben wir uns damit an die Beschlüsse angeschlossen, welche seinerzeit in der Kommission des Reichstags zur sogenannten lex Heinze gefaßt worden sind. Die Kommission hat sich in langen Sitzungen sehr eingehend mit diesem Gesetzentwurf befaßt. Nicht alle Beschlüsse, wie sie in jener Kommission gefaßt worden waren, sind mit der Zustimmung meiner Parteigenossen gefaßt worden; aber wir haben die Bedenken, welche uns an dieser Fassung stoßen, zurücktreten lassen, weil wir für das wichtigste halten, daß versucht werde, etwas zu stände zu bringen. Wir wollen uns damit unserer abweichenden Mei nung zu einzelnen Vorschriften nicht begeben; wir wollten dem Reichstag den Gesetzentwurf deshalb so vorlegen, wie er damals in der Kommission beschlossen war, damit der Reichs tag nunmehr zu den Beschlüssen seiner damaligen Kommission Stellung nehmen kann Der Gesetzentwurf umfaßt mehrere Materien^ Sie werden mir gestatten, daß ich in aller Kürze auf die einzelnen Be stimmungen eingehe. Die anderen Bestimmungen, die sich nun in den 88 184 bis 184 b finden, sind, wie ich heute morgen in der Zeitung gelesen habe, als ein Versuch zur Erdrosselung jeder feinen Regung in Kunst und Litteratur bezeichnet worden. (Heiterkeit.) Meine Herren, für die Kunst und die Litteratur, welche nicht in dem Rahmen dieser Bestimmungen sich bethätigen kann, habe ich kein Verständnis; für sie kann ich auch ein Bedürfnis nicht anerkennen. (Sehr richtig! in der Mitte.) Was wollen wir denn? Wir wollen entgegentreten den di rekten unsittlichen Darstellungen Was uns heute durch die Post ins Haus geschickt wird, was jedem, dessen Name mit diesem Gesetz in Verbindung gebracht worden ist, zugeschickt wird, ist viel schlimmer als das, was uns bei der Beratung der lex Heinze in der Kommission vorgezeigt werden konnte. Man ist in der That vor die Frage gestellt, ob es nicht not wendig sei, daß wir der Post die Befugnis geben, solche Sendungen einzuhalten. Denn wer Familie hat, muß be fürchten, daß solche Sachen in die Hände seiner Kinder fallen, während er von Hause abwesend ist. Wenn es die Herren interessiert, so finden Sie oben in meinem Schreibtisch ver schlossen eine Anzahl solcher Photographieen, die Sie einsehen können. Was wollen wir? Wir wollen vor allen Dingen da gegen auftreten, daß die Unsittlichkeit in Bild und Kunst, in Litteratur und Theater sich öffentlich zeigen kann. Wir wollen, daß von unsittlichen Darstellungen die Straßen frei bleiben, auf denen unsere Jugend verkehren muß und von denen wir unsere Jugend nicht fernhalten können. Man sage nicht: dem Fli„s::i:dsechrtgster Jahrgang. Reinen ist alles rein. Im Vaterunser steht mit großem Bedacht die Bitte: führe uns nicht in Versuchung, — und der Staat hat die Pflicht, die Versuchung von der Jugend fernzuhalten, wie schon Aristoteles gelehrt hat. Wir wollen an die Quellen, aus denen die unsittlichen Erzeugnisse heroorgehen, näher heran - treten Wir wollen sie früher abfassen können, wie die Gesetz gebung es bisher gestattet hat, und deshalb wollen wir die Bestimmung, daß auch derjenige zu bestrafen sei, der un züchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen feilhält, zur Verbreitung herstellt oder zum Zwecke der Verbreitung vor rätig hält, ankündigt oder anpreist. Wir wollen Strafen für denjenigen, der Gegenstände, die zu unzüchtigem Ge brauche bestimmt sind, an Orten, welche dem Publikum zu gänglich sind, ansstellt oder solche Gegenstände dem Publikum ankündigt oder anpreist. Wir wollen Strafen für denjenigen, der durch Ankündigung in Druckschriften unzüchtige Verbin dungen einzuleiten sucht. Ich weiß wirklich nicht, was in diesen Bestimmungen enthalten sein sollte, das irgendwie eine freiere Regung der Kunst hinderte. Ich halte mich und uns alle des Vorwurfs der Prüderie überhoben. Es ist ein katho lischer Benediktinerpater l)r. Kuhn, der gerade unserem Zeit alter den Vorwurf macht, es sei prüde, es vertrage nicht mehr die freie Anschauung in der Kunst, wie sie auf religiö sem Boden entstanden sei, es sei ihm vieles zu anstößig, was nur bei übertriebener Empfindlichkeit anstößig sei. Der Ge danke, das, was wirklich Kunst sei, einzuschränken und zu verhindern, liegt uns ferne. Ich kann den Herren, welche für die freie Kunst eintreten, gerne zugeben, daß das ge malte Bild, die plastisch ausgehauene Statue, an sich einen anderen Eindruck auf das Gemüt machen mutz als den der Verführung, daß das Nackte als solches nicht sittenverderbend zu wirken braucht. Ich kann ihnen zugeben, daß die Art, wie der Künstler das Ideal, das Ebenbild Gottes im Men schen herausarbeitet, auch erhebend auf das Gemüt einwirken kann — gewiß. Aber, meine Herren, um solche Sachen handelt es sich nicht; all diese Kunst des Künstlers, das, durch was sie uns läutert und erhebt, das wirkt nicht in dem Bilde, das ich als Photographie zu sehen bekomme; dort verschwindet diese Gestaltungsschwierigkeit, mit welcher der Künstler die jungfräuliche Reinheit darzustellen sucht, in der Photographie verschwindet infolge dessen auch die in dem Kunstwerke liegende niederhaltende Wirkung der ungeordneten Regungen. Und gerade die Verbreitung der Darstellung des Nackten durch die Photographie ist es, was bei uns sitten verderbend wirkt. Und noch eines. Es ist von einem neueren Aesthetiker, l)>. Müller, die, glaube ich, sehr zutreffende Bemerkung ge- gemacht worden, das Nackte sei durchaus nicht das Natur gemäße beim Menschen, die menschliche Bildung sei eine zweite Natur des Menschen, und die Bildung erfordert die Bekleidung; denn die Bekleidung hebe als nackt nur hervor das Gesicht, das er als das Altarbild des Geistes bezeichnet, wo die Seele in Blicken sich malt und in Worten sich aus spricht. Und wie viele Photographieen sind nicht nach dem Bilde, sondern nach der Natur ausgenommen. Nicht die Seelen allein, sondern auch die Körper sollen nach dieser Kunst nackt spazieren gehen. Meine Herren, es sind auch nicht allein die Photographieen; heute ist fast kein Plakat in gewissen Geschäftsläden mehr zu sehen, in dem nicht in ganz unmotivierter Weise das Nackte hervortritt Und da sage ich doch mit Clemens Brentano: ich kann die ewigen nackten Buben und Mädchen nicht leiden. Alle höhere Kunstunschuld werde der Teufel holen, wenn sich nur das ärmste Lamm an dieser Kunst ärgert. Meine Herren, wir sind über diesen Rahmen in einer Bestimmung hinausgegangen, wir haben im 8 84a bestimmt: Mit Gefängnis bis zu drei Monaten und mit Geldstrafe «5
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