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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.01.1898
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 19.01.1898
- Sprache
- Deutsch
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14, 19. Januar 1898. Nichtamtlicher Teil. 491 die Kommission setzt sich, wie schon erwähnt, zum Teil aus denselben Herren zusammen, die damals die Kommission ge bildet haben. Ich empfehle daher, meinen Antrag anzu nehmen. (Bravo!) Vizepräsident vr. Spahn: Das Wort hat der Herr Ab geordnete Bebel. Bebel, Abgeordneter: Es begreift sich der Standpunkt, daß diejenigen, die an gewissen unangenehmen Erscheinungen unseres öffentlichen und sozialen Lebens mit Grund Anstoß nehmen, bestrebt sind, möglichst das Strafgesetzbuch zu Hilfe zu nehmen, um diesen Nebeln abzuhelfen und sie möglichst aus der Welt zu schaffen. Ich und meine Freunde sind auch bereit, einem ganzen Teil der Bestimmungen, welche die Herren Spahn und Genossen in dem uns vorliegenden Gesetzentwurf beantragt haben, unsere Zustimmung zu geben, aber bei weitem nicht allen Auf der einen Seite geht mir dieser Gesetzentwurf zu weit, auf der anderen nicht weit genug. Insbesondere müßte, wenn einmal auf diesem Gebiet reformiert werden sollte, auch geprüft werden, ob es nicht noch andere ähnliche Bestimmungen in unserem Strafgesetz gäbe, die mindestens mit demselben Recht und derselben Not wendigkeit einer Revision unterzogen werden müßten wie die hier beantragten Paragraphen In § 184 Ziffer 1 fällt mir auf, daß es heißt, daß, wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen zur Verbreitung herstellt, bestraft werden soll. Meine Herren Antragsteller, soll darunter auch der Arbeiter und die Arbeiterin gemeint sein? Das ist durch den Wortlaut nicht ausgeschlossen. Ich nehme an, man hat den Unter nehmer gemeint, der Anordnung giebt, daß solche Gegen stände angefertigt werden. Nach dem Wortlaut Ihres An trags wird aber auch der Arbeiter oder die Arbeiterin gepackt, die doch in einer Zwangslage sind und den Anordnungen des Arbeitgebers folgen müssen. Diese sind alsdann vor die Notwendigkeit gestellt, entweder den Denunzianten zu machen, und alsdann sind sie um ihr Brot, oder freiwillig aus der Arbeit zu gehen, und dann sind sie ebenfalls um ihr Brot, und zwar vielleicht zu einer Zeit, wo sie kaum eine andere paffende Stelle finden können. Dann möchte ich weiter fragen, wenn es in dem vor geschlagenen 8 184 heißt: wer durch Ankündigung in Druckschriften unzüchtige Ver bindungen einzuleiten sucht, ob darunter auch eventuell die bekannten Heiratsannoncen gemeint sind, wenigstens eine gewisse Art dieser Annoncen Wenn es z. B. in einer Annonce, die ich hier habe, heißt: Für eine 22jährige junge Dame aus bester Familie, die einen Fehltritt begangen hat, wird bei 15 000 Mark Mit gift eine Partie gesucht, so ist das doch ein durchaus unsittliches Verhältnis, das eingeleitet werden soll. (Zuruf rechts.) — Aber, Herr Kollege Pauli, solche Annoncen sind durchaus nicht so selten, wie Sie annehmcn; ich habe hier eine ganze Kollektion davon; solche Annoncen, wie die mitgeteilte, bilden nicht die Mehrzahl derselben, aber es ist immerhin eine beträchtliche Zahl. Ich will mir nur Klarheit verschaffen, ob das, was ich vortrug, unter die Strafbestimmungen des §184 fällt. Ich füge hinzu, daß Sie sich wohl überlegen sollen, ob Sie mit Ihren Strafandrohungen so außerordentlich weit gehen dürfen. Weiter erscheint mir die Bestimmung des 8 184s weit über das Ziel hinauszuschießen. Danach sollen Abbildungen und Darstellungen oder Schriften, die in öffentlichen Straßen oder Plätzen ausgestellt werden, auch dann straffällig sein. wenn sie, auch ohne unsittlich zu sein, geeignet sind, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl zu verletzen. Mit diesem Paragraphen kommen Sie auf eine ganz gefährliche Bahn. Meine Herren, ich behaupte, daß diese Bestimmung nicht nur in jedem Gericht, sondern auch vor den verschiedenen Gerichtshöfen in jeder größeren Stadt zu den verschiedensten Auslegungen führen wird. Ich kann mir vorstellen, daß ein Plakat, eine Photographie in Berlin sowohl vom Polizei präsidium wie von der großen Mehrheit des Publikums für durchaus unanstößig gehalten werden, die in dem am 1. April zur Stadt werdenden Schöneberg als anstößig angesehen wird. Und was kann nicht alles als anstößig angesehen werden! Meine Herren, wenn etwas in dieser Richtung als unter den Paragraphen fallend angesehen werden könnte, sind es die bekannten Figuren hier auf der Schloßbrücke. (Sehr richtig! in der Mitte.) — Ich höre, daß mir aus dem Zentrum zugerusen wird: sehr richtig; da haben Sie es. Wenn der Paragraph Gesetz wird, müssen also eventuell die Figuren dort beseitigt werden. Es giebt eine große Anzahl Väter, die sich hüten, ihre Söhne und Töchter über jene Brücke zu führen, und einen kleinen Umweg vorziehen (Heiterkeit.) Meine Herren, die Venus von Milo, in jedem Museum ein bewundertes Kunstwerk, als Photographie in einem Laden fenster ausgestellt, könnte geeignet sein, als ein Gegenstand angesehen zu werden, der sich durch grobe Unanständigkeit auszeichnet. Meine Herren, der Stuhl dort, auf dem der Herr Präsident sitzt (große Heiterkeit), in einer Photographie in einem Kunstladen in Berlin aus gestellt, könnte auf Grund dieses Paragraphen der Berliner Polizei Anlaß geben, zu sagen: halt, das Bild ist sehr be denklich. (Heiterkeit.) Gewisse Verzierungen über verschiedenen Eingängen in diesem Hause, z. B. beim Eingang zum Bundesrat, ferner in den Schreibsaal, sind sehr bedenklich im Sinne dieses Paragraphen. (Heiterkeit) Stellen Sie sich einmal vor, ein Künstler findet, daß diese Gegenstände besondere Kunstwerke seien, er bildete sie ab und stellte sie öffentlich aus. Er fiele dabei herein! Wo kommen wir denn damit hin? Das kann nicht durchgeführt werden. Und genau so mit den Bestimmungen des 8 184b. Auf Grund der §§ 184s. und b würde eine ganze Menge von Kunstwerken, in Abbildungen oder Originalen, sowie von theatralischen Aufführungen, die in Berlin, wie nun einmal das Publikum hier in seiner großen Mehrheit denkt, gar keinen Anstoß erregen, auch bei dem Polizeipräsidium nicht, das sein Publikum kennt, — aber in jeder Provinzialstadt, in jeder kleinen Stadt, oder gar auf dem Lande würden die selben Dinge mit anderen Augen angesehen und infolge dessen auch bestraft. Es hängt also alles von dem subjek tiven Ermessen des Richters ab, wie er die Sachen beurteilen will. Und nach allem, was wir an Jnterpretationskunst auf Grund unseres Strafgesetzbuchs bereits vor hohen und niedrigen Gerichten erlebt haben, sind meine Freunde und ich nicht geneigt, noch weitere Kautschukparagraphen in das Gesetz aufzunehmen, die notwendigerweise in ihren Folgen ganz ungeheuerliche Zustände herbeiführen müßten. Also für diese Art Paragraphen werden wir unter keinen Umständen zu haben sein. Ich glaube also, es wird dringend notwendig sein, daß wir diese Vorlage einer Kommission übergeben. Es werden bei der Spezialberatung noch eine Reihe anderer Bestim mungen, die hier in der Kürze einer Rede nicht erörtert werden können, in Betracht gezogen werden müssen. Es 66'
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