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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.01.1898
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1898-01-17
- Erscheinungsdatum
- 17.01.1898
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- Deutsch
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Wendung von Mädchen im Verkaufsladen mißbilligen. Er lönnte sie sonst eben so gut in die Drogerien schicken, in denen die Mädchen wohl ab und zu in dieselben Verlegenheiten kommen würden, wie im Buchhandel. Nun besteht aber in der That ein Ueberfluß von Menschen, wie wir den heutigen Zustand erklären (man lese darüber in Bellamys Gleichheit S. 219 u. ff. nach). Die Mädchen werden nicht mehr geheiratet, weil die Männer zur Bestreitung der Kosten wirtschaftlich zu schwach sind. Es entsteht also die Frage, waS wir mit unseren Mädchen machen sollen, wenn man ihre schrankenlose Konkurrenz in den Männerberufen nicht billigt? In den Männerberufen, hierin liegt schon die Ant wort. Es giebt auch genug Frauenberufe, für die die Frau viel besser, ja ausschließlich befähigt ist. Aber eine reinliche Scheidung muß hier gezogen werden, wenn man nicht in den berechtigten Ausruf desselben Berliner Plauderers einstimmen will, gegen den sich der Verfasser wendet: »Wohin schließlich die Entwickelung führen soll, wenn die Frauen der Männerarbeit immer mehr Konkurrenz machen und noch dazu als Lohndrückerinnen auftreten, also auch die Lebenshaltung der Männer Herabdrücken, daran kann man nur mit einem gewissen Grauen denken.« Wenn diese Scheidung aufrecht er halten wird und damit die männlichen Gehilfen von dem auf ihnen lastenden Drucke befreit werden, können sich auch wieder für die nicht in den weiblichen Berufen thätigen Mäd chen Männer finden, die ihnen ein rechtes Eheglück zu be scheren imstande sind. Nicht hauptsächlich darin liegt das Gefährliche der Frauenarbeit, daß sie das Heer der auf die Verdingung ihrer Arbeitskraft Angewiesenen vermehren, sondern darin, daß sie auch den in Stellung befindlichen Männern den Erwerb ihres Lebensunterhaltes dadurch erschweren, daß sie durch ihr billiges Angebot das Lohnniveau ganz allgemein herunterdrücken. Im Buchhandel speziell, und besonders im Sortiment, ist diese Gefahr allerdings nicht sehr groß, da hier schon vielfach mit den 75 ^-Gehältern die unterste Stufe er reicht ist, auf der des Lebens Notdurft nur eben noch befriedigt werden kann. Diese Gehälter stehen noch fast unter den Tage löhnerbezügen in den meisten großen deutschen Städten! Ich stehe auch nicht auf dem Standpunkt von der in der Natur begründeten geistigen Inferiorität des weiblichen Geschlechts, und auf die Gutachten von Aerzten will ich noch nicht ein mal Wert legen, welche die Frauenarbeit vom hygienischen Standpunkt aus aufs schärfste bekämpfen. Wenn die wirt schaftlichen Verhältnisse, in denen wir nun einmal leben, es gestatteten, so hätte ich nichts gegen die schrankenlose Gleich berechtigung der Geschlechter einzuwenden, wie Bebel sie in seiner »Frau« und Liebknecht in seinem jüngsten Artikel »Zukunstsstaatliches« im neuesten Heft der Cosmopolis (S. 221 u. f.) verlangen. Aber heute diese eine Seite des Zukunfts staates einsühren wollen und alle anderen Bedingungen dafür ignorieren, ist ein Unding. Gelingt die meinetwegen künstliche Scheidung der männlichen und weiblichen Berufe nicht, und dauert die Jagd um Versorgung, wo immer und zu welchem Preise sie sich findet, fort, so gelangen wir bei diesem Kampfe der Angestellten untereinander zu Zuständen, aus denen alles andere eher hervorgeht, als der »Friede auf Erden«, den der Verfasser in einem sehr starken Optimismus voraussieht. Soeben hat der Verfasser des im Börsenblatt abgedruckten Artikels in der Kölnischen Volkszeitung einen zweiten Artikel erscheinen lassen, der eine Erwiderung auf meine Entgegnung sein soll, aber säst garnicht darauf Bezug nimmt. Statt dessen stellt er sechs Leitsätze auf, die folgendermaßen lauten: 1. Wer soll Schiedsrichter sein bei der Auswahl der Berufe? a. Etwa der Mann? Da dürfte die Zahl der weiblichen Berufe gering ausfallcn; ist doch der Mann naturgemäß geneigt, viele Bcrussarten nur deswegen als ungeeignet für die Frau zu be trachten, weil sie sich bisher noch nicht in ihnen versuchen und also auch nicht bewähren konnte. b. Gerechter Weise fiele dieses Amt also doch wohl der Frau selbst zu; diese aber dürfte fast vor keinem Beruf zurückschrecken. Aus welchen Gründen, ist zunächst gleichgillig, vielleicht aus Ehr. geiz, Not oder Eitelkeit. 2. Unser Zeitalter der Maschinen und der Arbeitsteilung macht thatsächlich die Arbeit der Frau in fast allen Berufen möglich, denn die einzelne Arbeit wird immer mechanischer und darum leichter erlernbar (z. B. im Buchhandel). In der Konkurrenz scheidet demnach fast nur die zu schwache physische Kraft aus. 3. Dazu kommt, daß das heutige wirtschaftliche Elend eben sowohl wie die -moderne Bildung, die Frau schon in frühen Jahren dos Recht auf den einen weiblichen Beruf vergessen lehrt. 4. Wenn keine Arbeit schändet und darum vom moralischen Standpunkt auch der Frau das Recht auf Arbeit in jedem Berus zusteht, so hat nur die Art der Ausübung dieser Arbeit zu ent scheiden, ob der Mann die arbeitende Frau ehren und achten kann. 5. Da auf vielen Gebieten sich die weibliche Arbeit erst in ihren ersten Anfängen befindet, so sehen wir freilich noch der un schönsten Zeit der Uebergangs-Perioden entgegen. Dieselben werden um so schneller überwunden, je schneller sich starke berufliche Orga nisationen bilden, Verbände, in denen die einzelne Person ihren Schutz hat, die aber auch die einzelne zwingen, im Sinne und zum Nutzen der Gesamtheit zu arbeiten 6. In der Ausgestaltung der sich hier bietenden Probleme wird die Richtlinie sich nicht in der -Bellamyschen Gleichheit» finden lassen, sondern in einer sozialen Reform, die sich wohl bewußt ist, daß dieses Leben, das in der Konkurrenz zugleich sich verzehrt und besteht, nur im Altruismus — im Sinne des Opferns — einen Wert erlangt. Der Verfasser scheint das Schematisieren sehr zu lieben. Also: Zu 1. Ich habe schon gesagt, daß die Scheidung viel leicht nur künstlich durchgeführt werden kann. Daß dies eine schwierige Sache ist, unterliegt keinem Zweifel; eine kräftige Organisation der männlichen Gehilfen nach dem Muster der llrucks Ullione könnte aber das Ziel zweifellos erreichen. Zu 2. Interessant ist, daß der Verfasser, der Buchhändler ist, die Behauptung aufstellt, daß im Buchhandel die einzelne Arbeit »immer mechanischer und leichter erlernbar wird und in der Konkurrenz fast nur die zu schwache physische Kraft ausscheidet«. Das ist noch nicht einmal im Verlag wahr, der doch viele mechanische Arbeiten hat; sonst könnte es keine brauchbaren und unbrauchbaren Verlagsgehilfen geben Daß es diese Unterscheidung wohl giebt, wird jeder Verleger aus eigener Erfahrung wissen; ebenso, daß hier die schwache phy- ische Kraft gar nicht in Betracht kommt. Oder spricht der Verfasser von Packern und Markthelfern? Wenn es auf die physische Kraft ankäme, wären zudem die weiblichen Arbeiter icher im Hintertreffen. Zu 3. Diesen Leitsatz verstehe ich nicht; selbst mit Zu hilfenahme der »Illustration« nicht, die der Verfasser dazu giebt. Diese lautet nämlich: -Wahrlich prüde ist unsere moderne Zeit gerade nicht, und die jungfräuliche Scheu wird dem Mädchen der niedrigsten wie der höchsten Bevölkerungsschicht früh und gründlich abgewöhnt. Ist es nicht ein Jammer, wenn wir besonders an den -schönen» Fest tagen das Proletariat seine Kinder, Buben und Mädchen, betteln Hetzen sehen? Da ziehen sie von Thür zu Thür, plappern ihren Vers und nehmen ihren -Goltcslohn» in Empfang. Zur selben Zeit aber führt wohl die -gebildete- Mutter ihr acht- oder zehn- rihriges Töchterlein ins Theater, wo man diese Kinder — wie ich es gestern im Frankfurter Schauspielhause sah — sich über ein Blumenthal-Kadelburgsches Machwerk mit seinen dummen Clown- pätzen und seinen Berliner Anzüglichkeiten sich freuen heißt.- Was diese Erzählung mit unserem Thema zu thun hat, verstehe ich nicht. Höchstens daß die Mädchen wie die Buben des Proletariers betteln, daß also hier die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts mit dem männlichen anerkannt ist. Leider ist diese »Kinderarbeit« des Bettelns oft allzu nötig, wenn Krankheit und Arbeitslosigkeit die geringe Ersparnis des Proletariers verschlungen haben. Ich glaube, daß man menschlich besser handelt, wenn man solch armen Würmern einen Groschen giebt, als wenn man nach der Polizei ruft.
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