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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.05.1874
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 20.05.1874
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- Deutsch
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> llt, 20. Mai. Nichtamtlicher Theil. 1843 dem ehrenwerthcn Grundsätze sesthielt, »iemalz ein Buch seines! Verlags, mochte der Absatz noch so gering gewesen sei», im Preise herunterzusetzen und dadurch den Rus oder Credit des Verfassers zu schädigen. „Ich halte es für ungentil, den Schriftsteller dafür zu strafen, daß ich den Werth seines Buches zu hoch taxirt habe," pflegte er zu sagen, wenn die Rede auf solche Preisherabsetzungen kam; mit stoischer Gelassenheit trug er seine Verluste und verbrauchte die unverkäuflichen Ladenhüter schließlich als Emballage oder ließ sic in der Walkmühle einstampfen, ohne dem Autor, dessen Werk ihm pecuniärcn Nachtheil gebracht, deshalb ein verdrießliches Gesicht zu zeigen. Heine und Börne, Jmmermann und Raupach, Gutzkow, Wien barg, Lewald und Maltitz waren die hervorragendsten Schriftsteller, denen die Campe'sche Firma in den Jahren kurz vor und nach der Julircvolution wirksamen Eingang beim Publicum verschaffte. Auch die erste Auflage der „Spaziergänge eines Wiener Poeten", Dingel- stedt's „Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters", Hoffmann's! „Unpolitische Lieder", Hebbel's und Gottschall's Erstlingsdramc» und lyrische Gedichte, Max Waldau's Zeitromane, die schönhcits- trunkenen Poesien von Wilhelm Hertz, Vehse's Geschichte der deut schen Höfe und ein ganzer Landsturm von Broschüren, welcher die verrotteten Zustände Deutschlands, insbesondere Oesterreichs, scharf attakirte, erschien später in demselben Verlage. Wir dürfen wohl die Frage aufwerfen, wie viele unter Liesen Werken jemals den Weg ^ in die Öffentlichkeit gefunden und einen rcdenswcrthen Einfluß auf die literarische und politische Entwicklung unserer Nation geübt hät ten, wenn ihren Verfassern nicht in Julius Campe ein Verleger sicher gewesen wäre, der den Muth besaß, auch das Verwegenste zu drucken, und unerschöpflich an Auskunstsmitteln war, die verbotenen Geistcssrüchtc den Späheraugen und den raubgierige» Händen der allgegenwärtigen Handlanger des Metternich'schcn Bevormundnngs- shstems zu entziehen? Es gehörte der ganze trotzig männliche Cha rakter und der kerngesunde Humor des echten Bürgers einer sreien Reichsstadt dazu, unter der Last so vieler Sorgen allzeit ein unge beugtes Haupt aus dem breitschultrigen Nacken zu tragen. Aber „viel Feind — viel Ehr'!" ries Campe mit Ulrich von Hutten aus, und wie ein alter Spartaner setzte er seinen Stolz darein, nothge- drungen immer aus Schleichwegen wandelnd, sich so selten als mög lich ertappen zu lassen, der Wachsamkeit der Behörden durch viel fältig wechselnde Manöver bald hier, bald dort einen Zops zu drehen, und mit der Schlauheit des Fuchses die brutale Gewalt zu überlisten. Großen Vortheil zog er aus der jahrelang von ihm befolgten Praxis, seine Verlagsartikcl in Wandsbeck, aus holsteinischem Gebiete, drucken zu lassen, und dadurch die unbequeme Aussicht der Hamburger Preß- polizci zu eludiren. Trotzdem aber gab es auch in der engeren Heimath Schwierigkeiten mancherlei Art zu beseitigen. Die hochweisen Väter der alten Hansestadt wurden recht inißlaunig gestimmt, wenn der deutsche Bundestag oder befreundete Regierungen sich beschwer ten, daß einer der angesehensten Bürger Hamburgs Jahr für Jahr aufreizende Schriften ins Publicum sende, die wider den herkömm lichen Schlendrian in Staat und Kirche ankämpjtcn; aber alle Ein- schüchterungsversuchc prallte» an der ehernen Gesinnnngstüchtigkcit Julius Canipc's ab. Einmal sollte er gezwungen werden, die Quelle einer für den Rus eines gewissen Prinzen sehr bedenklichen Erzäh lung, die sich ini dritten Bande von Vehse's Geschichte der kleineren deutschen Höfe fand, anzugeben. Als er sich dessen weigerte, wurde er in Arrest geschickt, und da eine achttägige Hast keinen Eindruck auf den Ehrenmann machte, schritt die Polizeibehörde zu dem unerhörten Mittel, durch fortwährend gesteigerte Geldstrafen die verlangte Zeu genaussage erpressen zu wollen. Mit unerschütterlicher Ruhe ließ Campe am 14. Januar 1858 die für den Nichtbezahlungsfall ange drohte Pfändung vollziehen; noch am selben Tage ward ihm die Qucrnacht für eine neue, um das Doppelte erhöhte Geldstrafe ange sagt — aber der gewünschte Zweck wurde nicht erreicht, die Fort setzung des durch kein Gesetz zu rechtfertigenden modernen Tortur- Verfahrens unterblieb, und Campe erhielt infolge der von ihm eingelcitetcn Klage schließlich die abgepfändeten Gegenstände zurück. Eben solch ein Manu war der geeignete Verleger für Heinrich Heine, welcher seinerseits sehr gut erkannte, wie nöthig der Ver breitung seiner Werke ein Buchhändler fei, der mit unerschrockenem Sinn einen verschlagenen Geist und eine rastlose Betriebsamkeit ver band. Er ließ sich daher manche kleinliche Nergelei, manche ab zwackende Verkürzung des erhofften Honorars gefallen, ohne de» verlockenden Anerbietungen, die ihm in späteren Jahren von anderen Firmen gemacht wurden, ei» geneigtes Ohr zu leihen. Ein dank barer Sinn, eine fast rührende Anhänglichkeit an erprobte Freunde leuchten aus allen Briefen Heinc's hervor, und werden ihm von Jedem nachgerühmt, der mit ihm in näherem Verkehre stand. So ungern er sonst über sich scherzen ließ, durfte doch Campe sich man chen Spaß mit ihm erlauben, den er jedem Anderen stark verdacht hätte. „Ter Börne kostet Ihne» zu viel", sagte Heine eines Tages im Campc'jchen Buchladcn, „und er will immer »och nicht ziehen." — „Aber Börne wird ziehen, wenn Sic lange vergessen sind", gab Campe zurück. — „Schade nur", spottete Heine, „daß so lange daraus gewartet werde» muß!" — „Ucbcrmuth thut nicht gut", rcplicirte Campe. „Sic halten sich jetzt für den Abgott des Publi kums, und sprechen: Du sollst nicht andere Götter haben neben nur. Aber Sic stehen in einem Tempel der Literatur, dessen Priester ich bin. Ich nehme die Opjergabcn in Empfang, deren Höhe am sicher sten beweist, zu welchem Coursc das Volk seine Götter taxirt. Und ich sage Ihnen: das Volk verehrt neben dem Heinrich Heine noch viele andere Götter. Ta sind zum Exempel der Schiller und der Goethe, denen die klingenden Opsergabcn Heuer »och immer viel reichlicher fließen, als dem Opserstocke, den ich für Heinrich Heine aufgestellt." Diese Unterhaltung gibt zugleich ein amüsantes Bei spiel der bildliche» Redeweise, deren sich Campe bei seinen Gesprächen mit Vorliebe und oft mit dem glücklichsten Mutterwitz bediente.... Miscellcn. Der Betrug des A. Dühr in Stralsund. — Es soll hier nicht der Entrüstung Ausdruck gegeben werden über den geplanten Gaunerstreich des A. Dühr in Stralsund, von welchem das nun auch im Börsenblatt! veröffentlichte Circular des Hrn. Pippow - Hingst daselbst mit dem Nachworte des Hrn. Franz Wagner in Leipzig den Buchhandel in Keuntniß gesetzt hat; dieser aber ist es sich schuldig, alles daran zu setzen, nicht nur, daß dem Gauner sein Raub ab- genommcn, sondern seine Person selbst dem Zuchthausc übergeben werde. Das Deutsche Reich steht mit allen civilisirten Staaten der Welt jetzt in Cartcll-Vertrag wegen Auslieferung gemeiner Ver brecher; wohin der Dühr auch geflohen — er wird sammt sei nem Raube ausgcliejcrt, sobald sein Aufenthalt ermittelt ist. Sicher bedarf es nur dieser Aufforderung und Hr. Franz Wagner i» Leipzig übernimmt cs, die Schritte zu thun, dies hcrbcizufiihrcn. Die preußische Criminalpolizei ist dazu ohne Schwierigkeiten zu ge winnen; von den täis. deutichcn Gesandtschaften und Consulaten unterstützt, wird cs ihren geschickten Beamten, welche schon manchen Gauner von jenseit des Occans vor den deutschen Strafrichter ge führt, gelingen, de» Aufenthalt des Dühr zu ermitteln. Die Kosten solcher Procedur, inclusive der für die Reise zweier Criminalbeamten nach dem Aufenthalte des Verbrechers u. s. w., können 1000 Thaler betragen; unbedenklich werden diese, sobald Hr. Wagner erklärt, daß er die Sache durchzuführcn bereit ist, durch einen Bci- 219*
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