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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.05.1874
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- Erscheinungsdatum
- 20.05.1874
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Theil. ^«114, 20. Mai. scharfe Beobachtungsgabe, durch einen selbständig denkenden Geists der alles Neue aus dem Felde der Literatur und Politik vorurtheils- j frei entgegenuahm, und durch eine genaue Kenntniß aller Ressourcen des buchhändlerischen Geschäftes, die er mit kühnster Energie und durchtriebenster Schlauheit zu benutzen verstand. Er durfte sich mit ^ Recht in den meisten Fällen aus die Sicherheit seines Urtheils über die Absatzsähigkeit der ihm angebotenen Manuscripte verlassen. Berühmte Namen und fremde Empfehlung imponirten ihm nicht; et suchte im Gegenthcil mit Vorliebe die Werke junger, noch un bekannter Schriftsteller zu verlegen, und empfand die aufrichtigste i Freude, so oft es ihm vergönnt war, ein neues, vielverhcißendcs Ta lent unter der Aegidc seiner mächtigen Firma in das Kampsgctüm-1 mel der literarischen Arena hinaus zu senden. „Wollen Sie wissen", sagte er mir einige Jahre vor seinem am 14. November 1867 er folgten Tode, „durch welches Mittel ich mir die Geistessrische und den regen Anlheil an allen politischen und literarischen Dingen bis aus den heutigen Tag bewahrt habe? Ich wollte nicht alt werden, ich wollte nicht hinter der Zeit zurückblcibcn; darum freute es mich oft heimlich, wenn die Schriftsteller, welche ich in die Literatur cin- gesührt, mich später verließe», weil andere Firmen ihnen ein höheres Honorar in Aussicht stellten. Nur die Pietät hätte mich vielleicht abgehalten, ihnen selbst den Laufpaß z» geben, denn ich dachte , sie wandeln heute oder morgen schon den Berg hinab, — nnd ichwollte, so lang meineFüßc mich trügen, mit Denen fortschrciten, deren Bahn auswärts geht. Die Jungen sind cs allemal, denen die Zukunft ge hört; indem ich mich ihnen anschloß, war ich sicher, immer dem Fort schritte treu zu bleiben. Sic werden das egoistisch finden — nun ja, aber ich empfehle Ihnen das Mittel als probat", schloß der Alte mit selbstzufriedenem Schmunzeln. Diese Acnßernng charaktcrisirt den vielgewandteu Ulhß des Buchhandels, der mit einer durch nichts zu schreckenden Festigkeit und mit feinster Strategie feine klug ersonne nen Geschäftsplänc verfolgte, behaglichdenrcichenGewinncinjäckclnd, den seine Unternehmungen ihm eintrugen, aber auch heldenmüthig das Gefährlichste wagend, um den Freihcitsmanisestcn der jungen Literatur Eingang in Palast und Hütte zu verschaffen. Daß der größte Theil seines Verlages mit Absicht im Dienste derFortschritts- idcen des Jahrhunderts stand, daßJulinsCampc ein klares Bewußt sein von dem an- und aufregenden Inhalt der Schriften hatte, die aus seiner Osficin hervorgingen, daß er mündlich wie schriftlich den geistvollsten Verkehr mit den Autoren seines Verlages pflog, und neben dem materiellen auch einen ideellen Autheil an ihren Erfolgen nahm, alles dies machte seinen Buchladen zu einem Rendezvous- Platze der bedeutendsten Geister, und der Einfluß, den sein erfahre ner Rath und sein ehrlich derbes Urtheil auf die Entwickelung man ches jungen Schriftstellers übten, ist nicht gering anzuschlagen. Selbst Heine, der sich in seinen Briefen so oft über Mangel an Rück- sichtsnahme aus seine billigsten Wünsche beschwerte und mit Campe in beständig wicderkehrenden Differenzen lebte, zollte der buchhänd- lerischcn Einsicht und dem geistigen Scharfblick desselben das höchste Lob, er sprach es nicht bloß in den bekannten Versen des „Wintcr- märchens", sondern auch gegen seine Freunde bei jeder Gelegenheit offen aus, einen wie großen Theil seiner Erfolge er dem klugen Eifer Campe's verdanke, nnd wir werden später sehen, daß die warnende Stimme des Letzteren ihn von mancher Uebereilung zurückhielt, ihn zur Acnderung manches unnütz provocircnden Ausdruckes bewog. „Campe schreibt einen allerliebsten Briesstyl", heißt cs in einem Briese Hcine's an Mcrckcl. „Er könnte sich wahrhaftig feine »Reisc- bilder selbst schreiben; man darf's ihm nur nicht sagen, sonst werde ich überflüssig." In der That waren Campe's Briefe das Gcgen- theil geschäftlicher Gemeinplätze, und selbst in späteren Jahren mochte er niemals ein ihm angebotenes Manuscript zurücksenden, ohne tie Ablehnung durch ein ausführliches Eingehen auf den Werth und Charakter der betreffenden Production zu motiviren. Hin und wieder kam es vor, daß eitle Autoren ihm solche Bemerkungen über ihre Arbeit verübelten; die meisten aber werden ihm im Stillen für den Beweis geistiger Antheilnahme gedankt haben, den er durch seine freimüthigen Ausstellungen an den Tag legte. Besonders glücklich war Campe in der Erfindung prägnanter Buchtitel. Er war es, der Wienbarg's aus der Universität zu Kiel gehaltene Bor träge mit dem bezeichnenden Namen „Aesthetische Feldzüge" taufte und den Verfasser aus den Gedanken brachte, sein Buch „dem jungen Deutschland" zu widmen. Und wenn er einstmals seinen Freund Heine nicht eben angenehm überrascht hatte, als er dessen Denkschrift über Börne unter dem zweideutig herausfordernden Titel: „Heinrich Heine über Ludwig Börne" in die Welt sandte, so nahm Jener um so freudiger Campe's Vorschlag an, seine letzte Gedichtsammlung, für die er selbst lange vergeblich einen charakteristischen Titel gesucht, „Romancero" zu nennen. — Einen anderen Punkt wollen wir hier gleichfalls im Vorbeigehen berühren. Ungern und selten entschloß sich Campe, ein hohes Honorar zu zahlen — auch Heine, der für jeden Band der „Reisebilder", wie für das „Buch der Lieder", ein für allemal 50 Louisd'or empfing, hat später, als sein Ruhm durch diese Werke fest gegründet war, bis zur Zeit seiner Erkrankung nur die Bauschalsumme von 1000 Mark Banco für jeden einzelnen Band seiner Schriften bezogen — doch ist süglich zu bedenken, daß Campe Jahr für Jahr die Erstlingswerke neuer, erst durch ihn in die Literatur eingeführter Schriftsteller verlegte, und dabei das Risico ansehnlicher Verluste trug. In den meisten deutschen Staaten war sein ganzer Verlag von der Julircvolution bis zum Jahre 1848 verboten, und es bedurfte der raffinirtesten Manipulationen, um die Bücher dennoch unter die Leser zu bringen und Zahlung von den Sortimentern zu erlangen, denen ein discretionäres Vertrauen geschenkt werden mußte — was hätten gerichtliche Klagen genützt, wo das Verkaussobjcct in eingeschmuggelter, confiscirlicher Waarc bestand? Zudem mußten starke Auflagen gedruckt und die Exem plare von vornherein in bedeutender Anzahl überallhin verschickt werden; denn hatte ein Buch erst das Aufsehen des Publikums und der Polizeibehörden erregt, so hielt es oftmals schwer, Nachbestellun gen zu effectniren; die Ballen, welche unter der oberen und unteren Schicht harmloser Grammatiken oder unschuldiger Novellen das ver pönte Werk eines jungdeutschen Schriftstellers bargen, wurden dann an der Grenze doppelt scharf revidirt, und gelangten häufig niemals an ihren Bestimmungsort. Ganze Auflagen solcher Bücher wurden zuweilen unter scheinloscm Titel bis ins Herz von Oesterreich hin unter geschafft; die Sortimcntsbuchhändler nahmen sie in Empfang, rissen lächelnd das falsche Aushängeschild ab und klebten das richtige Titelblatt ein, das ihnen lange vorher auf anderem Wege zugekom men war. Auch glaube man nicht, daß alle Verlagsartikel einen klingenden Gewinn einbrachten; selbst die Werke der besseren Schrift steller wurden oftmals in der ersten Zeit ihres Erscheinens nur schwach begehrt; so ist uns bekannt, daß Börne's gesammelte Schrif ten, die Campe schon 1829 herausgab, erst durch die „Briese aus Paris" eine gesteigerte Nachfrage und einen lohnenden Absatz san den. Und schon die ersten zwei Bände der „Briese aus Paris" wur den in allen deutschen Bundesstaaten mit solcher Erbitterung von den Schergen der heiligen Hermandad verfolgt, daß Campe die späteren Theilc unter dem irreführenden Titel: „Zur Länder-und Völkerkunde" und unter einer fingirten Pariser Firma veröffent lichen mußte, wobei es gänzlich dem guten Willen und der Ehren haftigkeit seiner Geschäftscollcgen anhcimgestellt blieb, ob sie für das Empfangene Zahlung leisten oder die unmögliche Klage der aus dem Titel genannten, in Wirklichkeit nicht existircnden Firma „L. Bru nei" abwartcn wollten. So mag es immerhin wahr sein, daß, wie Heine einmal klagt, der große Absatz seiner Werke zuweilen die Aufgabe hatte, den Verlust anderer Unternehmungen zu decken, um somehr als der alte Campe, ungleich manchen seiner College», an
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