Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.03.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 25.03.1899
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18990325
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189903251
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18990325
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-25
- Monat1899-03
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
2312 Nichtamtlicher Teil. 70, 25. März 1899. Nichtamtlicher Teil Sintenis, I., Die Pseudonyme der neueren deutschen Litteratur. Vortrag, gehalten zu Dorpat am 29. November 1896. (gr. 8°. 31 S.) Hamburg 1899, Verlagsanstalt u. Druckerei A.-G. (vorm. I. F. Richter). Generaltitel: Sammlung gemein verständlicher Vorträge rc. (N. F. 13. S.) Heft 310. Der Verfasser vergleicht die Pseudonymität und Anony mität der Schriftsteller zunächst mit dem Jncognito fürstlicher Personen, die, um in fremden Landen sich freier bewegen zu können, einen falschen Namen annehmen, oder auch, um mit den Unterthanen unerkannt verkehren zu können, verkleidet oder maskiert erscheinen. — Bei den Schriftstellern früherer Jahrhunderte wirkten indessen gewichtigere Gründe zur Verbergung des Namens mit. Cs waren die Gefahren des Gefängnisses, des Scheiterhaufens oder des Prangers, die das freie Wort in dieser oder jener Form von jeher stark bedrohten. Das Schicksal eines Hus und Savonarola, eines Giordano Bruno und Galilei mahnten zur Vorsicht. Auch Daniel Defoe und Voltaire (damals noch unter seinem eigentlichen Namen Arouet) mußten ihren Freisinn mit Kerkerhaft büßen. So kam es, daß gerade die besten Bücher der letzten Jahrhunderte, besonders der Franzosen, wie Pascal, Fsnelon, Montesquieu, Voltaire, Rousseau, Holbach u. a. den Verfasser und Druckort zu verheimlichen suchen mußten. Für französische Bücher wählte man oft den falschen Druckort Amsterdam, London, Köln, Frankfurt, fiir deutsche Amsterdam, Philadelphia, Köln, Freystadt. Spuren der Pseudonymität glaubt man übrigens schon im Altertum zu finden. So bei dem problematischen Homer. Auch Lenophon soll sich unter dem Pseudonym Themistogenes haben verstecken wollen. — Firdust und Hafis waren nur die lobenden Beiwörter der eigentlichen persischen Namen. — Plato hieß eigentlich Aristokles, doch wird diese Umwandlung nicht als Pseudonym angesehen. Zur Liebhaberei wurde die Pseudonymität bei Joh. Fischart, der seinen Namen unter allerhand Wortbildungen .verbarg. Ebenso schrieb der Verfasser des Simplicissimus, Grimmelshausen, unter mancherlei sonderbaren Anagrammen. Die Spielereien, die von den Mitgliedern der Dichter orden des siebzehnten Jahrhunderts mit der Bildung eigen tümlicher Beinamen getrieben wurden, sind bekannt. Be sonders stark waren darin die 1617 in Weimar gegründete »Fruchtbringende Gesellschaft« oder der »Palmenorden« und die 1644 gestiftete »Gesellschaft der Blumenschäfer« an der Pegnitz in Nürnberg. Einige unserer großen Klassiker hatten Gründe, wenige ihrer Erstlingswerke anonym erscheinen zu lassen, so Klopstock, Goethe und Schiller. Schillers Anthologie von 1782 erschien bekanntlich auch mit dem falschen Druckort: Tobolsk. Pseu donym ist Goethe nur mit einigen Gedichten im Musen- Almanach von l799 aufgetreten, und zwar als Justus Amman. Wirkliche Bedenken, mit dem Namen offen hervor- zutreten, wurden immer seltener, auch ließ sich Anonymität und Pseudonymität immer seltener lange wahren. Aus nahmen machen u. a. der Verfasser der 1769—72 in Eng land erschienenen Juniusbriefe, Sir Philipp Francis, und Karl Postel, der Verfasser der unter dem Pseudonym Seals- field erschienenen Romane. Von diesen einleitenden Bemerkungen geht der Verfasser zu dem eigentlichen Kern seiner Schrift über, indem er die meist einfache Entstehungsweise der Pseudonyme nachzuweisen sucht. — Einen Uebergang vom Anonym zum Pseudonym bildet die Heranziehung der Titel von anonym erschienenen und beifällig aufgenommenen Werken. So verbarg sich Hippel hinter dem »Verfasser der Lebensläufe«, Henriette Paalzow hinter der »Verfasserin von Godwie-Castle«, Walter Scott »der große Unbekannte« hinter dem »Verfasser von Waver- ley« u. s. w. u. s. w. Die Anerkennung, die das früher veröffentlichte Werk gefunden hatte, verhalf auf diese Weise den Verfassern zu weiteren Erfolgen. Eine weitere Art, seinen Namen zu ändern, ist die Wahl der Vornamen statt der Familiennamen. Beispiele: Jean Paul und Theod. Hermann (Pantenius). — Zuweilen wird der Anfangsbuchstabe des Familiennamens dem Vor namen vorangesetzt. So wird aus Rudolf Bunge: B. Ru dolf, aus Otto Münzer: M. Otto. — Oft wird nur ein Vorname als Pseudonym benutzt. — Mehrsilbige Familien namen werden um eine oder mehrere Silben verkürzt: Braun schild wird Braun, Buchholtz: Buch, Anzengruber: Gruber, Bettelheim: Tellheim rc. Verlieren die Namen in dieser Weise öfter an Originalität, so gereicht bei sonst zu weit schweifigen Namen die Kiirzung eher zum Vorteil, wie man dies bei Nikolaus Lenau, Leo vou Dierkes u. a. findet. Der selbe und andere Gründe führten zur Verlängerung kurzer Namen. So wurde aus Asch: Aschenborn, aus Bküller: Nesmüller, aus Schmidt: Hartschmidt u. s. w. In einfacher und doch nicht sofort kenntlicher Weise werden Vor- und Familiennamen zuweilen zusammengezogen. G. Bauer wird Gebauer, B. Seke: Beseke, Julius Kopf: Juliuskopf, Karl Weiß: Karlweiß u. s. w. — Noch origi neller ist die verdeckte Bildung von Vexiernamen wie G- R. Obian, Leo Pard u. s. w. Vielfach kommt die Bildung der Pseudonyme durch Anagramme und Palindrome vor. Besonders bei Heran ziehung der Vornamen bietet das Anagramm einen weiten Spielraum. Indessen laufen Geschick und Ungeschick neben einander her, und klangvollen Namen stehen weniger ge schmackvolle Namen gegenüber. Beim Palindrom kommen leidliche Pseudonyme nur ausnahmsweise vor. Einzelne Anagramme wie Voltaire und Martin Greif (Friede. Herm. Frey) gingen dagegen sogar ins bürgerliche Leben über. Die Wahl gleichbedeutender Namen für den eigenen kommt öfter vor, so Eben für Flach, Reineke für Fuchs, Gregor VII. für Hildebrandt, Forst für Wald u. s. w. Auch Verwandt schaften und Gegensätze in der Bedeutung der Namen spielen bei Bildung der Pseudonymen eine Rolle. Aus Sperling wird Fink, aus Lilie: Rose, aus König: Kaiser, aus Fischer: Fleischer, aus Bauer: Biedermann, aus Schwarz: Weiß u. s. iv. Nicht selten wurden berühmte Namen der Welt- und Litteraturgeschichte als Pseudonyme gewählt, so: Barbarossa, Eginhard, Wallenstein, Aesop, Claudius, Hutten u. s. w. Wir erfahren, daß es sogar einen zweiten Jean Paul giebt. — Auch aus Dichtungen wurden öfter Namen gewählt. Der inr 16. Jahrhundert übliche Brauch, die Namen ins Griechische und Lateinische zu übersetzen, kommt auch jetzt noch vor. Bauer wird Rusticus, Berger: Montauus, Groß: Magirus, Baumstock: Deudrosthenes, Hausmaun: Oekander, Esperance von Schwarz: Elpis Melena u. s. w. Auch die Uebersetzung in lebende Sprachen kommt vor. Aus vielen Pseudonymen spricht die Absicht, den Charakter der unter den fraglichen Namen erschienenen Schriften an zudeuten, so bei Jugendschriften: Onkel Ludwig, Tante Hedwig rc. Eigenschaftsworte wie: Frisch, Flott, Fröhlich, Glückselig sprechen für sich selbst. Andere Namen sollen Gottvertrauen, Freiheits- und Vaterlandsliebe, Friedfertig-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder