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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.02.1899
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- Band
- 1899-02-15
- Erscheinungsdatum
- 15.02.1899
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil Beiträge ;ur Kulturgeschichte von Berlin. (Vgl. Börsenblatt Nr. 26.) II. L Der beliebte Romanschriftsteller und Berliner Chro nist, Max Ring, der früher als Arzt in Schlesien thätig war und 1850, damals dreiunddreißig Jahre alt, nach Berlin kam, trat um jene Zeit in freundschaftliche Beziehungen zu dem Diplomaten und Schriftsteller Varnhagen von Ense, dessen Hausarzt er wurde. Varnhagen war der Gatte der genialen und gemütvollen Rahel, die als Mittelpunkt geistreicher Kreise belebend wirkte und mit ihrem um mehr als zwanzig Jahre jüngeren Gatten litterarische und künstlerische Berühmtheiten der Hauptstadt regelmäßig versammelte. Dieses gesellige und geistig angeregte Treiben bildet den Inhalt von Max Rings Beitrag zu der hier weiter zu besprechenden Berliner Buch händler-Festschrift. Der Verfasser gab ihm die Ueberschrift »Der letzte litterarische Salon in Berlin« und schöpft dabei recht aus der Fülle seiner Erinnerungen und seines Talentes zu anschaulicher Schilderung. Es ist ein Genuß, dein alten Herrn zuzuhören, wie er aus vergangener Zeit erzählt und uns mit scharfer Beleuchtung Persönlichkeiten und Charaktere malt. Wir müssen es ihm überlassen, wie weit seine Ueberschrift: Der letzte litterarische Salon Berlins« Berechtigung hat; aber aus seinen Schilderungen dürfen wir den Schluß ziehen, daß es zugleich auch der erste oder wenigstens einer der ersten Salons seiner Art in Berlin gewesen ist, von dem er erzählt. Denn er greift weit zurück auf die Zeit zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts, lange vor der Verheiratung Rahels mit Varnhagen, als sie noch Rahel Lewin hieß und eine Anzahl vornehmer, begabter junger Männer, die für die damals aufblühende Litteratur begeistert waren, um sich ver sammelte. Der Verfasser nennt von ihnen den genialen Prinzen Louis Ferdinand von Preußen, die beiden Hum boldts, Friedrich Gentz, Gustav von Brinkmann, Fried rich Schlegel, den Major Gualtieri, den Fürsten Reuß, Ludwig und Friedrich Tieck, Hans Genelli, die Grafen Tilp Navarra, Casa Valencia und Lippe, Diplomaten, hohe Militärs, Gelehrte, Dichter und Künstler, zu denen sich die Damen Henriette Mendelssohn, Doktor Herz, Frau von Humboldt und die Gräfin Schlabrendorff gesellten. Ihr »Salon« hat mit seiner Fortsetzung durch ihren Gatten bis zu dessen Tode im Jahre 1858 bestanden, umfaßt also mehr als ein halbes Jahrhundert. Ring erwähnt ausdrücklich, daß erst Rahel es war, die in Berlin einen solchen Mittelpunkt verwandter Seelen nach dem Pariser Vorbilde der Frau von Tencin, der Recamier, Necker, Stael und anderer schöner und geistreicher Damen schuf. In dieser ausgewählten Gesell schaft wurden die Zeitfragen, Probleme der Wissenschaft, Litteratur und Kunst mit Vorurteilslosigkeit, Feinheit und Tiefe besprochen, ernst oder witzig, immer aber mit Geist abgehandelt, und Rahels Salon übte einen bedeutenden Einfluß auf Bildung und Geschmack der maßgebenden Berliner Kreise. Als sie sich 1814 mit Varnhagen von Ense verheiratete, blieben ihr die alten Freunde treu, und ihr Salon bildete nach wie vor den Anziehungspunkt für die beste Gesellschaft. Die durch Geist und Herz gleich ausgezeichnete Frau starb im Jahre 1830; aber ihr »Salon« überlebte sie. Er ging als pietätvoll bewahrtes Erbe an ihren Gatten über, der die alten Traditionen pflegte und ehrte und durch seine eigenen Neigungen, seine Kenntnisse und geselligen Gaben auch vor züglich hierzu-befähigt war. Er bewohnte das Haus des Grafen Königsmark, des Schwiegervaters des Dichters zu Putzlitz, Mauerstraße 36. Die alte Wohnung zeigte nach Rings Schilderung überraschende Einfachheit und völligen Mangel an Eleganz und Komfort. Ebenso einfach und klein bürgerlich war die Bewirtung; als Dame des Hauses repräsentierte seine Nichte Ludmilla Assing, die spätere Herausgeberin seiner bekannten »Tagebücher«. Max Ring, der, wie bemerkt, erst 1850 in diesen Kreis eintrat, entwirft ein scharf beleuchtetes und lebensvoll ge zeichnetes Bild dieser Häuslichkeit, insbesondere widmet er dem Hausherrn selbst eine kurze Beschreibung seines Lebens ganges und eine ausführlichere seiner glänzenden Gaben und seiner mehr weiblichen, oft widerspruchsvollen und leiden schaftlichen Charaktereigenschaften. Nicht minder interessant ist die Schilderung der zahlreichen alten und jungen, mehr oder weniger hervorragenden, männlichen und weiblichen Personen, die diesen Kreis beleben. Er nennt viele und darunter nicht wenige berühmte Namen, deren Träger sich des Nachmittags von 5 bis 8 Uhr in den bescheidenen Räumen versammelten und eine zwanglose Unterhaltung pflogen, Herren und Damen von Stande, Gelehrte, Litteraten, Künstler, teils auf der Höhe des Ruhms, teils aufstrebende Talente, Schauspielerinnen, Sängerinnen, alles in vorurteils loser, geistvoller Geselligkeit aus gleichem Fuße miteinander verkehrend. lieber den herrschenden Ton sagt Ring: »Man würde sich eine falsche Vorstellung von diesen unvergeßlichen Abenden machen, wenn man glauben sollte, daß in diesen Gesellschaften hauptsächlich litterarische, wissenschaftliche oder politische Interessen vorgeherrscht hätten oder der sogenannte Berliner ästhetische Ton angeschlagen worden wäre. Im ganzen kann man sich keine harmloseren und ungezwunge neren Gespräche denken. Man lachte, scherzte und neckte sich, obgleich auch Ernst und Tiefe nicht ausgeschlossen waren und die besten Formen, aber ohne StMheit und Pedanterie, be obachtet wurden«. Von den mit Namen hervorgehobenen und nach der Art ihrer Persönlichkeit geschilderten ständigen Teilnehmern dieses Cirkels nennen mir außer Varnhagen selbst, der als liebens würdiger und heiterer Wirt immer das belebendste Element des Kreises war, den früheren Ministerpräsidenten General von Pfuel, den genialen Fürsten Pückler - Muskau, den Novellisten Freiherr» Ungern-Sternberg, Karl Eduard Vehse, das bekannte Lnkmtt tsrribls der großen Welt, Gott fried Keller, Ferdinand Lassalle, Professor Dirichlet, Felix- Mendelssohn, den Orientalisten Zunz, den Schriftsteller Steffens, den Gelehrten vr. Ascherson, den Rechtsanwalt Hiersemenzel, Ludmilla Assing, die Gräfin Elise von Ahle- feldt (Freundin Jmmermanns), Frau von Treskow (bekannter unter dem Namen Generalin von Zielinski) und ihre talent volle Tochter Ada «pseud.: Günther von Freiberg), Gisela von Arnim, Gräfin Clotilde von Kalkreuth, Johanna Neander, die Schwester des berühmten Theologen, Aline von Schlicht- krull, die frühverstvrbene Romanschriftstellerin, die Hofschau spielerin Lina Fuhr, die dramatische Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient. Besuchsweise fanden sich auch Fremde von Ruf ein, unter ihnen Carlyle, Lewes, der Biograph Goethes, späterer Gatte der Miß Evans (George Eliot), Ludwig Uhland und andere Träger berühmter Namen. 1858 starb Varnhagen, und der Kreis löste sich auf. Ludmilla Assing, deren Tagebücher-Veröffentlichung ihr eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung zugezogen hatte, flüchtete, nach Florenz, fand aber ihr bescheidenes Berliner Glück in der Fremde nicht wieder und verfiel schließlich in Geistes krankheit, von der sie bald darauf der Tod erlöste. Max Rings Schilderung ist einer der unterhaltendsten
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