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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.08.1894
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- Erscheinungsdatum
- 09.08.1894
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- Deutsch
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4 752 Nichtamtlicher Teil. 183, 9. August 1894. Kredit des Landes nach gar nicht voll übersehe» werden kann, über deren Unzweckmäßigkeit, Ungerechtigkeit und Verwerflichkeit aber unter Sachkundigen (Anwälten und Richtern) und bei denen, die darunter bluten müssen, jetzt schon nur eine Stimme der unbedingten Verurteilung herrscht. Wessen Schuldner im Handelsregister steht, der hat also ein sehr kurzes, rasches, zweckmäßiges Mittel, um zur Zahlung seines Guthabens zu gelangen: die Betreibung auf Kon kurs. Wessen Schuldner nicht im Handelsregister steht, der ist auf den Weg der Pfändung, auf die Pfändungsbctrei- bung verwiesen. Das letztere ließe sich am Ende noch hin- nchmcn, wenn unser Pfäudungsvcrfahren etwas taugte! Es ist aber hbchst kompliziert und unübersichtlich, hat eine Menge juristischer Haken und Klippen, ist dem Schuldner und dem Vetreibungsbeamteu gegenüber von seiten des Gläubigers außerordentlich schwer zu kontrollieren, ist teuer und führt häufig nicht zum Ziele. Ich kann das am besten zeigen, wenn ich es mit dem Pfäudungsvcrfahren Deutschlands vergleiche. Da sind folgende wichtige Unterschiede. 1. Es entsteht bei der schweizerischen Pfändung kein Pfandrecht. Die Sachen des Schuldners, von denen auch, wie in Deutschland, ein großer Teil unpfändbar ist (nur so, daß die Grenze des Pfändbaren und des Unpfändbaren leider vielfach ins Ermessen d. i. ins Belieben des Bctreibungs- beamten gestellt und nicht durchs Gesetz selbst sicher und klar umschrieben ist) werden einfach von Beamten ausgeschrieben und später nach Ablauf gewisser Fristen versteigert. Gicbt Schuldner seine Insolvenz ein, bevor der Zuschlag bei der Ver steigerung erfolgt ist, so fallen die gegen ihn stattgefundcnen Pfändungen wie ein Kartenhaus zusammen, und die scheinbar gedeckten Forderungen sind gewöhnliche laufende, vielleicht wert lose Konkursforderungcn, haben kein Recht auf abgesonderte Be friedigung. Sich selbst in Konkurs bringen kann der Schuldner; auf Antrag des Gläubigers in Konkurs gebracht werden kann nur der registrierte Schuldner. Damit hat der Schuldner — das leuchtet ein — eine Waffe gegen den drängenden Gläubiger be kommen, von der er den ausgiebigsten Gebrauch zu machen weiß. Von heute auf morgen kann er die durch Pfändung mühsam errungene Deckung wertlos und alle Gläubiger gleich machen. - 2. In Deutschland ist die Pfändung kraft Gesetz auch Be- sitzcsentziehuug. Bei uns behält Schuldner den Besitz. Man muß, um die amtliche Verwahrung der gepfändeten Sachen zu bewirken, erst ein besonderes Begehren stellen. Und dann wird dem Gcsuchstcllcr vom Bctreibungsamt erst Frist gesetzt, um die Kosten der Aufbewahrung zu deponieren. Diese Koste» sind meist ziemlich hoch: der Mietzins für eine Knmmer, in die die Sachen gebracht werden müssen, und zwar wird dann gleich '/j oder '/z Jahr Zins gerechnet. Da vergeht dem Gläubiger die Lust, dem Schuldner die Sachen zu nehmen. Jener behält sie, gebraucht sie, verbraucht sie vielleicht und kann sie giltig verkaufen; er macht sich dabei freilich der Unterschlagung schuldig; wenn aber der Käufer in guter Treue ist (und das ist er bis zum Nachweis des Gegenteils), so ist der Gegenstand rechtsgiltig veräußert, ist weg und bleibt weg, und der Gläubiger hat das Nachsehen. 3. In Deutschland hat der, welcher pfändet, das Vorrecht vor denjenigen Gläubigern, die (wenn auch nur eine Stunde) später pfänden lasse» als er. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Bei uns muß der Pfändende sein Recht teilen mit allen den jenigen Kreditoren, die innerhalb der nächsten 30 Tage das Pfändungsbegchren stellen. Der Beamte soll zwar die Pfändung dann von Amtsivegeu »ergänzen, er soll ins Haus gehen und neue«, weitere Pfänder aufschreibcn. Aber dabei kommt sehr oft nichts heraus. Die Pfändungen müssen ja laut Gesetz dein Schuldner 3 Tage vorher amtlich angekündigt werden, damit er durch Bezahlung der Vollziehung der Pfändung, die doch immer unangenehm und bei den Hausgenossen Auf sehen erregend ist, zuvorkommen kann, was bei respektablen Leuten auch ganz recht, bei ausgeschämten Schuldnern aber für den Gläubiger verhängnisvoll ist. Was an Wertstücke» vorhanden ist, wird inzwischen weggcbracht, und wenn der Beamte kommt, ist außer den sogenannten Kompcteuzstücken gewöhnlich nichts mehr da. Es folgt ein sogen, leerer Pfandschein (»ungenügende Pfändungsurkundc ) unter Nachnahme der Pfändungstaxc. Diese Nachnahme ist immer sicher. Es ist oft der reinste Hohn! In Deutschland bekommt der Gerichtsvollzieher, der meines Wissens, außer in Sachsen, überall in seinem Einkommen auf diese Gebühren angewiesen ist, nur die halbe Taxe, wenn er bei der Pfändung oder bei der Wegnahme des Gepfändeten nicht volle Deckung hercinbringt. Bei uns sind die Taxen gleich hoch, für leere wie für gedeckte Pfänduugsurkundeu. Es ist also der Betreibungsbeamte bei uns in keiner Weise am Resultat der Pfändung interessiert, und seine Thätigkcit ist nach der Ansicht aller Kundigen (ich kenne nur ganz vereinzelte Aus nahmen) mechanisch, bureaukratisch; die Form wird erfüllt, und die Nachnahmen werden bezogen, fertig! Im Gesetz ist auch nirgend das Recht ausdrücklich vorgesehen, der Pfändung bei wohnen zu dürfen. Gläubiger und Gläubigervertretcr müssen cs als besondere Gunst des Betrcibungsbcamtcn anscheu, wenn sic mitgehen dürfen. In der That kommt der Beamte dadurch auch angesichts des Mangels einer solchen, ausdrücklich dies erlaubenden Vorschrift nur in Verlegenheit; der Schuldner kann ihm sagen: Was will der Mann, ich dulde ihn nicht in meinen Räumen, hinaus mit ihm! 4. lind nun kommt die Frage der Unabhängigkeit der Beamten in der Schweiz! Ich kenne eine Anzahl von Be- treibungsbeamtcn, die, trotzdem, daß sie alle 3 Jahre beim Volke frisch in Wiederwahl kommen, eine Unabhängigkeit und Selbständigkeit beim Pfänden an den Tag legen, die bewundernswert ist. Ich kenne aber auch welche, die nicht das mindeste Vertrauen verdienen, die cs sich förmlich zur Aufgabe machen, den Schuldnern durchzuhclfcn, ihre Freude auch gar nicht verbergen, wenn für den Gläubiger, der meist weit weg und vor dessen Geschütz sie als zürcherische Beamte so ziemlich sicher sind, nichts heranskommt. Und diese Leute erfreuen sich einer beneidenswerten Popularität. Sie haben ein Herz fürs Volk, für de» Kleinen und Gedrückten. Nach Ablauf der dreijährigen Amtsdauer werden sie wiedcrgcwählt. Hier hat die heutige Republik, die ich meinerseits als Staats- form achte und schätze, man mag mir sagen, was man will, ganz entschieden einen wunden Punkt. 5. Auch das ist schlecht am Gesetz, daß wir nicht, wie im Reich drüben, den Offenbarungseid kennen, und daß wir nicht wenigstens wie dort verlangen können, der Schuldner solle einmal selber Hinsitzen und seine Vcrmügensstttcke aufschreiben und das Verzeichnis vorlegcn. Es heißt im Gesetz einfach: Schuldner habe, soweit dies zu einer genügenden Pfändung nötig ist, seine Vcrmögcnsgcgenstünde »anzugeben . Wie er das macht, ist seine Sache. Und was der Betreibungs- benmte nicht sehen will, sicht er nicht, was er nicht hören und fragen will, hört und fragt er nicht. Weiter heißt cs in dem bezüglichen Artikel (91): »Dem Beamten seien auf Ver langen Räumlichkeiten und Behältnisse zu öffnen. Er könne nötigenfalls die Polizeigcwalt in Anspruch nehmen . Mir ist kein Fall bekannt, daß einmal die Polizei zur Pfändung zugc- zogen worden wäre. Bezeichnend sind namentlich die Worte > auf Verlangen«. Was hat auch unser Gesetzgeber sich für Jdcal- gestalten von Betreibungsbeamten gedacht, als er seinen Pfändungsparagraphen nicdcrschrieb? Das sind doch wahr haftig auch nur Menschen, und nun stelle man sich in ihre Schuhe, wem: sie einem ohnehin geplagten Schuldner gegen über in dessen Wohnung Sachen aufschrciben müssen, die nachher verkauft, vielleicht demnächst wcggenommcn werden.
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