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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.01.1897
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- 14.01.1897
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323 Nichtamtlicher Teil. 10, 14. Januar 1897. Nichtamtlicher Teil. Entscheidungen des Reichsgerichts. (Aus der -Besonderen Beilage zum Neichsanzeiger- 1896 Nr. 4.) Oe ff entliche Beschimpfung einer Religionsgesellschaft. Begriff der Beschimpfung. Strafgesetzbuch tz 166. In der Strafsache gegen den Redakteur K. S. zu B. hat das Reichsgericht, Zweiter Strafsenat, am 2. Juni 1896 auf die Revision der Staatsanwaltschaft für Recht erkannt: Das Urteil der Achten Strafkammer des K. pr. Landgerichts I zu B. vom 17. Februar 1896 wird nebst den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben; die Sache wird zur ander weiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz, und zwar an das K. pr. Landgericht II zu B., zurückver wiesen. Gründe. Gegen den Angeklagten war auf Grund der M 41, 166 des Strafgesetzbuchs in Verbindung mit Z 20 des Reichs-Preßgesetzes vom 7. Mai 1874 das Hauptverfahren eröffnet worden, weil er hinreichend verdächtig erschien: im Oktober 1895 zu B. als verantwortlicher Redakteur der am 6. Oktober 1895 erschienenen Nr. 80 des 4. Jahrganges der periodischen Druckschrift: -D. G.» durch den Artikel -der jüngste Ritualmord- öffentlich in beschimpfenden Aeußerungen Gott gelästert und dadurch ein Acrgernis gegeben, sowie die mit Korporationsrechten innerhalb des Bundesgebietes be stehende Religionsgesellschast oder ihre Einrichtungen oder ihre Gebräuche beschimpft zu haben. Die gegen das freisprechende Urteil wegen Verletzung des § 166 eit. gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft erscheint begründet. Die ausgesprochene Freisprechung stützt sich darauf, daß in dem inkriminicrten Artikel eine »in beschimpfenden Aeußerungen- sich kundgebendc Gotteslästerung ebensowenig zu finden sei, wie die »Beschimpfung- der jüdischen Religionsgesellschast oder ihrer Ein richtungen oder Gebräuche. Der Vorderrichter geht hierbei nach der Urteilsbegründung davon aus, daß -im Anschlüsse an die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts- als -beschimpfend- nur eine solche Ehrenkränkung anzusehen sei, die eine gewisse Roheit des Ausdrucks enthalte; das Thatbestandmerkmal beziehe sich daher — so wird ausgesührt — wesentlich auf die äußere Form der Kundgebung, an sich nicht auf den Inhalt der Behauptung. Daraus wird gefolgert, daß die Aufstellung inhaltlich beleidigender Be hauptungen nach H 166 des Strafgesetzbuchs dann nicht strafbar sei, wenn die Form, ohne in Roheit auszuarten, lediglich den treffenden Ausdruck der Behauptungen bilde, was für nicht erweis lich wahre Behauptungen jedenfalls dann gelten müsse, wenn sie in gutem Glauben an ihre Richtigkeit ausgestellt würden. Indem der Vorderrichter dem Angeklagten den guten Glauben für die von ihm aufgestellte Behauptung, daß der sogenannte Ritualmord, d. h. -das Ermorden christ licher Kinder zu gottesdienstlichen Zwecken», ein alljährliches Bedürfnis des Judentums sei, um sein Osterfest und seine -große Festwoche- mit dem -Versöhnungstage» in einer dem Judengottc wohlgefälligen Weise feiern zu können, zugesteht, gelangt er zu dem Ergebnisse, daß weder diejenige Stelle, welche eine Beziehung zur Gottheit erkennen lasse, -unter den ge gebenen Umständen- etwas Beschimpfendes enthalte, noch die jenige Stelle, welche vom Ritualmorde als angeblicher Einrichtung der jüdischen Religionsgesellschast spreche, eine Beschimpfung dieser letzteren darstelle, noch endlich auch die Schilderung des jüdischen Osterfestes eine Beschimpfung von Einrichtungen oder Gebräuchen der bezeichnctcn Religionsgesellschaft sei. Die übrigen Erwägungen des Vorderrichters sind thatsächlicher Natur und entziehen sich deshalb einer Nachprüfung in der Ne- visionsinstanz. Jene oben wiedcrgegcbenen Ausführungen sind aber zum Teil durch Rechtsirrtum beeinflußt. Zutreffend geht allerdings der Vorderrichter davon aus, daß die in der Beschimpfung liegende Ehrenkränkung durch eine gewisse Roheit des Ausdrucks sich kennzeichne. Dies ist in der That auch der Standpunkt des Reichsgerichts, welches verlangt, daß der An griff beim Beschimpfen durch eine Roheit oder besonders ver letzende Form des Ausdrucks sich kennzeichne, wodurch an sich die Verachtung oder Nichtachtung dessen, was Achtung und Verehrung erfordert, kundgegcben wird. So ist der Begriff des -BeschimpsenS» in der Rechtsprechung des Reichsgerichts — vergleiche die veröffentlichten Enscheidungen des Ersten Strafsenats in den Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Band 10 Seite 147, Band 24 Seite 21; Dritten Strafsenats in den Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Band 6 Seite 90, Band 9 Seite 159, in der Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen Band 7 Seite 83, in Goltdammers Archiv Band 43 Seite 50; Vierten Strafsenats in den Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Band 22 Seite 240, Band 27 Seite 285; — insbesondere auch von dem jetzt erkennenden Senat aufgefaßt. Damit ist aber nicht gesagt, daß -beschimpfende Aeußerungen- bezw. eine -Beschimpfung- im Sinne des tz 166 des Strafgesetz buchs nur vorliegen könne beim Gebrauche sogenannter Schimpf worte. Es wird sich vielmehr namentlich fragen, ob nicht im Falle der Behauptung oder Verbreitung von Thatsachen in Bezug auf -Gott- — insbesondere den -Judengott-, d. h. den Gott nach Maßgabe der jüdischen Religionslehre — oder in Bezug auf eine Religionsgesellschast. z. B. wie hier die jüdische — oder deren Einrichtungen und Gebräuche eine Beschimpfung auch dann vorliege, wenn die behauptete oder verbreitete Thatsache an sich schimpflicher Art ist; mag auch die Form, in der die Be hauptung aufgestellt oder die Verbreitung vorgenommen wird, eine besonders rohe nicht sein, namentlich des Gebrauchs so genannter Schimpfworte entbehren. Diese Frage ist zu bejahen, zunächst schon aus dem allgemeinen Grunde, daß Thatsachen so ehrenrühriger Art denkbar sind, daß ihre Zurücksührung auf eine Person, eine Gesellschaft, auf gewisse Einrichtungen oder Gebräuche, für diese selbst geradezu schimpflich ist in dem Sinne, daß die Person rc., von welcher eine solche Thatsache behauptet oder ver breitet wird, eben wegen des Charakters derselben ohne weiteres der Verachtung preisgegeben ist. Es würde unrichtig sein, wenn man bei einer derartigen Auffassung von einer Verwechselung von Form und Inhalt sprechen und gegen jene den Vorwurf erheben wollte, daß sic entgegen dem oben ausgestellten Begriffe der Be schimpfung von der Form absehe und nur auf den Inhalt der Be hauptung Gewicht lege. Vielmehr erfüllt in Fällen dieser Art gerade der Umstand, daß die Aeußerung in der Form der Aufstellung ehrenrühriger Thatsachen geschieht, den Begriff der Beschimpsung. Diese Auffassung findet aber auch im Strafgesetzbuch selbst einen Anhalt. Durch § 189 wird mit Strafe bedroht: wer das Andenken eines Verstorbenen dadurch beschimpft, daß er wider besseres Wissen eine unwahre Thatsache be hauptet oder verbreitet, welche denselben bei seinen Lebzeiten verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet gewesen wäre. Hier bezeichnet der Gesetzgeber selbst die Behauptung oder Vcr- brciiung ehrenrühriger Thatsachen — und zwar als solche, ohne Rück sicht auf die nähere Art und Weise der Aeußerung — als -Be- schimpfung- des Andenkens eines Verstorbenen. Man wird hier auf um so mehr sich beziehen dürfen, als cs sich in den Fällen der HH 166 und 189 übereinstimmend nicht um Ehrenkränkungen handelt (denn weder Gott oder Religionsgescllschaftcn oder deren Einrich tungen und Gebräuche, noch Verstorbene können beleidigt werden), sondern vielmehr um Kränkungen des religiösen Gefühls anderer, weshalb auch noch der dem Reichstage des Norddeutschen Bundes vorgelegte Entwurf des Strafgesetzbuchs beide Vergehen in dem 11. Abschnitt des Teils II (»Vergehen, die sich auf die Religion beziehen-) behandelte. Muß hiernach davon ausgegangcn werden, daß an sich durch die Behauptung oder Verbreitung ehrenrühriger Thatsachen in Bezug auf eine andere Person und ebenso auch aus Gott, eine Religionsgesell schast oder deren Einrichtungen und Gebräuche eine Beschimpfung be gangen werden könne, so kommt weiter in Frage, ob und inwieweit dem guten oder schlechten Glauben des Behauptenden ein Gewicht beizulegen sei; dagegen bedarf es nach der Begründung des ange- fochlenen Urteils keiner Erörterung darüber, welchen Einfluß der Nachweis der Wahrheit der behaupteten oder verbreiteten Thatsache habe, denn der Vorüerrichter hat nicht fcstgestellt, daß die fraglichen Thatsachen wahr seien, diese Feststellung vielmehr für überflüssig erachtet, weil er dem Angeklagten den guten Glauben an die Richtigkeit der Thatsachen zubilligt und diesen für ausreichend hält, um die Strafbarkeit auszuschlietzen. Der bereits angezogene Z 189 des Strafgesetzbuchs stellt nur die verleumderische Beschimpfung des Andenkens Verstorbener unter Straf androhung; man wird hierin nicht einen prinzipiellen Ausdruck da für zu finden haben, daß eine Beschimpfung durch Behauptung oder Verbreitung unwahrer Thatsachen nur dann vorliegen könne, wenn sie «wider besseres Wissen- erfolge, sondern darin vielmehr lediglich eine positive Beschränkung sehen müssen, die sich daraus erklärt, daß es sich um Angriffe gegen Verstorbene handelt und daß man bei Erlaß der Strasvorschrift überhaupt bemüht war,
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