Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.02.1894
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 15.02.1894
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18940215
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189402156
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18940215
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-15
- Monat1894-02
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
38, 15. Februar 18S4. Nichtamtlicher Teil 981 Wie sieht es aber mit den reellen Bedürfnissen nach einer solchen Unternehmung aus? Unseres Wissens hat sich noch niemand beklagt, daß der öster reichisch-ungarische Buchhandel die litterarischen und pädagogischen, oder daß der österreichisch-ungarische Kunst- und Musikalienhandel unsere artistischen und musikalischen Bedürfnisse nicht zu befriedigen vermag. Im Gegenteile hat sich in den letzteren Jahren die Anzahl solcher Unternehmungen so rapid vermehrt, daß sich ins besondere in Wien bereits ein Rückschlag fühlbar macht, der sich in einem bedenklichen Geschäftsmangel dieser Branchen äußert und um so empfindlicher wirkt, als die Steuern- und Regie kosten ganz unverhältnismäßig hohe sind. Es mangelt also auch jedes Bedürfnis, sowie jede Befähigung für das projektierte Unternehmen und stehen somit auch die ge werblichen und preßpolizeilichen Gesetze und Vorschriften der Konzessionierung einer solchen Handelsunternehmung des Lehrer- Haus-Vereines im Wege II. Die Verhältnisse des Buchhandels sind, obgleich sie seit vielen Jahren auf allgemein giltigen Bestimmungen und Satzungen beruhen, wenig bekannt. So viel aber wird niemand bezweifeln, daß diese Verhältnisse im innigen Zusammenhänge mit den kulturellen Fortschritten der Staaten stehen. Viele Jahre hatte in Oesterreich der Buchhandel mit Hindernissen aller Art zu kämpfen und erst seit einigen De zennien ist er so weit gediehen, daß er den Kampf um seine Existenzbedingungen mit de» Nachbarstaaten aufnehmen kann. Wie aber in allen Geschäftszweigen, so hat insbesondere beim Buchhandel die Erfahrung gelehrt, daß derselbe zu Grunde geht, wenn Unberufene sich eindrängen. In dieser Richtung birgt der angestrebte Buch-, Kunst-, Musikalien- und Anüquarhandel des Lehrerhaus-Vereines seine eigenen Gefahren. Es ist an sich schon sehr auffallend, daß ein Verein von Männern, die dem hohen Berufe des Lehrstandes angehören, sich um die Konzession eines Handelsgeschäftes bewirbt —! Geradezu provozierend erscheint aber Punkt 4 der Genossen schaftssatzungen zur Aufwerfung der Frage, warum denn gerade nur eine Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung samt einschlä gigen Geschäften mit Lehr- und Lernmitteln geeignet sein soll, die Bestrebungen des Lehrerhaus-VereineS zu fördern. Sagen wir die -Antwort gleich offen heraus. Weil der Lehrerhaus-Verein berufsmäßig in der Lage ist, ein solches Unter nehmen zu propagieren und zu protegieren. Darüber kann sich niemand täuschen und auch die hohe Statthalterei wird sich nicht täuschen lassen. Der Lehrerhaus-Verein hat seine Mitglieder in ganz Oesterreich-Ungarn zerstreut, und jedes Vereinsmitglied ist nach den Satzungen des Vereines verpflichtet, dessen Interessen, somit auch das Interesse seiner Buchhandlung zu fördern. Jeder Lehrer in Oesterreich-Ungarn, der dem Lehrerhaus-Vereine an gehört, ist also zugleich der eifrigste Agent für seine Vereins- buchhandlung. Wenn dabei noch erwogen wird, daß der Lehrerschaft be ziehungsweise den Schuldirektoren immerhin ein wesentlicher Einfluß auf die Einführung der Lehrbücher und Lehrmittel in ihren Schulen zukommt, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß über kurz oder lang alle litterarischen und pädagogischen Bedürfnisse Oesterreich-Ungarns ausschließlich durch die »Buch handlung des Lehrerhaus-Vereins« in Wien befriedigt werden. Kinder und Eltern stehen ja unter dem Hochdrucke ihrer Lehrer, dem sie sich nicht entziehen können und deren Anordnungen sie sich zumeist auch mangels eines eigenen Verständnisses unbedingt unterordnen. Es ist bei einem solchen Zustande auch unver meidlich, daß bei der Auswahl und Einführung der Schulbücher und sonstigen Lehrmittel nicht immer die Vorzüge des Lehr buches, sondern die Privatinteressen des Lehrerhaus-Vereines Einundsechzigster Jahrgang. den Ausschlag geben, wobei auch nicht selten religiöse und poli tische Strömungen Einfluß üben. Wen» ei» Baumeister oder ein Fabrikant ein Nebengeschäft zu dem Zwecke betreibt, um seine Arbeiter mit Lebensmitteln zu versorgen, so wird das von der hohen Gewerbebehörde regel mäßig untersagt, und zwar mit Recht, weil ja der Arbeiter unter der Botmäßigkeit des Arbeitgebers steht und daher nur die Wahl hat, entweder schlechte Ware für teures Geld bei seinem Arbeitgeber zu kaufen oder aber entlassen zu werden. Sollte nicht die hohe Regierung ein noch viel höhere? Interesse haben, Schule, Kinder und Eltern vor der Mono polisierung ihrer geistigen Nahrung zu bewahren? Das Verderbliche eines solchen Monopols hat aber die hohe Regierung schon zur Zeit erkannt, als sie zur Aufhebung des staatlichen Monopoles des k. k. Schulbücher-Verlages geschritten ist. Seither ist auch der k. k. Schulbücher-Verlag in die freie Konkurrenz aller Kräfte zur Hervorbringung der bestmöglichen Schulbücher getreten, und die Folge ist, daß Schule und Buch handel im gleichen Maße emporgeblüht sind. Dieser große Vorteil, welcher durch die freie und un beeinflußte Konkurrenz im Verlage und Handel mit Büchern und sonstigen litterarischen und artistischen Erzeugnissen seit den Tagen der Aushebung des staatlichen Monopoles in Oesterreich- Ungarn hervorgerufen wurde, fiele wieder hinweg, wenn obige Konzession einem Vereine erteilt würde, welcher seinem Berufe und Zwecke entsprechend in der Lage ist, dieses Feld monopol mäßig für sich auszubeuten. Der große Organismus des öster reichisch-ungarischen Buchhandels, welcher im eifrigsten Wett bewerbe überall seine Kräfte sucht und entdeckt, dieselben zu neuen Versuchen antreibt und zu den besten Leistungen anspannt, dieser Wettbewerb wäre durch ein solches Monopol zum Still stände verurteilt. Woher soll der Verleger und Buchhändler den Mut und die Mittel nehmen, sich auf die Herausgabe und den Betrieb von Werken einzulassen, wenn er sieht, daß der Absatz nur in der Hand einer privilegierten Kaste liegt und daß alle diesbezüglichen Anstrengungen nur ein nutzloses Opfer sind, welches er der Wissenschaft und ihren Vertretern bringt? Der Wegfall solcher Unternehmungen aber würde nicht nur das Ansehen und den Aufschwung des heimischen Buchhandels, son dern auch eine große Anzahl wissenschaftlich arbeitender Männer und das gesamte geistige Leben aus das empfindlichste schädigen. Auch der Rückschlag auf die heimischen Künstlerkreise könnte nicht ausbleiben, weil auch diese auf ein gesichertes, vorteil haftes Absatzgebiet rechnen müssen, das ihnen nur eine völlig freie, unbeeinflußte Konkurrenz gewähren kann. Wir haben es hier also mit einer Gründung zu thun, die ihre Fühlhörner in alle Provinzen, ja in die kleinsten Ort schaften ausstreckt, eine Gründung, die überall, wo eine Schule existiert, ihre Bücher und Schreibrequisiten, Lehr- und Lern mittel aller Art mit Erfolg offerieren kann, weil sie über ein Heer von Agenten disponiert, die vom Staate oder von der Gemeinde besoldet sind und die es als ihre Pflicht ansehen müssen, die Interessen des Lehrerhaus-Vereines zu fördern. Daß dann diese Genossenschaft ihre Zweigvereine in allen Provinzen ausbreiten wird, ist nur eine Frage der Zeit. Diese Nachricht hat daher begreiflicherweise in dem ganzen Buchhandel Oesterreich-Ungarns, wie nicht minder bei den Schreibwarenhändlern eine heftige Aufregung hervorgerufen, die uns nötigte, zum Schutze unserer bedrohten Interessen kompe tenten Ortes vorstellig zu werden, wobei wir es den Schreib warenhändlern selbst überlassen müssen, ihre Rechte in geeigneter Weise wahrzunehmen. III. Wir haben endlich eingangs auch hervorgehoben, daß durch die angestrebte Konzession des Lehrerhaus-Vereines auch der öffentliche Unterricht und damit auch die Kulturfort schritte Oesterreich-Ungarns Schaden leiden würden. 131
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder