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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.08.1888
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- Erscheinungsdatum
- 27.08.1888
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- Deutsch
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4210 ^1° 198, 27. August 1888. Nichtamtlicher Teil. wahrend ihnen die römische Druckschrift fade, geschniegelt, ab geschliffen vorkommt, lieber Geschmack ist nicht zu streiten: der größte Meister deutscher Kunst, Albrecht Dürer, der auch die welsche Schrift kannte und dem niemand Schönheitssinn ab sprechen wird, sand die deutsche Schrift schön; der große Buch drucker Gottlob Immanuel Breitkopf in Leipzig, der Philosoph Immanuel Kant und viele andere Techniker und Gelehrte zogen die Fraktur der Antigua vor. Ja gerade in den Ländern der Antiqua wird die gotische, die Schwabacher Schrift und zwar die verketzerten Uncial-Bnchstaben als Zierschrift gebraucht; es ist älso einfach nicht wahr, daß man sie dort häßlich findet. Aber wenn auch? was geht's uns an? Wir sind Deutsche und haben gottlob nicht nötig, uns nach anderer Völker Geschmack zu richten. Aber — belehrt uns Herr Albert Hoffmann — die »so genannte deutsche Schrift« ist aus römischen Formen hervorgegangen; sie hat sich »entwickelt«. Ja, was hat sich denn nicht ent wickelt? Nichts um uns her, also auch nicht die Schrift, ist uns vom Himmel gefallen. Alle Welt weiß, daß beim Auftreten der Germanen ans der Weltbühne sie gar vieles nicht kannten, was sie heute besitzen; daß der Cheruskerfürst Arminius mit seinem Weibe Thusnelda und seinem Schwiegervater Segest nicht in deutschen Runen oder in Gotisch gebriefwechselt, auch daß sie weder Romane noch gelehrte Bücher gelesen haben. Die alten Germanen hatten ihre Runen; diese waren eine Schrift gerade so gut zur Vermittelung von Gedanken bestimmt, wie im ältesten Altertum die assyrische Keilschrift oder die ägyptischen Hiero glyphen. Alle waren Inschriften für Denkmale, — nicht Buch staben, sondern Jdeenzeichen. Ebenso die altrömischen Formen ans Inschriften, welche ihrerseits vorher aus Griechenland, und noch früher dahin aus Phönizien gekommen waren. Als die Bücherschrift aufkam, dienten diese Zeichen zu ihren Grundlagen. So geschah es auch, als aus Italien durch die Römer eine eigent liche Litteratur nach Deutschland kam. Der Gelehrte, der Kleriker, der Mönch schrieb nur Latein. Aber — woher kommt es denn, daß, während die roma nischen Völker überall bei der lateinischen Schrift blieben, die germanischen an den glatten geschniegelten lateinischen Buchstaben von vornherein keinen Gefallen fanden, so daß wir schon in den ersten Schriftdenkmalen in germanischen Sprachen charakteristische Abweichungen von der römischen Schrift finden? Zuerst bei den Goten. Um 350 nach Chr. schuf der westgotische Bischof U lfilas für seine treffliche Bibelübersetzung das gotische Alphabet von 26 Buchstaben, und es diente alsbald dem täglichen Leben. Wir finden diese Schrift beispielsweise im Hildebrandslied (8. Jahr hundert), in der berühmten Manesseschen Minnelieder-Sammlung (14. Jahrh.); die letztere ist ganz in deutscher Schrift geschrieben. Auch die deutsche Mönchsschrift wich vielfach von der römischen ab; sie begründete die jetzige deutsche Schreib- und Druckschrift. Im Germanischen Museum zu Nürnberg finden wir derartige Schriften, die fast den heutigen gleichen, aus dem 12. und 13. Jahrhundert (Bauernkalender re.). Daß sie aber viel älter sind, beweisen die sogenannten »Merseburger Hexensprüche« einer Per gament-Handschrift in der Bibliothek des Domkapitels zu Merse burg (s. Abdruck in Rob. Koenigs deutscher Literaturgeschichte. I. S. 6.) Die Buchstaben dieser uralten deutschen Handschrift, die a, e, i, o, u, die b, c, d, l re. haben ganz die heutige eckige Form. Sind also die Grundlagen aller Schrift in ganz Europa freilich die römischen, so gingen doch schon sehr frühe in natür licher Folge des verschiedenen Charakters der Völker die Formen der Buchstaben auseinander, — nicht, wie Herr Alb. Hoffmann meint, »durch verschiedenartige Federführung beeinflußt«. Die Ursache lag tiefer. Es war der deutsche Charakter, die deutsche Gesinnung, die deutsche Eigentümlichkeit. Die gerade, feste, starke, inochige Schrift zeigte sich dem deutschen Charakter gemäß, während die runde, glatte, geschniegelte Form dem der welschen Völker entspricht. Eine solche dem deutschen Volkstum gemäße Schrift, die wir als Schreibschrift schon seit ungefähr 600 Jahren, als Druck schrift seit unserer Erfindung der Bnchdrnckerkunst besitzen, — möge sie in ihrer Grundlage Herkommen, woher sie wolle, — darf doch wohl mit Recht eine deutsche nationale Schrift genannt werden. Sie ist innig mit der deutschen Sprache ver wachsen und aus ihr hervorgegangen, sie ist daher volkstümlich, und es ist geradezu ein Frevel an dem geistigen Leben der Nation, fortwährend gegen dieses Eigentum Sturm zu laufen. Drei große Nationen giebt es in Europa: die Germanen, die Romanen, die Slaven. Jede hat, wie ihren eigenen Cha rakter, ihre Bestimmung und Zukunft, so auch ihre eigene Sprache und Schrift. Eine große Nation, die etwas bedeuten will in der Welt, muß eine eigene Sprache und Schrift haben, und es ist dies gar nichts so Unwichtiges, wie man zu glauben sich den An schein giebt; vielmehr übt eine eigene Schrift einen geradezu bestechenden Einfluß auf das Volk als solches aus und befestigt es in seinem Nationalgefühl. Seit verkehrte Gelehrte und noch verkehrtere Magistrate die lateinische Schrift eingeführt haben, hat auch die Anwendung zahlloser Fremdwörter in erstaunlichem Maße zugenommen. Welch' eine Nation, in der das gemeine Volk weder seine Zeitungen, noch seine gerichtlichen Verhand lungen, Vorladungen rc. -ordentlich versteht! Es mögen etwa 12 Jahre her sein, da zeigte die Kölnische Zeitung nicht übel Lust, die lateinische Schrift in ihrem ganzen Blatte einznführen; sie hat es sich aber seitdem doch mehrmals überlegt und ist, wie ich hoffe, heute mehr als je von solcher Narrheit entfernt. Ein Weltbürgertum, wovon man faselt, ist pure Narrheit, dabei gehen weniger regsame Völker unter. Ich stelle es klar und offen hin: es ist die elende Fran zöselei, die durch alle Mittel deutsche Flachköpfe verwirrt und die in neuester Zeit wieder mehr als je um sich greift. Man betrachte doch die germanischen Völker, welche die lateinische Schrift angenommen haben: die Belgier, die Holländer; die Schrift hat sie zum Abfall vom germanischen Nationalgefühl ge bracht; sie sind bereits mehr oder weniger verfranscht; in Belgien haben die an Volkszahl weit geringeren französischen Wallonen die deutschen Vlämen völlig unterjocht; die französische Sprache beherrscht den König, der aus deutschem Stamme, die Regierung, den Staat, die Städte, die Zeitungen. Das deutsche Volk, ohne hin nur zu sehr geneigt, alles Ausländische höher und wertvoller zu schätzen als das Eigene, hat wahrlich weitere Verwelschungs- mittel nicht nötig. Noch vor wenigen Jahrzehnten herrschte in Oesterreich mit der deutschen Sprache und Regierung die deutsche Schrift; sobald die letztere in Ungarn und Böhmen zerstört wurde, kamen die Magyaren und Czechen obenauf; sie bedrücken und verfolgen heute ihre ehemaligen gutmütigen deutschen Lehrmeister. — Wenn ihr die lateinische Schrift bei uns herrschend macht, so öffnet ihr ein breites Thor für die weitere Verfranschung unsrer Sprache; das läßt sich klar beweisen. Die Fremdwörter werden ungeheuer zunehmen; denn man kennt sie nicht sofort schon am Kleid; es ist uns dann alles fremd; die ganze Sprache ist entdeutscht. Schon jetzt beleidigt den deutschen Sprachsinn die ungehörige Anwendung des C statt K, selbst in Wörtern, die aus dem Griechischen stammen, wo es kein C giebt. Seht euch um im Börsenblatt; da findet ihr Catalog, Categorie, Catechismus, Kalligraphie, Comödie, Critik rc.*) Wer so schreibt, beweist in erster Linie seine Unwissenheit; in zweiter aber ist es Französelei. Ebenso schreibt man Namen aus fremden Sprachen in franzö sischer Manier, so daß sie für uns ganz verdorben werden, z. B. den *) Anmerkung der Redaktion. — Die neue Rechtschreibung, welche für das Börsenblatt maßgebend ist, hat mit Anordnung des K für alle diese Wörter das fernere Vorkommen solcher Fehler wesentlich ein geschränkt. Ihrer Vorschrift Entsprechend dürfte sich im Börsenblatt kaum irgendwo eine der gerügten Wortbildungen finden, sofern nicht etwa der Wortlaut eines Titels die redaktionelle Berichtigung verbot.
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