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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.08.1871
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1871-08-09
- Erscheinungsdatum
- 09.08.1871
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- Deutsch
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181, 9. August. Nichtamtlicher Theil. 2415 nicht gut aufgelegt, nicht in der passenden Stimmung, trifft nicht das Rechte, sagt oder schreibt etwas Anderes, als man eigentlich meint. Wenn beispielsweise Jemand schreibt: „kohlensaure Trinkhalle" — „moussierendes Rheinweingcschäft" — „gepolsterte Möbel-Em pfehlung" — „reitende Artillerie-Kaserne" rc., so meint er damit keineswegs, Laß die Halle sauer, das Geschäft moussirend, die Em pfehlung gepolstert, die Kaserne zu Pferd sei, sondern er vernach lässigt bloß die Richtigkeit der Sprache. Aehnlich die wohlgemeinte Warnung: „Besonders gern werden Leute, die sich im Gewitter unter einen Baum flüchten, von dem Blitze getroffen." Daß ihnen näm lich ein Gefallen damit geschehe, glaubt der Warnende selber nicht. Oder: „Am liebsten werden große Cantonnirungen oder Winter- guartiere allarmirt." Das Vergnügen des Allarms ist da lediglich auf der activen Seite, nicht aus der passiven. Man kann wohl sagen hören: Da oder dort „speist der Eilwagen zu Mittag"; in Spanien hält er sogar Siesta. Dies jedoch ist eine bildliche Redensart, wie, daß die Schaufel gräbt oder die Trompete bläst, und insofern ge rechtfertigt. Schon ein sehr bedenklicher Mißgriff ist dagegen die zu weilen angekündigte „Gründliche Anweisung, die durch Aus schweifungen rc. abgeschwächte Gesundheitskraft des männlichen Kör pers gänzlich zu beseitigen." Hierzu finden sich denn allerdings Mittel ohne Arzt, allein das ist es nicht, was die Ankündigung sagen wollte. Ganz und gar in das Gebiet des Aunsels fällt der verunglückte Spruch: „Salz ist ein Gewürz, das die Speisen ver dirbt, wenn man cs nicht hincinthut." So wie man sich verschreiben kann, so kann man sich auch ver sprechen; dem I-apsus oulami steht der Tapsus IiuAuao zur Seite. Verspricht sich doch, wie man zu sagen pflegt, „die Kanzel auf dem I Prediger". In einem geselligen Club, dem ich angehörte, lud eines Abends ein Professor der Medicin zu seiner Antrittsrede ein, die auf den folgenden Morgen in der akademischen Aula bevorstand. Zufällig waren die meisten Mitglieder verhindert; die Offiziere mußten auf den Erercierplatz, die Advocaten in die Gerichtsverhandlung, die Beamten hatten zu amtircn. „Weißt du was!" rief man ihm zu, „halte uns deine Rede jetzt! " Er willigte ein, nahm die Lehne eines Sessels als Brüstung vor sich und gab eine humoristische Pa rodie zum Besten, in welcher er unter anderem die Zuhörer stets als „hochgeöhrt" und den Patienten des geschilderten Krankheitsfalles als „Jnvidudium" betitelte. Allein damit hatte er, um einen sprüch- wörtlichen Ausdruck zu gebrauchen, den Teufel an die Wand gemalt. Am nächsten Vormittag war ich unter den Zuhörern in der Aula und wunderte mich nicht darüber, daß sich der Redner so oft ver sprach; unter je zehn Fällen sagte er neun Mal mit Betonung „Hochgelehrteste" und das „Jnvidudium" behauptete seinen Platz ohne Ausnahme. Wenn man einmal verwickelt ist, kommt man nur immer tiefer hinein. So kann es Schauspielern ergehen, wenn sie in der Probe aus muthwilliger Laune sich versprechen: der zum Scherz aufgerufene Dämon läßt sie dann im Ernste nicht wieder los. In Kotzebue's „Verschwörung auf Kamtschatka" rechtfertigt sich Ben- jowski, s o gut er kann, gegenüber den Vorwürfen des Statthalters, daß er seine Gunst schnöde mißbraucht und noch obendrein seine Tochter durch eine Liebesbewerbung getäuscht habe, während er nun mehr cingestehe, bereits verheirathet zu sein. Die Situation ist an sich keine günstige; nun denke man sich vollends den Eindruck, alsein Darsteller dieser Rolle sichversprachund pathetisch vortrug: „Schwange rer Vater! ich ließ ein altes Weib zu Hause — was hättest du ge- than?" Wohl möglich, daß er in der Probe mit der Verwechslung beider Worte gescherzt hatte. In einem Shakspeare'schen Stücke hatte ein Schauspieler zu fluchen: „Pech und Schwefel", brachte es aber ums Leben nicht heraus. „Peff und Schwechel — ahem — Schweff und Pechel — ahem — tausendsapperlot: Pesel und Schwech!" Die Bezeichnung „Gallimathias" soll aus einem Verspruche für Kallus Natliiao entsprungen sein. Der Stoff ist ausgiebig. „Schach und matt" sind ohne die Verbindungs-Partikel nur zwei Worte, aber man kann sich auf dreierlei Art damit versprechen: schatt und mach — ach und schmatt — schwach und att. „Hessen-Kassel" ergibt die Variationen: Hassen-Kessel — Kassen-Hessel — Hassel- Kessen. Dagegen ist es zweifelhaft, ob man in das Capitel des Sich- versprechens einzureihen hat, daß ein öffentlicher Redner einmal sagte: voraus pro Oiooro; denn verdächtiger Weise corrigirte er sich unmittel bar darauf selbst mit den Worten: „Heißt das, Oiesrus pro äomo." Es gibt auch Lesefehler. Was ist ein „Prosadar"? fragte mich mein Freund, dabei nach Analogie von „Hospodar" den Ton auf die letzte Sylbe des Wortes legend. Ich wußte es selbst nicht. „In welchem Zusammenhänge kommt es denn vor?" Er reichte mir ein Zeitungsblatt und wies auf einen Artikel hin: „Hier ist von Goethe's Stellung als Prosadar die Rede". Ich warf einen Blick in das Blatt. „Lieber Freund, Goethe's Prosadarstellung ist da nicht seine Stellung als Prosadar, sondern seine Darstellung in Prosa." Mir selbst begegnete einst ein ähnliches Huiä pro guo, ebenfalls beim Zeitungslescn. Be-le-gra-um, fragte ich mich nachstnnend, was ist das? Ich rieth auf ein mir unbekanntes Arzneimittel, denn ein Korrespondent vom Kriegsschauplätze meldete unter anderem, daß es in den Lazarethen daran zu fehlen beginne. Die Lösung war ein fach: es fehlte an Platz für die Ausnahme, an Beleg-Raum, und ich hatte falsch gelesen. Man kann es noch weiter treiben in dieser Hin sicht. Kannte ich doch einen Mann, der seinen eigenen Namen nicht recht zu lesen wußte! Er hieß Rothermel; ein auserlesen geeigneter Name, um zur Freiherrnwürde erhoben zu werden, falls der Inhaber hinreichend viel verdient, das heißt, falls er Geld hat. Nicht so j dachte der Inhaber selbst; seine Lesart lautete: Rotermehl, und diese Aussprache verlangte er auch von Anderen. Durch Beharrlich keit setzte er cs durch; zum Frciherrn war er verdorben. Man kann auch falsch hören — nicht gerade aus Uebelhörig- keit, wie der Walter Scott'sche Sir Mungo Malagrowther, der übrigens mitunter absichtlich mißversteht, sondern aus unrichtiger Auffassung, aus einem arglosen Mangel an Entgegenkommen. Darum rühmt man cs an Staatsmännern, wenn sie ein richtiges Gehör haben für logischen Zusammenhang, nicht ein mißverstehendes, wie besagter Sir Mungo. Die Function des Ohres thut es nicht allein. Jener hochaufgeschossene Bursche, der dem Kaiser Joseph aufficl, Weiler um einenKopfüber die Volksmenge cmporragte, hörte wohl ganz gut, aber faßte nicht richtig auf, als er auf die Frage: „Wie viel Schuh hast du? (nämlich Körpermaß) — die davon weit abschweifende Antwort gab: „Eure Majestät, ein Paar Schuh und ein Paar Stiefeln." — „Gut" sagte der Kaiser lächelnd, „da hast du einen Dueaten, kaufe dir uoch ein Paar Pantoffeln dazu." Einem betag ten Bauersmann, der an schwerer Krankheit darnieder lag, hielt ein wohlgemeinter Zuspruch das allgemeine Schicksal der Menschheit vor: „Mensch, es ist der alte Bund, daß du sterben mußt." Der Patient aber zog ein schief Gesicht, denn er verstand fälschlich, als ein „alter Hund" müsse er sterben. So gibt es „Jrrthum i» allen Ecken". Ein Herr v. Globig, ans einer sächsischen Familie, war Gesandter in Berlin. Als er einst mit Extrapost das Thor passirte, trat der wachthabende Unteroffizier an den Wagenschlag und bat um Angabe des Namens. „Ich bin der sächsische Gesandte Globig." Allein der Unteroffizier war damit nicht zufriedengestellt. „Glob' ich hin, glob' ich her," wendete er ein, „ich muß es gewiß wissen." (Globen — glauben.) Eine Irrung von verwandter Art ergab sich beieinerAnsprache, die ein jetzt nicht mehraufErden weilender König, der sich gern reden hörte, aus Anlaß einer Huldigungsfeier hielt. „Ich gelobe und schwöre", sagte er unter anderem, „ein guter König zu sein". — „Was hat er gesagt?" fragte ein Schusterjunge den andern — „Na du hörst es ja; er sagte: Ich globe schwerlich" u. s. w. Der betreffende Staat besaß damals noch keine Verfassung; die Vari ante des Schusterjungen hatte ein künftiges Verhältniß anticipirt. 350*
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