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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.12.1893
- Strukturtyp
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- Band
- 1893-12-28
- Erscheinungsdatum
- 28.12.1893
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. Conrad Weitbrrcht in Stuttgart. Ein Buchhändlerleben. Am 28. November zog vom Steinkops'schen Hause in Stutt gart ein ansehnlicher Leichenzug, doch ohne Prunk- und Blumen wagen, die Marienstraße hinab und jenseits der Stadt hinauf auf den hochgelegenen Pragfriedhof. Das Geleite vom Hause weg und das noch größere oben am Grabe trug in besonderem Maße das Gepräge persönlicher Teilnahme. Wer hätte auch sollen teilnahmlos sein an dem Sarge von Conrad Weitbrecht, der bis vor einem Jahre ein Bild männlicher Kraft und Ge sundheit, einer hervorragenden Tüchtigkeit und Liebenswürdigkeit war, bis ihn eine Influenza ergriff, die er im November 1892 im Gedränge des Geschäftes überarbeitete und der ein Herz- nnd Nierenleiden nachsolgte, das erst langsam und dann schneller seine Kraft unter Leiden aufzehrte, bis das Licht seines Lebens in einem sanften Scheiden erlosch. Conrad Weitbrecht war geboren den 6. November 1847 als der dritte Sohn von Gottlieb Weitbrecht, Geschäftsführer der Vereinsbuchhandluug in Calw. Der Knabe wuchs auf in einem zahlreichen Geschwisterkreis, leiblich und geistig in gesunder Luft, dazu in einem Umkreis litterarischer Interessen höherer Art, so daß ihm die Wahl des Buchhandels als Beruf nahe lag. Im September 1861 trat er in das Haus und in die Lehre von Fr. Steinkopf (I. F. Steinkopf) in Stuttgart ein und brachte einen guten Schulsack im Latein und auch im Griechischen mit, dazu Helle, klare Augen, ein sehr gutes Gedächtnis, einen ver ständigen Sinn, der sich zu finden und zu Helsen wußte, dazu Willigkeit zu jeder Arbeit und Treue. Als noch kleiner Lehrling machte er alsbald seine Sache recht, so daß man ihm etwas überlassen konnte und er sich als einer von den Leuten erwies, welche Stützen eines Geschäftes sind. Lebhaftigkeit und ei» gesunder Humor machten sich lustig geltend in ihm, z. B. als er, seiner Befugnis voraus, aus einer in Gestalt einer Mahnung eingehenden Transportangabczürückschrieb: »Bezähmen Sie JhreUn- geduld bis bis zur Ostermesse.« Außer den Geschäftszeiten trieb er die neueren Sprachen fleißig, war fröhlich, gesellig, musikalisch; namentlich besaß er eine schöne Stimme, die sich zu einem Bariton entwickelte, dessen Wohlklang und sichere Führung man heraushörte. Noch auf seinem letzten Lager und im Kampf mit dem Atem sang er an den Sonntagabenden mit den Seinigen Weihnachtslieder. Nach der Lehrzeit zog es ihn in die Fremde, und man konnte ihn mit dem Zeugnis empfehlen, daß er für jede Stelle tüchtig und ihr gewachsen sei. So erwies er sich als Gehilfe bei H. Georg in Basel, H. Rother in Berlin, I. Alt in Frankfurt a. M.; danach besorgte er auch einen buchhändlerischen Auszug in Leipzig bei einem Kommissionswechsel aufs beste und erlernte sodann mehrere Monate die Buchdruckerkunst bei Hundertstund L Pries in Leipzig, natürlich nicht bis zur Vollendung, aber doch zu einer technischen Kenntnis, die ihm später nützlich war. In allen Stellen erwarb er sich Verständnis vom Beruf, wie von Land und Leuten, zeichnete sich aus durch Leistungen und Einsicht und gewann überall jüngere und auch ältere Männer zu Freunden, sowie freundliche Aufnahme in guten Familien; dagegen mied er schlechte oder zwecklose Gesellschaft. In diese Jahre siel auch Weitbrechts Militärpflicht, die ein Streiflicht auf damalige deutsche Verhältnisse wirst. Im Früh jahr 1868 hatte er sich zur württcmbergischen Musterung zu stellen; er wäre ein schöner, auch tapferer Soldat gewesen, aber sein Berater und er entschieden sich von dem damals bestehenden Rechte des Freikaufs Gebrauch zu machen. Die Mainliuie war noch nicht recht überbrückt, und die Eindrücke vom Jahre 1866 waren noch zu stark, da die Kleinstaaten nach dem doch vollständigen Entscheide der Schlacht von Königgrätz doch einen völlig zwecklosen Kampf gegen Preußen weiter geführt und noch das Blut von Tausenden tapferer Männer vergossen hatten für eine Sache, die von der Weltgeschichte und von dem Wähle Deutschlands verurteilt war. Weitbrecht wollte nicht in die Ge fahr kommen gegen Deutschland kämpfen zu müssen; als aber 1870/71 seine Einberufung bevorstand und die Einziehung weiterer Truppe» nur durch äußere Umstände verhindert wurde, da war es ihm eine große Enttäuschung, daß er nicht mit durfte. Im Jahre 1872 ging er einige Monate nach England, und mehrte seine Völkerkunde, sowie seine Kenntnisse im Eng lischen, so daß er in kurzer Zeit der Sprache mächtig war. — So, nach gewonnenen Kenntnissen und Erfahrungen in und außer dem Berufe, hielt er um die Hand von Maria Steinkopf, der ältesten Tochter seines Lehrherrn, an und schloß mit ihr den Bund des Herzens zu dem Glück des Lebens beider am 20. Mai 1873, trat auch mit diesem Tage in die Stellung eines Teilhabers der Buchhandlung und Buchdruckerei von I. F. Steinkopf. Die Zeit der gemeinsame» Arbeit von Steinkops und Weit brecht von da an bis zu des letzteren Tode am 23. November d. I. war eine schöne Zeit der gegenseitigen Unterstützung und Er gänzung. Steinkopf besorgte vorzugsweise das Literarische, Weit brecht den Betrieb, alles in gegenseitiger Fühlung. Weitbrecht trat und mehr in die Vollkraft des Mannes und des Charakters, mit raschem und doch besonnenem Griff und Urteil nahm er die Dinge und die Bücher in die Hand, arbeitete leicht, verlässig und so, daß es, wie man sagt »ein Stück gab», ruhig ohne Hast, in Eile mit Weile; ob er eine Bilanz fertigte oder einen gewöhn lichen Eintrag machte, so brauchten seine Gedanken und seine Feder doch keinen Stillstand und Pausen, sondern gleichmäßig lief die Kette weiter. Dabei war er aber keineswegs ein Nimmersatt des Geschäftes, sondern hörte ebenso pünktlich zur Zeit auf, wie er morgens anfing, und genoß die Feierstunden behaglich, am liebsten mit den Seinen in frischer Luft. Jüngere Buchhändler wußte er ausgezeichnet heranzubilden. Er verlangte fleißige und gute Arbeit, gab aber alle Antworten und Weisungen ebenso klar und vollständig wie sachlich und kurz, wobei er freilich nichtsdenkende Mechanik nicht vertrug. Sein durchgreifendes Temperament wußte das Richtige mit Kraft durchzuführen und Widerstand zu brechen. Damit verband er aber ein großes Maßhalten, weil er es mit jedem gut meinte und ohne Ehrgeiz nur auf die Sache sah. Vereins- und bürger liche Ehrenämter hätten ihn ausgesucht; aber er hielt sich möglichst zurück in dem Bewußtsein, daß das Geschäft des Buchhandels in Sortiment und Verlag die Teilnahme und Anwesenheit auch im einzelnen und kleinen verlangt und nicht nur in großen Linien besorgt werden kann; auch dem Publikum wußte er etwas Verständnis beizubringen, daß ein Geschäft nicht der Ort für die Konversation ist, so gut und gerne er auch litterarischen Rat gab. Im Berus, wie im bürgerlichen und kirchlichen Leben war er konservativ, aber jedem wahren Fortschritt offen und geneigt; denn die tiefste Richtung seines Wesens war lebendiges Christen tum, fest und freundlich zugleich. Beim Buchdruckerstreik 1891 beteiligte er sich lebhaft im Rat der Buchdruckereibesitzer. Es ist bekanntlich leichter, unter Buchhändlern Einigkeit und Zusammenhalten zu erreichen als unter Buchdruckern; einmal weil der Buchhändler seine Kollegen nötiger hat als der Buchdrucker, vielleicht aber auch, weil dem Buchhändler Schlagworte, Verband, öffentliche und sozialistische Meinung weniger imponieren und er mehr bemüht ist, das sach lich Richtige von dem Parteitreiben zu scheiden. Weitbrecht hatte in jenen Tagen das Verdienst, daß er für das Festbleiben der teilweise schon wankenden Prinzipale eintrat und daß in der Steinkops'schen Druckerei nicht gestreikt wurde, vielmehr die Ar beiter guten Verdienst und Zufriedenheit behielten und beide Teile die Eintracht und das gegenseitige Vertrauen bewahrten. 10k7'
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