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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.11.1893
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- Erscheinungsdatum
- 23.11.1893
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. 7191 272, 28. November 18SS. und müssen es unseren Lesern überlassen, sich von der Richtigkeit unserer Schlüsse zu überzeugen. Die Schriften, welche vom Feilbieten im Umherziehen aus geschlossen werden, können in fünf Klassen cingeteilt werden: 1) solche Schriften, gegen die das Strafgesetzbuch in Anwen dung gebracht werden kann; 2) Schriften, die von den Behörden aus Prüderie gestrichen werden; 3) Schriften, welche man ihrer rohen litterarischen Mache wegen aus den Händen des Volks zu entfernen wünschen muß; 4) Schriften, welche aus politischen Rücksichten ausgeschlossen werden; 5) Schriften, für deren Ausschließung ein vernünftiger Grund überhaupt nicht zu finden ist. Die erste Gattung für den Vertrieb im Umherziehen zu unterdrücken, bedarf es natürlich keines besonderen Gesetzes; darüber zu wachen ist an und für sich Sache der Aufsichtsbehörden. Freilich ist lediglich dadurch das Eindringen in das Volk von Schriften, welche in religiöser oder sittlicher Hinsicht ein straf fälliges Aergernis im Sinne der HZ 184 und 166 des Straf gesetzbuches geben können, nicht zu verhindern; aber auch mit den durch Z 56 der Gewerbe-Ordnung gewährten Machtmitteln wird das nicht möglich sein, denn solche Schriften werden vor einer aufmerksamen Behörde sich so wie so zu verbergen suchen und auch peinlichen Maßregeln zu entschlüpfen wissen. Wo also das Strafgesetzbuch hinreicht, bedarf es keines weiteren Gesetzes. Solche Schriften werden verboten hurch richterliches Erkenntnis und sind von jeden: Vertrieb ausgeschlossen; wer sie verbreitet und dabei betroffen wird, unterliegt dem Strafgesetz. Wohl zu unterscheiden von solchen verbotenen Schriften sind aber diejenige», welche auf Grund jener Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung nur vom Feilbieten im Umherziehen aus geschlossen sind. Vielfach wird das verwechselt und werden auch diese als »verboten« bezeichnet; damit aber ist eine Begriffs verwirrung verbunden, welche selbst die Aufsichtsbehörden ergreift und zu gänzlich ungesetzlichen Maßregeln führt. Hiervon wird später die Rede sein. Der Staatsanwalt hat über die Preß- erzengnissc, die er beanstandet, eine richterliche Entscheidung herbeiznführcn, welcher eine sachliche Prüfung durch ein Richter- kollegiuni vorhergcht, und von diesem darf man im allge meinen doch ein unbefangenes und wohl erwogenes Urteil erwarten. Außerdem bietet das gerichtliche Verfahren dem Betroffenen Gelegenheit, selbst seine Ansichten vorzutragen und bei Rede und Gegenrede unter Beistand eines Rechtsanwalts eine gründliche und objektive Klärung der Anschauungen herbeizuführen. Anders ist es bei dem in unseren Fällen rein subjektiven Verfahren auf dem Verwaltungswege. Ist ein Preßerzeugnis von der unteren Verwaltungsbehörde beanstandet, so steht dein Kolporteur, von dessen Liste dieses gestrichen worden ist, der Rekurs an die obere Verwaltungsbehörde zu, und zwar muß dieser binnen 14 Tagen eingereicht sein. Der Verleger erfährt gewöhnlich nichts von der Sache oder erst wenn es zu spät ist; reklamiert er dann bei der Oberbehörde, so heißt es, »der frag liche Kolporteur hat sich bei dem Bescheide der Unterbehörde beruhigt; es liegt daher keine Veranlassung vor, in der Sache eine weitere Entscheidung zu treffen.« Denn in der Regel wird es so sein, da die Leute nicht die Zeit oder die Lust haben, sich beständig mit Reklamationen zu befassen, häufig auch nicht das richtige Verständnis für die Sache besitzen oder gleichgiltig sind. Sie begnügen sich, die genehmigten Artikel zu verbreiten und lassen dem Verleger den Schaden. Bei Preßerzeuguissen jener gemeinen Sorte, wie sie leider existieren, die mit Recht dem Staatsanwalt verfallen, ist das natürlich nicht zu bedauern; anders aber wenn die Aufsichts behörden über das sittliche und religiöse Aergernis so ängstliche Anschauungen besitzen, wie sie aus einer Anzahl von Verboten hervorgehen, wenn ein »Treuer Ratgeber für Verlobte«*) oder »Die junge Dame im Umgang mit dem Manne oder die Kunst sich liebenswürdig zu mache»«*'), »Die Kunst mit Männer» glücklich zu sein»**) und ähnliche Sachen dem behördlichen Ver bote verfallen, Schriften, in denen im volkstümlichen Tone die Verhältnisse zwischen Mann und Weib in einer ziemlich unschuldigen Weise behandelt werden. Aehnlich ist es bei einer großen Anzahl von Volksromanen, die das Mißfallen der Verwaltung erregen. Wenn darin von Liebe und Leidenschaft die Rede ist, so ist das doch kein Grund, ein sittliches Aergernis zu nehmen; ein solches kann doch nur da genommen werden, wo die Darstellung in Cynismus und Obscönität ausartet; an jeder lebhaften Erzählung von Liebes episoden Anstoß zu nehmen, verrät einen Standpunkt, der solcher Behörden nicht würdig scheint, die doch berufen sind als Voll zieher der Reichsgesetze über kleinliche Anschauungen erhaben zu sein. In anderer Richtung, aber auch mit »Prüderie« verwandt, sind die Motive bei Ausschließung von Schriften folgender Art: »Der Komiker und Coupletsänger«, »506 Lieder, Couplets und Trinksprüche«, »Neuestes Punktirbüchlein.«***) »Neueste Zieh- und Wahrsage-Karten«, »Vollständiger Liebesbriefsteller«, »Der fidele Komiker und Coupletsänger«.ff) »Die Vergiftung des Bürgermeisters Schrön und Frau in Markranstädt.«sisi) »Neuestes Complimentirbuch für Anstand und Bildung.«ffffj) »Aegyptisches Traumbuch«, »Neue komische Vorträge«, »Blicke in die Zukunft«, »Punktirkunst«.*ff) »Philosophisch wichtiger Natur- »nd Monatszettel (Planeten)- (Verlag von Trowitzsch <K Sohn in Berlin).**f) Alles das sind Volksschriften, die durchaus keinen Anspruch machen können, als hervorragende Blüten der Litteratur zu gelten; ich will auch gern zugeben, daß an ihrem Dasein oder Nichtdasein wenig für unsere Kultur gelegen; aber sicherlich sind alle diese Verlagserzeugnisse vollständig unschädlich, dienen zu einer unschuldigen Erheiterung des Volkes oder haben sonst eine Bestimmung, die vo» der Erregung sittlichen und religiösen Aergernisses sehr weit entfernt ist. Warum also den Apparat der Gesetzgebung gegen sie in Bewegung setzen? Es giebt nun allerdings auch eine Art von Schriften niedrigen litterarischen Wertes, die, in plumpestcr Weise ans das Sensatiousbedürfnis der Masse» berechnet, in geschmacklosester Form sich auf dem Markte breit machen. Wenn die »Memoiren des Scharfrichters Krauts« in einem dickbändigen Roman verar beitet oder das gruselige Leben und Ende des »Schinder hannes« geschildert werden, so wird man solche Lektüre nicht gerade zur Veredelung des Volkes und seines Geschmackes für förderlich erachten. Aber ob die Aufsichtsbehörden dazu da sind, über die litterarischen Bedürfnisse des Volkes zu wachen, ist eine Frage, die nicht mehr unentschieden ist, die vielmehr das Preßgesetz entschieden verneint. Die in dieser Hinsicht de» Be hörden gegebene Machtbefugnis muß uicht mir als ein freiheit licher Rückschritt betrachtet werde», sondern kann auch kulturell keineswegs als eine Verbesserung angesehen werden, weil die Praxis gezeigt hat, daß den mit der Ausführung des Gesetzes betrauten Organen jedes Unterscheidungsvermögen fehlt, um das Gute von dem Schlechten, das Erlaubte von dem Unerlaubten zu trennen. *) Verlag von Hoffman» in Hainichen, ausgeschlossen durch Beschluß des Stadtrats in Buchholtz v 17. Oktober 1888. **) Beschluß der Amtshauptmannschast Leipzig v. 5. April 1889. ***) Beschl. der Amtshauptmannschast Zittau v. 22. Januar 1889. ck) Beschl der Amtshauptmannschast Leipzig v. 5. April 1889. s-fs Ausgeschlossen vom Stadtral zu Chemnitz, bestätigt durch Beschluß der Kreishauptmannschast Zwickau v. 24. April 1890. siff) Beschluß des Stadtrals zu Meißen v. 21. Oktober 1892. *ff) Ausgeschlossen vom Bezirksausschuß in Liegnitz. **ff) Ausgeschlossen von der Amtshauptmannschast Zittau. 22. Januar 1889. 961'
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