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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.07.1871
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 10.07.1871
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- Deutsch
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155, 10. Juli. 2049 Nichtamtlicher Theil. den Volkswih todt, und mit der fliehenden Kaiserin und dem Prinzen verflüchtigte sich der letzte ausgiebige Stoff unter dem Blei des Künst lers. Was sich dann der Reihe nach unterfing, den Willen des fran zösischen Volkes zu verkörpern, alle die Favre, Rochefort, Trochu, Gambetta und Thiers waren mehr oder weniger neue Gestalten, die der Zeichner in der Caricatur zu popularisiren vergeblich bemüht war. Freilich kam dazu die wachsende Ungeduld über die Verlänge rung des Krieges, den man mit dem Hauptschlage vor Einbruch des bösen Winters beendet zu sehen gehofft hatte. Mit solcher Stimmung vertrug sich der Humor schlecht; auch unsere Dichter wurden schweigsamer. Im klebrigen ging die Litera tur den Gang weiter, zu dein der Krieg den Anstoß gegeben hatte. Wilhelmshöhe war nun für den Photographen und Schriftsteller ein gleich beachtenswertherOrt; der crstere ließ sich dabei die gefangenen Turcos und Zuaven nicht entgehen, und cs erschienen in den Schau fenstern die Zelt- und Barackenlager der Franzosen und von diesen selbst wieder die Häßlichsten in naturgetreuer Abbildung. Dabei werden Sprachbücher für die gefangenen Feinde von den Buchhänd lern empfohlen und vielleicht auch gekauft. Und wie der erste Kano nenschuß auf Paris fällt, da belebt sich neu das ermattete Interesse für Karten und Pläne; der Mont Avron wird mit Eifer gesucht und gefunden und drüben der „Baldrian", und erwogen, wann endlich wohl die erste Kugel in die verhaßte Stadt selbst fallen werde. Die Schriftstellerei arbeitet unermüdet fort; auch wer dilettirend die Fe der ergriff, wird jetzt gedruckt, vielleicht zu irgend einem milden Zweck; als Begleiter von Liebesgaben, als freiwilliger Krankenpfleger hat er mancherlei erlebt, das des Druckes wohl Werth erscheint; auch Predigten werden nun wieder verkauft, der Heimath ein freund licher Gruß aus dem fremden Land, in dem sie gehalten wurden. Aber der Friede liegt in der Luft. Wohl lesen wir im Vorüber gehen die uns gebotenen geheimen Papiere des gestürzten Kaiserreichs und die von diesem gelieferten Beiträge zur Geschichte der Kämpfe von Metz bis Sedan, mehr aber liegt uns die eigene Zukunft am Herzen. Nicht ohne Bangen sieht der Norddeutsche nach Versailles, auf die Verhandlungen mit Süddeutschland, kühl steht die deutsche Hauptstadt ihrer Standeserhöhung gegenüber. Daß nur wenige Schriften zur Lösung der hier einschlagenden Fragen erschienen — es mögen die Namen Münster, Clason, Schumann, M. Mohl, Ewald genannt sein — wird nicht Wunder nehmen; im Ganzen trieb die öffentliche Meinung dem heut erreichten Ziele zu, und nur aus schar fem Widerstreit der Ansichten entwickelt sich eine rege Flugschriften literatur. Auch der Heraldiker läßt sich vernehmen; schon im Herbst erschien ein Schriftchen des Fürsten Hohenlohe-Waldenburg über die deutschen Farben Schwarzrothgold und die historische Berechtigung der rothen Farbe im deutschen Banner; ihm folgten dann weitere Arbeiten von Pallmann, Hildebrand-Mieste und Mayerfeld. Freilich — dieser Gedanke drängt sich uns zum Schluffe auf — was will alle die sich in Kleinigkeiten zerspliiterndeLiteratur des Kriegs bedeuten gegenüber dem, was der Buchhandel in Friedenszeiten hin ausgibt, in dessen Uebernahme oder ruhiger Vollendung er gestört ward durch den ausbrechcnben Streit? Wie viele Druckaufträge wurden Mitte Juli zurückgezogen, wie viel im Druck befindliche Werke bis auf ruhigere Zeiten bei Seite gelegt! Auch wenn ein moderner Archimedes sich durch den anstürmenden Feind seine Zirkel nicht verwirren ließe, könnte ihm der Verleger mit Recht sagen, daß im Waffengetöse auch die Wissenschaften zu schweigen haben. Zwar machte sich im Spätherbst eine Art Neaction geltend, doch war sie zumeist die Folge geschäftlich-buchhändlerischer Erwägung. Man glaubte versenden zu müssen, was vollendet vorlag, einiger Absatz, so hoffte man, werde doch wohl sich einfinden. Und so erschienen zwischen der schlanken Kriegsliteratur schwerer wiegende Schriften, Delletristrik und Wissenschaftliches. Die sonst so belebte Weihnachts zeit verfloß still; vielleicht, daß mehr als sonst gekauft ward, was zu der ernsten Stimmung paßte: Erbauungsschriften, Sammlungen religiöser Gedichte, Predigten. Auch für den Beschcrtisch der Kinder war Krieg: da gab es ein Kutschkespiel, ein Pariser Belagerungsspiel u. dgl. m. Noch immer sind die alten Zustände nicht zurückgckehrt. Denn ein Volk, das im Nothfall alle seine waffenfähigen Männer anfbietet, sicht von seinem geistigen Capital, auch wenn die Landwehr entlassen, in Reserve und Linie noch eine Fülle der gewohnten, neue Werthe erzeugenden Beschäftigung des Friedens entzogen. Und vergessen wir dabei nicht, was der Krieg an geistiger Kraft vernichtet hat. Mancher ist hinausgezogen, eine Zierde seiner Wissenschaft, eine Hoff nung der Mitlebcnden, aber er sollte nicht wiederkehrcn. Doch, ziehen wir die Summe, so erwächst aus dem blutgedüngtcn Boden der großen Zeit auch dem Buchhändler Anregung und Pflicht. Ein gü tiges Geschick hat dem neuen Reich eine Provinz heimgebrachl, die für deutsche Literatur verloren war. Denn so rege der geistige Ver kehr z. B. zwischen Deutschland und den Ostseeprovinzen ist, ebenso todt war bisher für den deutschen Buchhandel der Strich zwischen Wasgenwald und Rhein, das einzige Straßburg ausgenommen. Diese Stadt hatte immerhin sechs zum Theil bedeutende mit dem deutschen Buchhandel unmittelbar verkehrende Sorlimcntsfirmcn bei einer Bevölkerung von 82,000 Einwohnern. In Mühlhausen dagegen war bei 46,000 Einwohnern nur eine Buchhandlung, die eines Com- missionärs in Leipzig bedurfte; Weißenburg zählte im deutschen Buch handel nur durch eine Kunstverlagshandlung, bleibt demnach hier außer Betracht. Alle übrigen Städte Elsaß-Lothringens hatten nicht den Bedarf an deutscher Literatur, der den Verkehr mit Leipzig zweck mäßig erscheinen ließ; ihre deutsckredenden Bewohner standen in dieser Hinsicht weit zurück hinter einer kleinen deutschen Provinzial stadt, deren Buchhändler wöchentlich seinen Ballen mit Journalen, bestellten Büchern und Neuigkeiten von Leipzig erhält und so zwischen Angebot der Verleger und Begehr der Bevölkerung vermittelnd, ein durch die geschäftliche Organisation des deutschen Buchhandels be sonders wesentliches Element unserer modernen Gesellschaft geworden ist. Jetzt aber sind in Straßburg und Mühlhausen, ja auch in Metz neue Geschäfte eröffnet worden; weitere werden in andern Städten folgen. Geht auch manche Firma roieder rasch zu Grabe, immerhin! Von jetzt an treibt das Röhrenwerk unserer geschäftlichen Einrichtung den geistigen Lebenssaft unwiderstehlich auch in die Adern jener wie dergewonnenen Lande, denn alles, was an Neuigkeiten erscheint, ist in den Buchhandlungen von Berlin und Metz, von Straßbnrg und Königsberg gleichzeitig zur Ansicht bereit, auf Lager Fehlendes wird schnell beschafft. Das allbereite Angebot reizt das Verlangen. Auch auf die ländliche Bevölkerung wird guter Einfluß nicht fehlen. Ihr, die zäh an Sprache und Sitte der Väter festhielt, erwächst aus dem erneuten Zuströmen deutscher Literatur kräftige Anregung, und der Buchhändler findet hier ein Feld, das neu zu befruchten auch er be rufen ist. So werden einst Elsaß und Lothringen auch geistig uns wiedergewonnen und die Enkel der heute Widerwilligen das sein, was wir sind, ihres nationalen Werthes frohe, opferbereite Glieder des deutschen Staates. Karl Büchner. Zum Entwurf eines Reichspreßgesetzes. I. Aus Berlin schreibt man der Dtsch. Allgem. Zeitung: „Der Verein »Berliner Presse« hat ebenfalls einen »Entwurf zu einem Preßgesetze für das Deutsche Reich« ausgearbeitct und durch den Druck veröffentlicht. Derselbe enthält 16 Paragraphen und stimmt in den wichtigsten Grundsätzen: Wegfall der Concession für die Preßgewerbe, des Zeitungsstempels, der Pflichtexemplare,
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