Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.07.1871
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 10.07.1871
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18710710
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-187107109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18710710
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1871
- Monat1871-07
- Tag1871-07-10
- Monat1871-07
- Jahr1871
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
erreicht. Die Photographie aber gibt nicht Caricatur, sondern häß liche Verzerrung; für den Volkshumor wird sie wohl stets eine un- erfundene Kunst bleiben, und es darf angenommen werden, daß dem entsprechende Erfahrungen in dem Kriege von den Betheiligten gemacht worden sind. Anch im weiteren Verlauf der Monate machte sich die Photographie aufdringlich geltend. Als es Schlachtenbilder zu liefern und der durch die Siege gehobenen Stimmung Ausdruck zu verleihen galt, boten uns Künstler teleskopischer Größe Aus schnitte aus den letzten Kämpfen, und die Allegorie mit ihrem ganzen Ziehpuppentrödel von Barbarossa's, Germania's, Borussia's und Fricdensengeln wurde wieder hervorgequält. Auch heute noch müssen wir uns auf diesem Gebiete in verschiedenen Formaten viel gefallen lassen. Hier, wo es sich verbietet, auf Einzelnes einzugehen, mag nur der in Elberfeld erschienenen Caricaturensammlung als eines ge schlossenen Ganzen lobend gedacht sein. Nicht Caricatur, aber mit gutemHumor durchgeführteZeichnungen bot eine Hamburger Firma, in deren Verlag dann außer den originellen französischen Kriegs berichten des Freiherrn von Münchhausen noch das hübsche Gedicht „König Wilhelm saß ganz heiter", mit artigen Bildern geschmückt, erschienen ist. Den Düsseldorfer „Shrapnels" scheint leider nur ein kurzes Leben beschicden gewesen zu sein; glücklicher waren die Darm städter „Zündnadcln",wie jene in großen Bogen ausgegeben. Sie sind ein treffliches Bilderbuch zur Geschichte des Krieges, anspruchslos und guten Humors, nicht ohne zeitweise einen ernsterenTon anzuschlagen. Die Bilder sind keck und geistvoll gezeichnet. Andere Zwecke ver folgt außer einer eben in Straßburg begonnenen Sammlung Alber- totypien die Sammlung von Photographien nach Gemälden von Knorr. Die Blätter sind hübsch und greifen zum Theil mit Glück aus dem Kriegsleben solche Sceneu heraus, die unserer Theilnahme jetzt doppelt sicher sein dürfen. Doch auf diesem Gebiete stehen wir natürlich erst am Eingänge. Nach dem Ausmarsche erschienen viele Kriegspredigten, den Dahcimbleibcnden zu Trost und Erinnerung. Nun erklangen die ewig neuen alten Soldatenlieder, zu ihnen gesellt sich als zeitgemäß das wehmüthige ,,O Straßburg", das durch Konewka's reizende Silhouettenzeichnung eine so rührende Darstellung fand, vor allem aber, ein mächtiger Bundesgenosse, die „Wacht am Rhein". Auch von den Zurückbleibenden wird sie, während Bcckcr's Rheinlied völlig vergessen bleibt, gern gesungen und gehört, und der Musikalien verleger bietet sie in verschiedenster Bearbeitung, für Orchester, Clavier, Singstimme, Variationen für die mannigfachen Stufen des Geübtseins. Interessant und ergötzlich zugleich wäre eine Zusam menstellung der Literatur, die allein an Wilhelm und Schnecken burger sich knüpft. Denn auch der verschollene Dichter wird wieder ans Licht gebracht, nachdem durch den Compvnisten sein Text in Aller Munde lebt. Die ersten Schlachten waren geschlagen, und wieder stand der Deutsche als Herr auf dem Boden, der durch die Schwäche der Väter verloren worden. Was für uns bisher nur Wunsch gewesen, ward nun zur Losung, und während wir auf den von den Kartenzeichnern neu gebotenen Blättern den Vormarsch unserer Truppen verfolgten und auf den eben erschienenen Karten der Ost- und Nordsee den Er folgen unserer jungen Flotte entgegenharrten, begannen wir uns eifrig mit Elsaß und Lothringen zu beschäftigen, und es ist denn aus diesem Wiedererwerb eine Fülle der besten Anregung hervorge gangen. Eine warme Begeisterung lohte in uns auf, und fand auch in der Poesie den schönsten Ausdruck. Selbst der bänkelsingende Dichter griff jetzt zu einfacheren Weisen und sang mit den Poeten unserer Witzblätter um die Wette. Auch er sah in Deutschland den Freier, der die Geliebte in schwerem Kampfe sich gewann: „Sei Straßburg uns gegrüßt als Braut, Du bist uns wieder angctraut! Dein Ehrenkleid ist purpnrroth, das deutet Treue bis zum Tod- Du bleibst nun deutsch für alle Zeit, wirst nicht durch Wälschland mehr entweiht". Auch regt sich nun wieder lebhaft das Interesse für Leben und Geschichte jener Grenzlande. Stöber's „Alsatia" wird, und wohl nicht vergeblich, zu erneuter Verwendung empfohlen, ebenso einige ältere Schriften zur Geschichte von Elsaß und Loth ringen: Bestandtheile von Raumer's historischem Taschenbuch, die Broschüre des Jenenser Schmidt und eine anonym erschienene Flugschrift „Elsaß und Lothringen deutsch", die beiden letzteren aus den kriegerischen Monaten des Jahres 1859 stammend. Zn ihnen gesellt sich jetzt eine nicht geringe Anzahl neuer Arbeiten, von den politischen Broschüren allgemeinen Inhalts abgesehen, die das Elsaß nur beiläufig berühren. Unter diesen glänzen die Namen Treitschkc, Strauß, Baumgarten, Dubois-Rcymvnd, Carriöre u. a. m., unter jenen heben wir hervor des Statistikers Wagner viel gekaufte treff liche Schrift, neben und nach ihr die Arbeiten von Usinger, Mauren brecher, Löher, Lorenz-Scherer u. s. w. Die deutschen Denkschriften zum zweiten Pariser Frieden werden neu gedruckt. Der Kartograph entwirft für den kleineren Mann „Deutschland, wie es ist und wie es werden muß"; in höchst geschmackvoller Ausstattung erscheint zu billigem Preise die „deutsche Grenze gegen Frankreich", mit 25 gut gewählten Gedenkzeilen. Weitaus die bedeutendste Leistung auf diesem Gebiete ist die historische Karte von Elsaß und Lothringen welche R. Böckh, im Verein mit H. Kiepert, veröffentlichte. Auch das, was der Letztere allein, sei es in neuen Auflagen, sei es in neuen Blättern zur Kenntniß der Kriegsschauplätze und vorzüglich Elsaß-Lothringens geliefert hat, ragt hervor. Doch auch in anderer Richtung wirkten unsere Siege. Dem Komponisten fehlten fernerhin nicht mehr die Ueberschrifteu für seine unterdeß geschriebenen Märsche; er hatte Weißenburg, Wörth und Spichern, ja er durfte daran denken, daß neben dem alten auch ein neuer Pariser Einzugsmarsch sich sehr wohl würde hören lassen kön nen. Der Kartcnverlegcr wirft sein Auge auf Paris und Umgebung; für Tornisterwörterbüchcr ist mit unserem Ueberschreiten der Sprach grenze ebenfalls die Aussicht auf erhöhten Absatz erschienen. Da gegen fließt dem Colportageroman aus den Schrecken des entbrann ten Kampfes unversiegbarer Stoff, und die Caricatur schießt üppig ins Kraut, daß es dem Sammler angst werden kann, ob der Fülle. Ihr schnitt jedoch jener sonnige Herbsttag, der durch die Nachricht von Sedan unsern Jubel zum Höchsten steigerte, unvermuthet den Lebensnerv ab. Denn ans alter Gewohnheit concentrirte sich unser Spott in der Person des Kaisers, dem zu schöner Ergänzung, aber immer erst in zweiter Linie die Kaiserin und Prinz Lulu zur Seite standen. Zwar sagten wir uns selbst in der ersten Zeit der Erregung, daß der Kaiser nichts sei als der betrogene Betrüger, als der Tanz bär, der auf der heißen Platte französischer Großmannssucht endlich einmal tanzen mußte, wie auch immer das Ende sein möchte. Vor den großsprecherischen Minister» und Generalen erschien er jedoch auch dem Zeichner besonders beachkenswcrth. Nicht allein, daß ein mit Bildern geschmücktes Epos, die „Louisiade" während des Krieges erschien, gleich vom ersten Beginn des Krieges ist der Herrscher Frank reichs der allgemeinste Gegenstand des Spottes. Die sich rasch fol genden Siege regten dann zur Frage an, was nun des bald Ent thronten Schicksal sein werde. Man könnte ihn, mit einem Maulkorb versehen, für Geld sehen lassen, ein Anderer hält die Thätigkeit eines Lcierkastenmannes für sehr ersprießlich; weniger Boshafte gönnen ihm ein beschauliches Dasein hinter Eisengittern und der Berliner Volkswitz bezeichnet mit Vorliebe als seine künftige Wohnung die Gerichtslaube. Aber vor der prosaischen Thatsache der wirklichen Gefangen nahme beugte sich alsbald die Phantasie des Zeichners; der Kaiser war nun, wie für die weitere geschichtliche Entwickelung, so auch fü^
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder