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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.07.1871
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- Erscheinungsdatum
- 10.07.1871
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- Deutsch
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^ 155, 10. Juli. Nichtamtlicher Theil. 2047 worden. Das „Bulletin international äss soeietög <le 8soour8 aux wilitaire8 blo88ö8" wird zu thätiger Verwendung empfohlen. Und wie der Soldat zum Ausmarsch sich anschickt, geht der Hauch der Freiheitskriege durch alle deutschen Lande; die Dichter jener Zeit werden wieder lebendig; in Tausenden von Eremplaren werden auf den Bahnhöfen Liederbücher verabfolgt. Doch auch neu wird viel gedichtet und Gedichtetes ausgeboteu. Unter den unendlich zahlreichen Poesien erweist sich freilich das Meiste auch auf der Schaufel nachsichtiger Beurthcilung als Spreu. Die Komponisten des Augenblickes haben den Werth der dichterischen Leistungen nicht überboten. Die „Wacht am Rhein" ist älteren Ursprungs; Frei- ligrath's vielgcrühmtcs „Hurrah Germania", nach Form und Inhalt nicht geeignet in weite Kreise zu dringen, wiegte sich nur auf Flügeln des Concertgcsangcs. Auch daß Kutschke, die gelungene Verkörperung des Soldateuhumors, in einer seiner verschiedenen Gestalten gesungen worden wäre, ist dem Berichterstatter nicht bekannt. Am meisten verbreitete sich Wohl das „Chasscpot-Lied", das zuerst der Kladde radatsch brachte. Anknüpfeud an eine bekannte Melodie und gehoben durch einen ergötzlichen Refrain ist es viel gesungen worden. Auch der Caricaturenzcichncr trug viel zur Verbreitung des Gedichtes bei; denn selbst dem ernsteren Manne mochte es eine Quelle harm loser Heiterkeit sein, wenn er die Störer unserer Ruhe von den Fäusten deutscher Soldaten wenig symbolisch verarbeitet sah. -— Immerhin behält auch das prosaischste Gedicht jener Monate als Beitrag zur Kenntniß damaliger Stimmung seinen Werth, doppelt, sobald es mit den andern Zeitgedichten zu einem Ganzen vereinigt erscheint. Es war daher ein guter Gedanke, die in einzelnen Zei tungen zerstreut gedruckten Poesien in einem Bande zu sammeln, und die Ausführung muß gelobt werden. Außer den Versen, welche in eleganter Ausstattung als „Lieder zu Schutz und Trutz" aus- gegeben wurden, außer der nicht unbeträchtlichen Anzahl von Heft chen, in denen einzelne Poeten sich selbst sammelten, und der großen Reihe von Einzelblättcrn, die in mehr oder minder anspruchsvoller Form in die Welt flogen, liegt nun ein stattlicher Band vor: „Sammlung der deutschen Kriegs- und Volkslieder 1870", welcher die von den Zeitungen gebrachten Gedichte in sich vereinigt und in einem Anhang zahlreiche Kaiserlicher bringt. Neben alten und neuen Lyrikern treten nun auch Propheten hervor, ebenfalls alte und neue: der würdige Nostradamus, Hermann von Lehniu, und vor allem der ewig-junge Schäfer Thomas. Wir dürfen wohl den Verlegern, die uns von bedeutendem Absatz dieser Flugschriften erzählen, Glauben schenken; verkörpern sie doch in ihrer Gesammtheit die der Mehrzahl unserer geringeren Bevölkerung inne wohnenden politischen und socialen Wünsche. Was wir hoffen, ist uns gut weissagen; aber diese harmlose Prophetie erweist sich doch als nützlicher Bundesgenosse, so sehr wir über ihn lächeln. So geht auch zum Beginn des Krieges durch alle Weissagungen ein Gefühl froher Zuversicht; selbst der alte Einsiedler aus dem Berner Ober land, der für einen Münchener Verleger in die Zukunft schaut, nimmt, so wenig er den „fluchwürdigen Bruderkrieg von 1866" ver zeihen mag, doch gern dessen politische Folgen für Deutschland hin, auch ihm wird aus dem thräncnreichen Krieg ein „einiges, freies und starkes Deutschland" entstehen. Freilich schweigt er von dessen staatlicher Gestaltung; auch weiß der Bayer noch nichts von dem, was ein Pommer am 3. August seinen „dütschen Brörcrn" als Mahnung und Trost auf den Marsch mitgibt: „Rückt dem Krakehlcr up dat Kleed, Kloppt äwer hendfast drup! Wenn Frankrieks Kaiser uutcrgcht, Steht Dütschlands Kaiser up!" Noch hatte Napoleon III. nicht den unechten Lorbeer von Saar brücken gepflückt, und schon begannen für uns Kriegsberichte. Und wir ließen uns gerne gefallen, wenn uns zunächst höchst Harmloses von Feder und Stift geboten ward. Die Vorbereitungen zum Aus marsch, die Vorgeschichte des Krieges und die in ihr handelnden Per sonen boten willkommenen Stoff: der plötzlich zu Ruf gekommene Prinz von Hohenzollern, vor allem aber König Wilhelm und die vermuthlichcn Führer unserer Heere, auch der französische Hof mit Zubehör von Ministern, Generalen, Turcos und Mitrailleuseu. So begann der Einfluß des Krieges auch für diese Geschästsverbüudeten des Buchhändlers, und wie cs scheint, wird die einmal ins Rollen gerathcnc Kugel sobald nicht zur Ruhe kommen. Seit jenen Juni tagen ist in Süd- und Norddeutschland der Schriftsteller nicht müde geworden, Kriegsgeschichte zu schreiben, saß er nun daheim wohlver wahrt, oder wagte er sich selbst in die Fährlichkeiten des Feldes. Vom stattlichsten Folioformat bis hinab zur Taschenausgabe, mit und ohne Bilder, dem Geschmack und Geldbeutel Reicherer angepaßt, aber auch abwärts bis zur Fünfgroschcnausgabe Hesekiel's, bald eine Geschichte des Krieges verheißend, bald nur eine Belagerung oder die Abenteuer irgend eines Gefangenen schildernd: so liegt heute eine Literatur vor uns, deren Quelle unerschöpflich erscheint. Sie dient dem Bedürfnisse des Augenblickes und empfängt daraus ihre Rechtfertigung. Unter den illustrirteu Schilderungen steht nach Inhalt und Ausstattung die Wcber'sche Kriegschronik oben au. — Auch die Berliner,,Kricgszeituug", nachher in eine „Deutsche Zeitung für Krieg und Frieden" verwandelt, hat in den ersten drängenden Wochen Verdienstliches geleistet. Die Gereiztheit derGcmüther läßt nun auch wieder interessant erscheinen, was an Schmähschriften gegen den französischen Kaiser und sein Haus schon seit länger vorliegt. Die Pamphlete Rogeard's tauchen aus der Vergessenheit auf, Duvcruois' Buch über die Inter vention in Mexico wird neu empfohlen, und ein boshafter Zufall führt, wenn auch in verschiedenen Anzeige», das „^nnuaire äixlo- matigue clo l'smpirs kranyam pour 1869" friedlich neben ,,I-a komme äs O<s8ar" und „I-a eonr sin roi ckörome". Dann beginnen, für den kleinen Mann berechnet, die Flugschriften wider Napoleon durch die Luft zu schwirren, wider den „Mcnschenschlächter", den „meineidigen bluttriefenden Tyrannen" u. s. w., und Len Worten gesellt sich nicht selten zur Erhöhung des Reizes das Bild. So ent stand die illustrirte Spottschrift, die, indem der Schriftsteller in den Hintergrund tritt, zur Caricatur wird. Gleich in den ersten Tagen der beginnenden Aufregung tauchten diese Blätter in Massen auf, doch noch gebrach cs au Nachfrage, denn wenn eines der ersten Ber liner Flugblätter auf das Berlin" der Pariser die bescheidenere Antwort gab, „Linken, uu freue dir, die ,Berliner kommen", so waren, wir doch zu verständig, die Sicgesfrcude vorweg zn genießen. Mit den ersten siegreichen Schlachten wuchs jedoch der Geschmack an sol cher Literatur. Im Norden und Süden widmeten daher Zeichner und Schriftsteller sich eifrig dieser neuen Thätigkeit. Berlin hat namentlich das mit einem Titelbild gezierte Pamphlet in großen Massen hinausgeworfen, aber, wenn uns die Zeichnung vielleicht ein Lächeln abzugewinncu vermag, so verdirbt doch den Eindruck der meist ungenießbare Text. Anspruchsloser und die Form der Carica tur mehr wahrend tritt dagegen die Hauptstadt an der Isar auf; einzelne ihrer Flugblätter sind sehr derb, aber die Zeichnungen be lustigen, weil sie harmlos sind und weil der kurze Text sich frei hält von der dialektischen Spitzfindigkeit des Berliner Witzes. Da sei denn auch der Photographie gedacht, die auf dem Ge biete der Caricatur in zahlreichen Nummern auftrat, aber, man darf wohl behaupten, ohne Glück, wie sie es verdiente. Steindruck und Holzschnitt sind die naturgemäßen Vervielsältigungsmittel der für den Moment geschaffenen Spottbilder, die nichts weniger als den Anspruch erheben, asrs psrsnnirm zu sein oder als äprsuvo8 cl'ar- tmte in den Mappen der Kunstkenner aufgcsammclt zu werden. Auf leichtes Papier gedruckt, flattern die Blätter von Hand zu Hand, man schaut, man liest, man lacht, und die Caricatur hat ihren Zweck 297*
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