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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.10.1890
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- 10.10.1890
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- Deutsch
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Arber alte Jungfern. (36335) Ich bi», liebe Paula, in den letzten Briefen zu ernst für einen „Plauderer" gewesen. Aber gewisse Stoffe sind so groß und heilig, daß selbst harmloser Scherz bei ihrer Behandlung eine Ent weihung wäre. Der Zettel vor mir macht den ernsten Ton nicht nötig. Er lautet: „Man beschuldigt mit Vorliebe uns Männer als diejenigen, welche das Los der ,alten Jungfer' durch Hartherzigkeit und rücksichtslosen Spott er schweren. Ich behaupte aber, daß die Frauen an der Lage mindestens ebensoviel Schuld haben, wie wir, wenn nicht mehr." Zu diesen Worten haben Sie mit Ihrer lustigen kritzelichen Handschrift hinzugesügt: „Nanu?" und den hübschen Naturlaut zweimal unterstrichen. Natürlich! Ich verstehe ja vollkommen die Bedeutung des schönen Wortes, in welchem eine schwere Menge von Vorwürfen gegen uns Männer auf den kleinsten Umfang zusammengepreßt ist. Löst man dieses „Nanu" in etwa 100 Ltr Wort- Wasser, so heißt cs: „Ihr Männer! Jede Gelegen heit, uns Frauen, die wir nicht nur das schönere, sondern auch das bessere, liebenswürdigere, an genehmere Geschlecht sind, zu beleidigen, ergreift ihr mit Freuden. Daß ihr unerzogen, eitel ge fallsüchtig seid, haben Sic selber schon anerkannt. Aber das ist nicht alles. Ihr seid streitsüchtig, rechthaberisch, eigensinnig, heuchlerisch. Ihr macht immer unschuldige Gesichter, habt aber pechschwarze Herzen. Wie schön wäre die Welt, wenn cs keine Männer gäbe! Da lebten wir Frauen wie die Täubchen miteinander; es gäbe keinen Streit, keine Politik, keine Landtags- und Reichstags wahlen, keine kirchlichen und gelehrten Streitig keiten und Grobheiten, und keine Kriege." Ja natürlich! Alle Tage fände dann an allen Ecken und Enden der Erde um 5 Uhr großer Kaffeeklatsch statt, wo von allen, auch den Anwesenden, nur das Beste und Schmeichel hafteste gesprochen würden. Allmählich begönnen euch edlen Frauen „die Flügel zu wachsen", daß ihr auch äußerlich ganz und gar den Engeln glichet. Eines Tages aber würden sich die Frauen zu größeren Schwärmen vereinen und flögen unmittelbar durch die Wolken hinauf zum Himmel. Der heilige Petrus machte dann die Pforten weit auf, die Erzengel sängen ein wunderbares Begrüßungslied und freuten sich unbändig. Damit hätte dann die ganze Welt geschichte ein Ende. Ich habe doch selbst gesagt, daß wir Männer nicht schuldlos sind, wenn es so viele unver heiratete Mädchen giebt. Gar mancher Jung geselle heiratet nur deshalb nicht, weil er zu selbstsüchtig ist, um sich in seinen Bedürfnissen cinzuschränken. Er könnte Weib und Kinder an ständig ernähren, aber er müßte sich dann ge wohnte Leckerbissen, feine Cigarren und ver schiedene Vergnügungen versagen; er müßte Ord nung und Anstand in sein Leben hineinbringen, und das behagt ihm nicht. Solche Leute Pflegen dann auch mit Vorliebe über die alten Jungfern zu spotten, was übrigens auch von anderen Männern, selbst von verheirateten sehr oft und in unpassender Weife geschieht. Giebt cs aber nicht auch andere Gründe, welche den Mann vom Heiraten abhalten können? Wenn man sicht, wie so viele Mädchen in allen vorhandenen und noch nicht vorhandenen Künsten und Wissenschaften unterrichtet werden, nur nicht in der Fähigkeit, ein Haus zu halten und zu erhalten, kann man es dann dem Jung gesellen mit mäßigem Einkommen übel deuten, wenn er nicht heiratet? Oder sollen ihn etwa Mädchen dazu locken, die im Eltcrnhause ver wöhnt worden sind, aber in die Ehe nichts bringen, als eine elegante Ausstattung und ihr hübsches, vergnügungssüchtiges Persönchen? Daß die alte Jungfer vielfach sehr zu be klagen ist, kann nicht geleugnet werden. Wenn man jedoch nackforscht, warum es so gekommen sei. wird man sehr oft finden, daß vor allem die Mutter und dann das Mädchen selbst die Haupt schuldigen sind. Der Drang nach Liebesbethäti- gung ist bei dem Weibe sehr stark. Findet der selbe keine Befriedigung, so ist es beareiflich, daß das Gemüt sich verdüstert und vielleicht allmäh lich verbittert. Das geschieht jedoch auch deshalb, weil in so vielen, vielen Fällen, wie ich schon ausgesührt habe, das Mädchen von der Mutter auf den Mann dressiert worden ist, und man ver gessen hat, in das Schlafzimmer die Tafel zu hängen mit den Worten: „Mädchen, gedenke des Sitzenbleibens! Es ist ihnen kein anderes Ziel gezeigt worden, man hat nichts gethan, um ihnen einen Lebensberuf zu erschließen, welcher ihnen gestattete, des Mannes im Notfälle entraten zu können. Gewiß bleibt eine Lücke im Herzen des unverehelichten Mädchens und nur eine edel an gelegte Natur wird sie ganz ausfüllen können. Wenn aber die Erziehung eine solche war, daß sic das Pflichtgefühl kräftigte und zugleich zur Ausübung einer Pflicht, eines Berufs hinstrebte, dann wird das alternde Mädchen nicht nötig haben, zu versauern und zu verbittern. Dann wird das Herz nicht verhärten und wird in irgend einem Kreise Gelegenheit finden, Liebe zu erweisen. Wer das vermag, der wird allmählich es ver winden, daß er selbst jene Liebe nicht gefunden habe, welche durch Verschmelzung der geschlecht lichen Gegensätze emsteht. Uebrigens giebt es unter Weibern wie Männern eine durchaus nicht kleine Zahl, die, ich möchte sagen, von der Nalur bestimmt ist, unverheiratet zu bleiben. Es sind das die geborenen Onkel und Tanten, die beide gar keinen starken Drang zur Liebe besitzen, trotz dem sie gegen Kinder sehr zärtlich zu sein ver mögen. Ist das Mädchen nicht nur für den Trau altar, sondern für einen Beruf erzogen, der Pflichten mit sich bringt, so kann es zu einem vollbefriedigten Dasein gelangen. Ich kenne eine große Zahl solcher alter Jungfern, welche als Lehrerinnen,Schriftstellerinnen oder Künstlerinnen thälig sind, andere, die in Geschäften eine Stelle haben oder einen Haushalt leiten. Kaum eine von ihnen gehört zu der Gattung der verbitterten Jungfern, keine von ihnen hält sich einen Mops, nur wenige davon beginnen erst bei der siebenten Tasse Kaffe abzuwehrcn. Es sind darunter sehr liebenswerte, vortreffliche Geschöpfe, voll Auf opferungsfähigkeit und Herzenswärme. Einige haben durch eigene Kraft die Fehler der Erziehung beseitigt und sich in späteren Jahren die »ölige Berufsbildung angeeignet, die meisten jedoch sind von den Müttern so erzogen worden, daß sie nicht versauern und verbittern konnten. Ich habe Ihnen, liebe Paula, oben das Zu geständnis gemacht, daß viele Männer ihren Witz, und falls sie solchen nicht besitzen, ihre Bosheit an alten Jungfern auszuübcn Pflegen. Unbestreitbar wird dadurch manches vereinsamte Geschöpf gekränkt und ihm sein Los noch mehr erschwert. Trotzdem muß ich behaupten: Ich habe noch niemals einen Mann so hart und häßlich über alte Jungfer» sprechen gehört, wie es oft von seiten der Geschlechlsgenossinnen zu geschehen Pflegt. Und selbst, Wo das nicht der Fall ist, Verfahren sie oft in einer nicht zu billigenden Weise. Das geschieht erstlich da durch, daß die Klatschsucht künstlich aufgestachelt wird. Ich hatte die Ehre, einmal eine an sich schon sehr redegewandte alte Jungfer zu kennen. Dieselbe war die lebendige Chronik einer mittelgroßen Stadt. Sie kannte die Unarten sämtlicher Kinder, die Untugenden aller Er wachsenen; kein Ehezwist entging ihrem scharfen Auge, ebensowenig ein Fettfleck in den Sofa überzügen oder ein ungcstopstes Loch im Vor hänge. Sie wußte, was geschehen war, was eben vor sich ging, und was geschehen soll Und diese alte Jungfer war fast täglich zu einem Kaffeekränzchen geladen. Da bildete es nun körmlich einen Sport der jungen und älteren Frauen, sie, wie man es nannte, „abzuzapfen". Man hetzte sie, alles zu erzählen, was sie in den letzten Tagen anderswo gesammelt hatte. So ging der fröhliche Klatsch von Haus zu Haus, von Familie zu Familie. Dieser Fall ist durchaus nichts Seltenes. Zumeist sind es Frauen, welche die natürliche Anlage des Sprechens bei einer solchen alten Jungfer zur Meisterschaft entwickeln und dann doch mit den schärfsten Worten ein derartiges Gebaren verurteilen. Anderswo werden harmlose Schwächen eines solchen Geschöpfs benützt, um es zum Gegenstand des Spottes zu machen. Wieder in einem andern Falle nützt man die Gutmütigkeit alter Jungfern auf alle mögliche Art und Weise aus. Meiner Ansicht nach müßten die Frauen die natürlichen Schützerinnen der alten Jungfern sein, besonders in Fällen, wo die äußere Lage eine dürftige ist. Durch ihr Wesen können sie es gar oft verhindern, daß sich ätzende Säure und ver letzende Bitterkeit in einem solchen Herzen an häufen. Sehr selten ist jede Hoffnung auf Besse rung ausgeschlossen. Fast immer wirkt die Be rufung auf das Herz. Und das vermögen die Frauen viel besser als die Männer; denn sie besitzen die Gabe, auch in das Kleine liebevoll eingehen zu können. Fühlt ein so einsames Menschenkind, daß es irgend jemandem mit dem Rest von Herz noch Freude zu machen vermag, so wird es dadurch der Vereinsamung entrissen. Es ist ein Zeichen von Lieblosigkeit, ja selbst Gemütsroheit, wenn ein Mann eine alte Jungfer verspottet; aber noch mehr verurteile ich dasselbe Vorgehen bei einem weiblichen Wesen. Selbst junge Mädchen pflegen in dieser Art oft eine verletzende Rücksichtslosigkeit zu entfalten. Das sollte und dürfte keine Mutter dulden. Ich hege nun im Herzen die Hoffnung, daß Sie, kluge Freundin, einsehen werden, ich habe mit meiner Behauptung doch nicht so ganz unrecht gehabt. Dann werden Sie auch das „Nanu", in welchem die Empörung Ihres Herzens hörbar nachzitterte, feierlich zurücknehmen und mit ihm all die schweren Beleidigungen, welche Sie uns Herren der Schöpfung ins Angesicht geschleudert haben. Dann lasse ich Ihnen in meinem und in Karls Namen gnädig Verzeihung zu teil werden: denn wir sind gut und milde, und verzeihen dem Sünder, so er sich bekehrt und Buße thut. Vorstehendes ist abgedruckt aus Otto von Leixner's Plauderbriefe an eine junge Frau", die ich ebenso wie desselben Verfassers „Aesthetische Studien" dem Interesse des Sortimentsbuchhandels angelegentlich empfehle. DM" Den Abdruck des obigen Plauder briefes stelle ich Kollegen, die gleichzeitig Verleger von Zeitungen bez. Wochen blättern sind, frei, mache jedoch zur Bedingung, daß unter der ersten Spalte folgende Bemerkung zugefügt wird. „Mit Genehmigung des Verlegers abge druckt aus Otto vonLeixners „Plauder briefe an eine junge Frau." Berlin 1890. R. Trenkel. In eleg. Lnwdbd. 5 ^ 50 H." Ich liefere: Feirner's Plauderbriefe. Eleg. Leinwdbd. 5 50 H ord., 8. cond. 4 10 H, bar 3 50 H. Lrikner's Aesthetische Studien. Eleg. Lwdbd. 5 50 H ord., ü cond. 4 10 H, bar 3 „H 50 Berlin. N. Trenkel.
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