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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.12.1892
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- Erscheinungsdatum
- 22.12.1892
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- Deutsch
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senster eine Statue der Aphrodite ausstellt, bestraft werden könne. Diese Befürchtungen sind, gelinde gesagt, in hohem Grade über trieben. Die Verbündeten Regierungen wollen nichts anderes treffen, als die von mir bezeichnten Mißstände. Nun wird man allerdings sagen kennen: warum schreitet man denn nicht schon jetzt gegen diese öffentlich ausgestellten Bilder ein? Das hat seinen Grund in der heutigen Judikatur. Viele dieser scham losen Bilder werden als unzüchtige vom Gericht in gesetzlichem Sinne nicht anerkannt. Die herkömmliche Definition des »Un züchtigen«, wie sie vom Reichsgericht gebilligt ist, geht dahin, daß das Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Be ziehung gröblich verletzt werden muß, und diese geschlechtlichen Beziehungen, deren Nachweis nach dem heutigen Rechtszustande unerläßlich ist, wird von unseren Gerichten in zahlreichen Fällen vermißt. In diesem Punkte liegt also ein Bedürfnis nach Ab änderung des Gesetzes vor. Nun läßt sich freilich eine allgemeine Grenze zwischen dem, was künstlerisch erlaubt und gerechtfertigt ist, und dem, was anfängt unsittlich zu werden, nicht ziehen. Man darf aber im ganzen darauf vertrauen, daß unsere Richter bei Beurteilung der einzelnen Fälle das Richtige treffen werden. Unsere Richter sind doch gebildete Männer, die nach den Um ständen des einzelnen Falles zu entscheiden imstande sind, ob wirklich ein künstlerisches Interesse oder eine Handlung schnöder Reklame vorliegt. Ich glaube also, daß es auch in diesem Punkte schließlich zu einer Verständigung in der Kommission kommen wird Abg. vr. Pieschel (ul.): .... Was den K 184 anlangt, so möchte ich den Herren Träger und Horwitz nur sagen, daß man doch dem Arbitrinm des Richters einigen Spielraum lassen müsse in Bezug auf das Strafmaß und auch auf die thatsäch- lichcn Feststellungen. Denn man kann nicht alle vorkommenden Fälle so genau fixieren, daß man das Gesetz nur wie ein Schema daraus zu legen braucht und so entscheidet Die Vorlage wurde an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen. Die Berichtigungen in der Sache Nllers-Coniher. Von O. Bähr. Meinem in Nr. 291 des Börsenblattes mitgeteilten Aufsatze über die Sache Allers-Conitzer hat die Redaktion d. Bl. eine Anzahl »Berichtigungen« folgen lassen, die der Vertreter des Malers Alters, Herr Rechtsanwalt John Alexander in Hamburg, an sie eingcsandt hat. Die Berichtigungen sind nicht von der Art, daß sie Thatsachen, die meiner Beurteilung zu Grunde liegen, als unrichtig nachwiesen und richtig stellten. Vielmehr bemängeln sie meine Beurteilung, wobei sie selbst unrichtige That sachen zu Hilfe nehmen. Unrichtig ist, wenn in der Berichtigung Nr. 5 unterstellt wird, daß mir das Urteil gegen Conitzer und Schönthan gar nicht Vorgelegen habe. Nur die Lesung dieses Urteils sin dein Abdruck des Börsenblattes) hat meine Entrüstung über den Rechtssall wachgerusen und mich zu dem Aufsatze veranlaßt. Die thatsächlichen Mitteilungen meines Aufsatzes entsprechen genau dem Inhalte dieses Urteils, das ich noch besitze. Sb Allers in dem Strafverfahren gesagt oder nicht gesagt hat, daß die Zeichnungen in künstlerischer Beziehung weit hinter seinen übrigen Werken zurückständcn, kann ich natürlich nicht wissen. Er hat aber doch früher gesagt, daß sie »Dreck« seien, was ungefähr auf dasselbe hinausläuft. Hat er diese Auffassung später aufgegeben und die Verletzung seiner Künstlerehre nur damit begründet, daß »kein vernünftiger Mensch die zum Zweck der Verkleinerung gezeichneten Bilder in Originalgröße habe heraus geben können«, so wird dadurch die Sache erst recht schlimm. Denn dieser Aufstellung stellt sich die Frage gegenüber, ob wohl irgend ein vernünftiger Mensch zu der Annahme gelangen könne, daß durch die Herausgabe wertvoller Zeichnungen genau in der Größe, wie sie der Künstler selbst angefertigt hat (und wie Allers auch sonst seine Figuren zu zeichnen Pflegt), der Ruf dieses Künstlers so herabgewürdigt sei, daß die Heraus geber dafür eine Strafe von 1500 ^ und die Verurteilung zu einer Buße von 6000 ^ verdient haben. Nicht minder unrichtig ist, wenn in der Berichtigung Nr. 8 unterstellt wird, daß ich das oorxus äslieti, die von Conitzer herausgegebene Mappe, gar nicht gesehen habe. Ich habe die Mappe und zur Vergleichung auch die Illustrationen wochen lang im Hause gehabt, sie auch vielen Freunden gezeigt. Wir alle haben uns an den Bildern der Mappe sehr er freut, auch an den scherzhaften Unterschriften derselben er götzt. Ich habe die Mappe und die Illustrationen auch einem namhaften Künstler vorgelegt, und er hat, überein stimmend mit mir, gefunden, daß die Bilder in der Mappe weit besser seien, als die Illustrationen. Wenn in allen diesen Punkten Herr Alexander anderer Ansicht ist, so ist das Geschmackssache. Wie aber kann der Herr Rechtsanwalt es wagen, nachdem ich mich über diese Dinge in einer Weise ausgesprochen hatte, die nur auf einem Selbstsehen beruhen konnte, mir mit dem Vorwurf gegenüberzutreten, ich hätte sie gar nicht gesehen? Neu und von Interesse ist die Mitteilung in den Berichtigun gen Nr. 2 und 6, daß Allers schon im April 1891 nach Deutschland zurückgekommen ist und schon damals die Herausgabe der Mappe erfahren hat. (Ich hatte über diesen Punkt vergeblich von meinem Gewährsmanne Auskunft zu erlangen gesucht; er schrieb mir. daß er den Anwalt von Allers darum angegangen, dieser aber sich ausgeschwiegen habe.) Allers brauchte also nur sofort im April öffentlich zu erklären, daß die Herausgabe der Mappe nicht mit seinem Willen geschehen sei, und sein Künstlerruf war gerettet. Damals aber that er keinen solchen Schritt. Wäre nun wirklich, so lange die Mappe als von Allers herausgegeben galt, dessen Künstlerruf so sehr geschädigt worden, so würde ihn doch für die Zeit von April bis November, wo er still saß, — also für sieben Achtel des ganzen in Betracht kommen den Zeitraumes — eine schwere Mitschuld treffen, und es hätte der Satz gegen ihn angewendet werden müssen: tzuoä guis ex sua oulxa äamnum sentit, non intelligitur sentire. Damit steht die Verurteilung der Angeklagten zu Strafe und Buße vollends in der Luft. Wahrscheinlich liegt aber die Sache so, daß Allers im April noch gar nicht daran dachte, die Herausgabe der Mappe wegen Verletzung seines Künstlerrufes anzufechten, daß ihm viel mehr ganz andere Interessen, die sich mit denen seiner Verleger Griese und Boysen decken mochten, dabei am Herzen lagen. Erst später scheint man, vielleicht mit juristischer Beihilfe, darauf ge kommen zu sein, daß man auch den verletzten Künstlerruf ins Treffen führen und daraufhin eine namhafte Buße einklagen könne. Anfangs November wurde dann der Protest gegen die Veröffentlichung vom Stapel gelassen und darauf die Anklage er hoben. Ist dem so — natürlich wird dies alles nur als eine Mutmaßung hier ausgesprochen — so charakterisiert sich damit die Sache von selbst. Wenn in der Berichtigung Nr. 9 darauf hingewiesen wird, daß bei der Buße das freie richterliche Ermessen entscheide, so bedeutet das doch nicht, daß die Buße nach reiner Willkür und losgctrennt von allen Rechtsgrundsätzen zuerkannt werden dürste. Wenn aber ferner dort gesagt wird, daß dabei auch »ethische Grundsätze« in Betracht kommen, so verstehe ich nicht, was das heißen soll. Ist die Einforderung der übertriebenen Buße etwa ethischer, als die Handlungsweise der Angeklagten? Etwas Aehnliches ist mir neulich schon begegnet. Es wurde ge sagt: es wäre doch kein gerechter Anlaß für mich gewesen, dieser Art des gerichtlichen Einschreitens gegen eine echt jüdische Profit macherei entgegenzutreten. Soll das heißen: das Urteil war gerechtfertigt, weil Conitzer ein Jude ist? Mag man über den
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