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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.12.1892
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- 15.12.1892
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- Deutsch
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7770 Nichtamtlicher Teil. 291, 15. Dezember 1892. Und selbst wenn dies der Fall sei» sollte: hat er während seines Aufenthalts in Capri nichts von der Herausgabe der Mappe erfahren? Haben seine Verleger, Griese und Boysen, die doch so verwundert und entrüstet über die neue Mappe waren, nicht an ihn geschrieben und ihn benachrichtigt? Es ist ja mög lich, daß sich alle diese Fragen zu Gunsten von Allers erledigen. Aber sie hätten doch einer Aufklärung bedurft, die sie, so weit das Urteil erkennen läßt, nicht gefunden haben. Wenn Allers, nachdem er von der Mappe erfahren hatte, monatelang still ge sessen haben sollte, so würde ihn bei der angeblichen Beeinträch tigung seines Künstlerrufes eine schwere Mitschuld treffen, und in gleichem Maße würden die Angeklagten von dem gegen sie erhobenen Vorwurf entlastet werden. Wir halten aber auch die ganze »erhebliche Einbuße«, die Allers an seinem Küustlerrufe erlitten haben soll, für eine künst lich aufgebauschte imaginäre Größe. Hätte die Firma Conitzer Bilder, die von irgend einem Stümper herrührten, unter dem Namen Allers veröffentlicht, dann ließe sich vielleicht sage», daß die Angeklagten wegen Verletzung der Aller'sschen Künstlerehre eine Strafe von eintausendfünshundert Mark verdient hätten. Was war denn aber hier geschehen? Echte Zeichnungen von Allers waren in kunstgerechter Form — weit besser als in den Illustra tionen — vervielfältigt und in durchaus würdiger Ausstattung veröffentlicht worden. Die Bedeutung der Bilder war auch durch die, ohne Zweifel von Schönthan herrührenden, hübschen und scherzhaften Unterschriften genügend klargemacht. Allers selbst hatte die Zeichnungen zunächst zu den Illustrationen hergegeben. Er hatte auch in eine weitere Veröffentlichung gewilligt. Er machte also durchaus kein Geheimnis aus den Zeichnungen. Sie waren längst als sein Werk bekannt. Wie konnte nun dadurch, daß die Angeklagten diese Zeichnungen in durchaus kunstgerechter Form Wiedergaben, der Künstlerruf von Allers geschädigt werden ? War wegen der Herausgabe der Mappe in ihrer anspruchsvollen Form ein Vorwurf wider Allers zu erheben, so konnte es nur der sein, daß er allzu sehr beflissen sei, auch aus minderwertigen Leistungen einen möglichst großen geschäftlichen Nutzen zu ziehen. Dieser Vorwurf traf ihn aber nicht als Künstler, sondern als Mensche». Und wenn er dagegen empfindlich war, so mußte er auch nicht in dem hier besprochenen Prozeß eine Klage auf zwölf tausend Mark Buße erhebe». Aber die »Gutachten der Sachverständigen«, auf die sich das Gericht beruft? Allerdings hat der Kunsthändler Meder ausgesagt, er habe bei der Mappe den Eindruck gehabt, daß sie nicht in dieser Form für die Reproduktion bestimmt gewesen sei; er habe gleich gesagt, Allers müsse wohl, wenn nicht ein Miß brauch mit seinen Zeichnungen getrieben worden sei, auf seinen Ruf als Künstler nicht mehr viel geben. Der Buchhändler Boysen hat ausgesagt, er würde die Mappe gar nicht für ein Werk von Allers gehalten haben, wenn nicht sein Name unter den Bildern gestanden hätte. Boysen und Griese — beide sind Verleger von früheren Mappen — haben dann noch ausgesagt, nach Er scheinen der Mappe sei man in Künstler- und Laienkreisen geradezu entrüstet gewesen, wie Allers solche Bilder herausgeben könne. Vor allen Dingen sei aber Allers selbst, als er nach seiner Rückkehr von der Orientreise die Mappe gesehen habe, aufs äußerste überrascht und empört gewesen. Was soll man nun zu dem alle» sagen? Es ist ja jedem Juristen bekannt, daß Sachverständige das unzuverlässigste Beweis mittel sind. Sie ergehen sich oft in den einseitigsten und befangensten Aussprüchen. Gerade deshalb hat die deutsche Civilprozeßordnung bestimmt, daß das Gericht au das Gutachten von Sachverständigen durchaus nicht gebunden sein soll, vielmehr auf Grund freier Beweiswürdigung zu prüfen habe, inwieweit deren Anssprüche Glauben verdienen. Am wenigsten aber kann die Aussage von Sachver ständigen auf Untrüglichkeit Anspruch machen, wenn sie einseitig von einer Partei benannt oder gar selbst bei der Sache beteiligt sind. Das war aber hier der Fall. Die Verleger früherer Mappen von Allers waren gewiß nicht die Männer, die dem Erscheinen dieser neuen Mappe unbefangen gegenüberstanden, ganz abgesehen von dem Verhältnis, in dem sie persönlich zu Allers stehen mochten. Hätte das Landgericht die Aussagen dieser Sachverständigen einer genauer» Prüfung unterzogen, so würde es sicherlich deren Unwert erkannt haben. Es würde gefunden haben, daß die Bilder, wenn auch in anderer Manier hergestellt und vielleicht auch minder bedeutend als die Bilder früherer Mappen, doch in ihrer Art vortrefflich waren. Tausende, die an den Zeich nungen von Allers Freude finden und sie kaufen, werden einen Unterschied in dem künstlerischen Werte dieser Bilder und früherer kaum entdecken. Und wenn Allers, was wir gern glauben, bei dem Anblick der Mappe sehr erregt war, so glauben wir doch, daß ihn dabei weniger der Schmerz über seinen beeinträchtigten Künstlerruf, als vielmehr der — nicht unberechtigte — Aerger erregt hat, daß hier eine Erlaubnis, die er unbedachterweise ohne jeden Entgelt erteilt hatte, zu einem gewinnreicheu Unternehmen ausgcnutzt werden sollte. Dies mochte ihn auf den Gedanken bringen, ob nicht aus den Bildern, die er freilich als »Trödel" und »Dreck» bezeichnet hatte, doch noch ein Gewinn für ihn selbst herauszuschlagen sei. Und das ist ihm den» auch mit Hilfe der modernen Rechtskunst in vollstem Maße gelungen. Denn nicht nur eine Strafe von 1500 sondern auch eine Buße von 6000 ^ hat das Landgericht jedem der beiden Angeklagten auferlegt, Allers also eine Entschädigung von 12 000 zuerkannt. Auch hier wird der Schade, der Allers angeblich zugefügt worden sein soll, auf die Minderung seiner Künstlerchre zurückgeführt, und auch hier spielen die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen Griese und Boysen die ent scheidende Rolle. Griese bekundet, daß von den in seinem Verlage befindlichen beiden Mappen von Allers im Jahre vorher fünf und sechs Auslagen, im Jahre 1891 aber nur eine Auflage abgesetzt worden sei. Boysen, der ebenfalls zwei Mappen in Verlag hat, bekundet, daß mit diesen seine Reisenden im Jahre 1891 sehr schlechte Geschäfte gemacht hätten. Das soll nun seinen Grund darin haben, daß das Publikum durch das Erscheinen der neuen Mappe abgeschreckt worden sei, überhaupt noch Werke von Allers zu kausen. Boysen erklärt, daß die von Allers ge forderte Buße von 12 000 ^ keinesfalls zu hoch bemessen,*) sondern durchaus angemessen sei. Griese führt zur Darlegung des von Allers erlittenen Schadens an, daß Allers von ihm für jede verkaufte Mappe fünf Mark erhalte Das ist in der That eine wunderbare Begründung! Aus künstlerischer Entrüstung über die neue Mappe soll das Publikum von den älteren Mappe» vier und fünf Auflagen weniger, also, die Auslage zu 1000 Stück gerechnet, 9000 Stück weniger ge kauft haben! Als ob sich irgend ein vernünftiger Mensch ab halten ließe, ein gutes Schrift- oder Kunstwerk, das ihm gefällt, zu kaufen, weil ein minderwertiges Werk desselben Meisters daneben besteht! Und ist denn etwa jedem, der in einen Laden trat, um eine ältere Mappe von Allers zu kaufen, sofort auch die neue Mappe vorgelegt worden, um zu prüfen, ob darnach die ältere auch noch des Kaufes würdig sei? War denn auch wirklich die neue Mappe so entsetzlich erschreckend? Wem sie nicht gefiel, der brauchte sie ja nicht zu kaufen. Wenn nach dem Zeugnis der Kunsthändler die älteren Mappen im Jahre 1891 schlecht gegangen sind, so erklärt sich das einfach daraus, daß das *) Hierzu bemerke ich, daß Herr Griese allerdings einen bestimmten Betrag als den Herrn Allers erwachsenden Schaden nannte (ob es 12 000 ^ waren, erinnere ich nicht mehr genau), daß ich aber, als ich nach ihm vom Vorsitzende» gefragt wurde, ob ich diese Summe für angemessen halte, ausdrücklich erklärte, daß ich nicht in der Lage sei, einen bestimmten Betrag zu nennen, daß aber der Absatz der zwei von mir vertriebenen Allers'schen Mappen unter dem schlechten Eindruck, welchen der -Amateur photograph» gemacht habe, ersichtlich sehr bedeutend gelitten habe. Hamburg, 11. Dezember 1892. C. Boysen.
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