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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.04.1922
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1922-04-27
- Erscheinungsdatum
- 27.04.1922
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- Deutsch
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X- 98, 27. April 1922. Redaktioneller Teil. freudig bereit, das eigene Interesse (mit idealistischen Phrasen verbrämt) im wirlschasilichen Kampf als das Allerwichtigste hin- zustellen? Wimmelt es nicht im Börsenblatt von -praktischen« Vorschlägen zur Abhilfe jeglichen Übelstandes? Und doch, es ist so. Es ist wahr, der Buchhandel schläft, er ist rückständig wie eine gelbe Thurn- und Taxissche Postkutsche auf dem Berliner Pflaster. Rückständig wie ein Kaffeeklatsch bie derer Kleinstädterinnen unweit einer großen elektrischen Kraft- zentrale, die das pulsierende Leben einer Millionenstadt bestimmt. Der Buchhandel ist stolz daraus, von alters her eine alle Mit glieder umfassende Organisation zu besitzen, auf seine gemein samen Einrichtungen, auf sein »Herr Kollege« (dasselbe wie Ge nosse); er meint, er sei eine Gemeinschaft (zumal bei der Oster messe in Aeckerleins Weinkeller). Im Grunde genommen ist der Buchhandel aber keine Gemeinschaft, denn er zerfällt in Atome. Haben Sie, lieber Genosse, schon einmal eine Gruppe von Ver legern in der Art unter einen Hut gebracht, daß sie das allge meine wirtschaftliche Interesse vor ihr eignes Sonderinieresse stellten? Kommt da nicht jeder mit irgendeinem Bedenken? Ich habe eine billige Serie! Ich Pflege den Sortimenter individuell anzusassen, das heißt dann, ich suche meine Konkurrenz mit jenem Mittel des kleinen Krämers zu schlagen, indem ich ein besonders billiges Vorzugsangebot mache! Er redet von seinen Geschäfts geheimnissen, die er nicht verraten möchte, weil er sich nicht in die Karten gucken lassen will, und ahnt gar nicht, daß große wirt schaftliche Gesetze hinter seinen Kalkulationen stehen und daß alle Kollegen die gleichen geschäftlichen Erkenntnisse haben, die rück ständigen nur manchmal etwas später. Oh, ich werde immer nervös, wenn ich höre: »die besondere Eigenart meines Verlages erfordert«, und dann sehe ich mir das Gesicht an, es ist immer derselbe spitze Gesichtstypus, das »Kalkulationsgesicht« nenne ich es innerlich. Ich lasse mir es aber nicht merken, was ich denke, und sage nur liebenswürdig: »Herr Oberkollege, Ihnen gegenüber bin ich ein Buchschuster-. (Damit ist aber nicht jener wahrhafte Oberkollege in Leipzig gemeint, den ich so nenne, wenn wir uns etwas gemütlich anpflaumen, i-o ton kalt ia musigus.) Gott sei Dank gibt es auch noch breite Gesichter im Buchhandel (ich bitte nicht mit dem Zentimetermatz zu messen, die Breite liegt manch mal nur in den Augen), und an diese wende ich mich, nicht zur Gründung eines neuen Vereins, sondernkommunistisch gesprochen zur Gründung eines revolutionä ren Stoßtrupps! Manche Kollegen haben mich schon immer für einen unzu verlässigen, verkappten Bolschewisten gehalten. Ich nehme an, sie werden an dieser Stelle ihre Lektüre zur Rettung ihres Seelen heils abbrechen. Ich möchte sie nur kurz mit dem Hinweis be ruhigen, daß das Wort Stoßtrupp bereits in Schützengräben ge bräuchlich war. Aber jene Sortimenter, die nicht mehr wissen, daß sie mit dem Verleger die gleiche Mutter Buchhandel haben, können hier ruhig abbrechen. Denn nachdem ich konstatiert habe, daß bei den meisten meiner Berufsgenossen im Verlag und auch im Sortiment (das ist ja ohne Beweis ein offenes Geheimnis) das Sonderinteresse über dem allgemeinen Interesse steht, möchte ich den Stil des Fehdebriefes wechseln, alle Anpflaumungen bei seite lassen und Mitverschworene werben, nicht um zu stürzen, son dern um aufzubauen. Also ein Stoßtrupp des Aufbaues. Wir befinden uns in einer Papierkatastrophe sondergleichen, deren umstürzende nahe Auswirkungen wir nur erst ahnen. Ein Roman in Bälde 100 Mark! Welcher Verleger kann da noch dem Autor 207» geben, wie es im rechtsgültigen Kontrakt schwarz auf weiß steht, welcher Sortimenter wagt da noch von einem 2liprozentigen Teuerungszuschlag zu reden? Ich stelle beispiels weise Anfang Januar all mein verfügbares Kapital für eine meh- rere Millionen betragende Papierbestellung zurück, das Papier trifft im April ein und kostet das Doppelte! Woher das Geld nehmen? Löst sich nicht ein Felsblock im Gebirge los und wird zur Lawine, die da heißt Vernichtung aller selbständigen Ver- legerexiftenzen? Und ist deren Resultat etwa allgemeine Ver trustung in Aktiengesellschaften? Noch nie hat der Buchhandel volkswirtschaftlich gedacht, d. h. volkswirtschaftlich seine Zusammenhänge mit den allgemeinen wirtschaftlichen Gesetzen durchdacht, er war bisher ein richtiges Abbild der vornapoleonischen Kleinstaaterei, er zerfiel in unend lich viele kleine Souveränitäten. Hat er je daran gedacht, sich gemeinwirtschaftlich gegen die sicher kommenden Rückschläge der bisherigen Hochkonjunktur zu sichern? Hat je einer im Auftrag des Börsenvereins oder einer beliebigen andern Gruppe verfolgt, welche Wege meinetwegen Schwerindustrie oder sonstige wirt schaftliche Verbände gehen, um sich gemeinsam zu stützen? Hat denn eine Stelle die Buchverleger schnell zusammengerufen, um ähnlich wie die Zeitungsberleger Stellung zu den Papierpreisen zu nehmen und sich selbst und später das Publikum aufzuklären? Haben je gemeinschaftliche Beratungen über Bewertungsgrund sätze gegenüber den Steuerveranlagungen stattgesunden? Leiden wir Verleger nicht alle darunter, daß der sogenannte Vermögens zuwachs an Papiermark berechnet wird im Verhältnis zur ursprünglichen Goldmark? »Geben Sie denn nicht im Buchhandel einheitliche Steuer erklärungen ab, deren Prinzipien von einer Zentrale festgestelll werden?» fragte mich kürzlich der Syndikus eines großen Jndu- strieverbandes. Er war ganz erstaunt, daß wir im Buchhandel noch völlig im Zustande der Anarchie lebten. Woran liegt das? Pocht denn die Realität des Lebens nicht an die Tore des Buch handels? Immer hat er sich für einen Pionier des geistigen Lebens gehalten, aber kann denn das geistige Leben für sich ge trennt vom wirtschaftlichen bestehen? Die Steuer streicht uns Verlegern die notwendigen Reservekonten für Erneuerung des Buchvcrlages als Verschleierung des Gewinnes. Wo ist eine Fach vertretung, die dann sofort eintritt? Ich hörte kürzlich ganz zu- fällig von einer vorzüglich organisierten Gruppe einer Groß industrie, daß sie, um ihre Rücklagen für jene wirtschaftliche Kri sis, die eintritt, sobald die Valuta stabilisiert ist, zu sichern, sür sämtliche Mitglieder eine Versicherungsgesellschaft mit erheblichen Beiträgen gegründet hat, die genügen, um die ganze Industrie in schwerer Krisis über Wasser zu Hallen. Hat der Buchhandel schon jemals darüber nachgedacht, wie er sich bei eintretendem Rückschlag organisatorisch sichern will? Oder meint man: das ist Sache des Vorstandes vom Börsen verein oder irgendeiner Kommission, die mag das Richtige finden? Meine Schuld ist es nicht, wenn nichts in Gang kommt, sagt Herr Schmidt und denkt nicht daran, daß sein Vorfahr einstmals mit dem Hammer zuschlagen konnte und vielleicht im Mittelalter die feindlichen Angreifer mit seinen derben Fäusten höchst eigen händig von der Stadtmauer herunterwarf. Was ist zu tun? Zuerst negativ gesprochen: es ist kein neuer Verein zu grün den, keine erweiterte Kommisstonsberatung zu befürworten, kein Antrag zur Kantateversammlung einzubringen. Weder eine Sprechsaaldebatte im Börsenblatt ist nötig, noch sind gewandte Redner oder sonstige Retter der Situation zu entdecken, sondern es ist weiter nichts fürs Nächste zu tun, als fern der großen Stadt in schöner Einsamkeit einen großen runden Tisch zu suchen, an dem sich etwa zwölf Personen zusammensetzen können. An die sem Tisch aber haben sie ohne jede Geschäftsordnung etwa drei Tage zusammen zu leben. Der »Tisch« kann z. B. eine Wald lichtung oder Blumenwiese sein, hielten doch auch unsere Vor fahren ihr Thing im Freien. Notwendig ist aber, daß diese zwölf Menschen objektiv denken können, d. h. nicht bloß logisch, sondern mit ihrem ganzen Menschentum, daß sie das Allgemeine über das Persönliche stellen. Ich weiß zwei schöne Burgen im Saaletal, wo es sich gut leben läßt. Man fühlt sich gleich zu Hause dort. Ganz zu einem platonischen Symposion geeignet. Dort wollen wir uns zu einer »Bauhütte« zusammenschlietzen, ich will aber lieber Geselle als Meister sein. Wir Zwölf laden uns noch einige ein, die uns über wirt schaftliche Fragen sachverständig belehren. Grundsätze der Papier- Preissteigerung, Grundsätze der Druckpreissteigerung, Grundsätze bei Steuerfragen. Dann tauschen wir, ohne Angst, Geschäftsge- Heimnisse zu verraten, unsere eigenen geschäftlichen Grundsätze aus, reden über Honorare, Spesen und anderes und werden dann entdecken, daß das Wesentliche der Verlagsleitung letzten Endes im Irrationalen steckt und überhaupt nicht mitteilbar ist. Und 577
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