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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.04.1922
- Strukturtyp
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- 1922-04-27
- Erscheinungsdatum
- 27.04.1922
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- Deutsch
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W 98. 27. April 1922. Redaktioneller Teil. Der deutsche Buchhandel ist das seltene Beispiel einer ziem lich in sich abgeschlossenen Wirtschaftsgemeinschaft, und wenn er als solche unter den jeweiligen Verhältnissen zielbewußt die rich tigen Konsequenzen gezogen hätte, so würde er schon längst das sein, was heute auf anderen Gebieten mit viel größeren Schwie rigkeiten angestrebt wird, und er könnte angesichts der unsicheren Verhältnisse eine willkommene Macht verkörpern. Anstatt dessen hat aber der deutsche Buchhandel eine Entwicklung gezeigt, die unrettbar der Auflösung zustrebt, wenn nicht noch im letzten Augenblick die bessere Einsicht siegt: Zwangsbcwirtschastung des Papiers — Verlegerteuerungszuschlag — Sortimenterteuerungs zuschlag — Niedrighaltung der Preise — ungenügende Rabattie- rung — Benachteiligung der Autoren — Bücherausfuhrverbot — Valutaordnung — Uneinigkeit zwischen Verlag und Sortiment — Mißtrauen des Bücherkäufers im In- und Auslände. Die eigentliche Ursache aller Unordnung im Wirtschafts leben ist die Einmischung der Behörden. Diese haben in der Wirtschaft ungefähr dasselbe Unheil angerichtet, das entstehen würde, wenn ein Rechtsanwalt mit den Mitteln, die nur seiner Materie angepatzt sind, in den Beruf eines Arztes hineinpfuschen wollte. Dazu kommt noch die verhängnisvolle Eigenschaft des Deutschen, sich als Behörde über Gebühr wichtig machen und als »Untertan- jede Behörde ernst nehmen zu müssen, selbst wenn sie Unsinn verkörpert. Das ist der bedenkliche Mangel an »Zivil courage-, der selbst Bismarck zuweilen an den Deutschen ver zweifeln ließ. Das Buch ist nun einmal nicht eine Ware wie jede andere, es ist kein Gegenstand des täglichen Bedarfs, es ist aber auch kein Luxusartikel. Nur aus dieser eigentümlichen Eigenschaft des Buches heraus ist die Organisation des deutschen Buchhan dels, die schließlich die Organisation des Buchhandels in der Welt bedeutet hat und hoffentlich wieder einmal bedeuten wird, zu ver stehen. Organisiert, rationiert man aber das Buch und sein Zube- hör wie Maschinen, Getreide, Kartoffeln usw., so tötet man nicht nur das Buch, sondern man tötet zugleich das Leben. Das Buch ist das Korrcspondenzmittel des geistigen, wirtschaftlichen und poli tischen Verkehrs, der Schrittmacher, der Vorbote aller mensch lichen Beziehungen, der nach einer langen Unterbrechung dieser Beziehungen unentbehrlicher ist als je. Deshalb muß das Buch frei sein wie das Wort, der Brief, der elektrische Funke, der die Menschen weckt. Es ist aber ein großer Irrtum, anzunehmen, daß deshalb das Buch billig sein müsse, so billig, daß der geistige Urheber, der materielle Produzent und der Händler daran zugrundegehen. Es ist auch gar nicht die Höhe der Bücherpreisc, die die Uneinig, keit im Buchhandel, das Mißtrauen der Autoren und des Publi kums geweckt hat, sondern cs ist. die jeder kaufmännischen Übung spottende, dem Wesen des Buchhandels fremde Unaufrichtigkeit in der Preisbildung! Während die Regierungen der ganzen Welt in der Ausbeu- tung ihrer Bürger wetteifern und jedermann weiß, daß Deutsch land die übernommenen Verpflichtungen nie wird erfüllen kön nen, bemüht sich der deutsche Buchhandel, der Welt zu demon strieren, wie ungeheuer billig das deutsche Buch ist. Ist es etwa eine Ehre, ein Verdienst oder eine Wohltat, wenn der Kaufmann seine Ware verschenkt? Gewiß dem größten Teil der Bücher- produktion sind hohe Preise nicht gemäß, aber für diese sind auch die niedrigsten Preise noch zu hoch. Hochwertige Geisteserzeug nisse dagegen, die Resultate der Forschung, jahrzehntelanger Arbeit Einzelner, Bausteine, die von Generationen zusammengesügt wor den sind, aber auch gute Dichtung, bildende Kunst und Musik kön nen gar nicht teuer genug sein. Die leichte und würdelose Preis gabe ihrer Leistungen, von denen sie gerne mehr reden und schrei ben, als der gute Geschmack zuläßt, hat das Ansehen der Deutschen in der Welt von jeher stark beeinträchtigt. Wenn der deutsche Buchhandel nicht mit der Zeit gehen will, so kann er doch nicht verhindern, daß die Zeit ohne den deutschen Buchhandel weiterschreitet. Die Masse des Papiergeldes wurde zu lange für Reichtum angesehen. Die Abwanderung treuer Kundschaft wurde nicht bemerkt. Tcucrungszuschläge sind dazu da, umgangen zu werden Die wenigen noch verbleibenden großen Bücherkäufer haben längst die Quellen entdeckt, wo sic zum Laden- Preis, Portofrei bedient werden. Bei 25 bis 33t/;"/» Teuerungszu schlag lohnt sich in manchen Fällen sogar die Reise an die richtige Quelle. Der dem Sortiment noch verbleibende Umsatz verteilt sich auf zu Viele. Wenn es heute 5l>?s Rabatt sind, werden es morgen 60^ sein, die nicht mehr ausreichen, die Existenz zu er halten. Der Verleger wird nicht Zurückbleiben wollen, wenn das Sortiment erklärt, daß es unter I905S Aufschlag auf seine Ein kaufspreise nicht existieren könne. Die großen Berliner Sorti menter machen die letzte Anstrengung, den Ladenpreis zu halten, denn sie spüren bereits am eigenen Leibe, wohin es geht, und die Warenhäuser sind von Kaufleutcn geleitet! Fällt der Ladenpreis, so kommen wir zum Katalogpreis, den die Warenhäuser schon längst Mindestverkaufspreis nennen. Auf diesen Preis kann jeder beliebig ausschlagen — oder auch nicht. Je höher die Aufschläge, desto geringer der Rabatt. Der Katalogpreis wird schließlich zum Nettopreis. Die Konsumenten melden ihre Rechte an, sie sind schon organisiert, sie werden auch Bücher gemeinsam ein kaufen, gerade Bücher, denn was eignet sich besser dazu, und diese werden sic ihren Mitgliedern möglichst billig zukommen lassen. Die Kaufkraft läßt nach, der Konkurrenzkampf im Sortiment zwingt zum Mindestverkaufspreis, und man wird den Tag ver fluchen, an welchem der Ladenpreis endgültig fiel. Der weitver zweigte deutsche Buchhandel, einst ein Segen, ist schon heute eine Last geworden. Die Verleger sind nicht mehr gewillt, noch länger Arzt und Apotheke für eine Krankheit zu bezahlen, die nicht zu heilen ist. Der Abgrund tut sich auf, und es werden nicht die Schlechtesten sein, die darin begraben werden. Es ist kein Geheimnis mehr: der Buchhandel arbei- tet schon lange unwirtschaftlich. Der Aufwand an Wissen und Können, an Zeit und Arbeitskraft steht in keinem rich tigen Verhältnis mehr zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Grundlegende Änderungen sind deshalb unvermeidlich. Die Buchproduktion muß bedeutend eingeschränkt werden. Der Pro duktionsprozeß muß vertikal und horizontal vereinfacht werden. Die Betriebs- und Vcrtriebsmethodcn des Buchhandels sind ver altet. Die Verleger werden sich eines Tages scheiden müssen in solche, die neue einmalige Werte schaffen, und solche, die Goethes »Faust- oder Heines »Buch der Lieder- billig oder als Luxus druck zum siebenhundertdieiundsünfzigsten Male neu Herausgebern oder die glauben, daß dem Liebes- und Eheproblem in einem neuen Roman eine neue Seite abgewonnen werden könne. Wer wirkliche Werte schafft, ist in der Lage, seine Bedingungen zu stellen, wer Konkurrenzartikcl produziert, muß bei allem, was er tut oder nicht tut, notwendigerweise mit dem einen Auge nach dem Konkurrenten schielen. Außerdem verdienen zu viele Instan zen am Buche: Wenn man von Kohle und Rohstoffen absieht, die die Grundlage für jede wirtschaftliche Tätigkeit bilden, so bleiben immer noch: die Papierfabrik, — wie Textil- und Lederfabrik, — die Schriftgießerei, — der Buchdrucker, — der Buchbinder, — der Verleger, — der Autor, — der Reisende, — der Kommissionär, — das Sortiment, — und dazu kommen noch all die Zwischen instanzen, die Agenten, die Großsortimente, Barsortimente, wie neuerdings Schieber und Wucherer, die alle ihre Provisionen ein- heimsen wollen. Der Einzige aber, der beim Buche ein Risiko bringt, ist der Verleger, denn alle anderen kaufen und verkaufen nur festbestellte Waren gegen bar, während der Verleger in den seltensten Fällen vorher weiß, ob er seine Ware absetzt. Bekannt lich kommt auf etwa zehn Bücher ein Buch, das wirklich verkäuf lich ist, und Kausleute, die Einblicke in die Tätigkeit eines Ver legers und seine Gewinnchancen haben, bedanken sich für diese »interessante Tätigkeit-. Es muß ein einheitlicher Typus des Buches angestrebt wer den. Wozu ist es notwendig, daß in einem Verlag Hunderte von Formaten, Papiersorten und anderen Materialien Vorkommen? Ich habe ein Papierformat, eine Papierqualität, ein Buch format, eine Type, einen Einbandstoff, e i n Umschlagpapier und variiere nur in dem Entwurf des Einbandes, der von ver schiedenen Künstlern ausgeführt wird. Ich bin auch bestrebt, nur mit einer Papierfabrik, einer Buchdruckerei und einer Buch binderei auszukommen, aber nicht alle Lieferanten haben für ein solches altmodisches Treueverhältnis Verständnis. Ich verlege nur den zehnten Teil dessen, was ich verlegen könnte, setze mich aber für 57ö
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