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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.11.1893
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- Erscheinungsdatum
- 30.11.1893
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- Deutsch
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^ 278, 30. November 1893 Nichtamtlicher Teil. 7411 das Gebiet der ausstellenden Behörde nur für Musikaufführungen, Schaustellungen, theatralische Vorstellungen oder sonstige Lustbar keiten, bei denen kein höheres Interesse der Kunst und Wissen schaft obwaltet*), jetzt soll den Behörden für alle Gewerbe eine Vollmacht gegeben werden, die einer Diktatur gleichkommt. Die Behörden sollen im voraus das Bedürfnis an Wander- gcwerbescheinen für ein ganzes Jahr bestimmen! Ja woher sollen denn die Behörden die Summe von Weisheit und Voraussicht nehmen, welche zur Erfüllung eines solchen Mandates erforderlich ist? Es soll nicht gesagt werden, daß wir Grund hätten, mit unseren Behörden unzufrieden zu sein, am allerwenigste» da, wo sie an eine streng und klar vom Gesetz vorgcschriebcne Pflicht sich zu halten haben; aber die Un zulänglichkeit menschlicher Weisheit zeigt sich auch bei ihnen da, Ivo man ihrem beliebigen Schalten und Walten die Geschicke der Bürger anvertraut — wovon wir ja Beispiele genug gegeben haben. Es ist daher höchst gefährlich, ihnen Vollmachten zu erteilen, die zum Mißbrauch geradezu herausfordern. Wer diese den Be hörden in die Hand giebt, hat entweder von der Tragweite seiner Handlung gar keine Vorstellung oder er handelt nnt einer raffinierten Böswilligkeit. Der Wandergewerbeschein ist seiner ursprünglichen Be stimmung nach nur gedacht für Leute, die »wandern«, nicht aber für »Geschäftsreisende«. Der wandernde, umherziehende Handels mann hat sein Hab und Gut bei sich und handelt mit allen möglichen Waren, ohne bestimmten Beruf, den ihn seine Waren- gatluug zurechnete. Die Gewerbeordnung unterscheidet ihn von dem »reisenden- Geschästsmanne sehr richtig dadurch, daß er ein stän diges Geschäftslokal nicht besitzt; er steht nur für sich allein, sorgt für sich und hat keinen Prinzipal, dem er Rechenschaft abzulegen hätte oder in dessen Namen er seine Waren verkauft oder Be stellungen anniinmt. Schon durch die bisher von einem großen Teil der zu ständigen Behörde» beliebte Forderung des Wandergewerbescheins für die angestellteu Reisenden der Volksbuchhändler ist dieser Unterschied verwischt worden und es haben sich daraus große Mißstände ergeben. Der Prinzipal hatte selbstverständlich die er hebliche Steuer für den Wandergewerbeschein zu zahlen, und es ist häufig vorgckommen, daß die Reisenden, nachdem sie diese Legitimation erlangt hatten, sie benutzten, um für einen anderen Prinzipal oder für eigene Rechnung das Geschäft zu betreiben, so daß jener den Schaden davon hatte, ohne ein gesetzliches Mittel, sich dagegen zu schützen. Immerhin gewährte der Wandergcwerbcschcin das Recht, im ganzen deutschen Reiche das bezeichnete Gewerbe zu treiben. Der Reisende fühlte sich damit als Angehöriger des einen großen deutschen Vaterlandes und war nicht genötigt, beständig ans der Karte zu forschen, in welchem der 26 deutschen Vaterländer er sich gerade befinde und ob ihm die Ausübung seines Erwerbs zweiges da gestattet sei. Anders soll cs jetzt werden. Vor welche Zustände wir damit gestellt werden, zeigt recht drastisch das Beispiel von Leipzig. Die Ausbreitung der Leip ziger Buchhändler nach auswärts ist eine besonders intensive, da einesteils die Platzverhältnisse den Betrieb sehr begünstigen, diese andcrnteils aber auch die Ausdehnung desselben auf eine weitere Umgebung notwendig machen. Will nun ein hiesiger Buchhändler nur im Umkreis der ersten Postzone sein Gewerbe betreiben, so hat er es mit 9 deutschen Staaten**), in jedem dieser Staaten mit einer mehr oder weniger großen Anzahl weiterer Bezirks- *) Gew.-Ord. Z 55, 4. **) Königreiche Sachsen und Preußen, Großherzogtum Sachsen, Her zogtümer Sachs.-Altcnburg, Sachs.-Meiningen und Anhalt, Fürstentümer Reuß ält. und jüng. Linie und Schwarzburg-Rudolstadt. Für einen in Ersurt ansässigen kommen dazu noch KönigreichZBayern, Herzogtümer Sachs.-Cob.-Gotha und Braunschweig und Fürstentum Schwarzburg- Sondershausen. (Preußen mit 3 Provinzialverwaltunoen (Sachsen, Hannover, Hessen-Nassaus). behördcu zu thun, von denen jede eine andere Anschauung über den Wandergcwerbeschein und das Druckschriftenverzeichnis haben wird. Der Reisende muß in beständiger Angst schweben, ob) er nicht bei einer dieser vielen hohen Behörden Anstoß erregt. Bei allen diesen vielen Behörden muß der reisende Geschäfts mann um einen Wandergewerbeschein petitionieren, wahrend er nach der jetzigen Gesetzgebung das Recht hatte, ihn zu fordern, wenn er nicht »mit einer ansteckenden oder abschreckenden Krank heit behaftet oder in abschreckender Weise entstellt ist, unter Polizeiaufsicht steht, wegen gewisser Verbrechen oder entehrender Vergehen bestraft ist, wegen gewohnheitsmäßiger Arbeitsscheu, Trunksucht re. übel berüchtigt ist« u. s. w.*) Nunmehr soll der ehrliche Staatsbürger von der Willkür der Behörde abhängig sein, ob er leben darf oder nicht; denn für eine große Anzahl von Personen sind Wandergewerbe und Geschäftsreisen tatsächlich eine Lebensfrage. Die vorgeschlagene Aenderung des Gesetzes läßt auch den Ausführungsbestimmungen der einzelnen Staaten einen zu großen Spielraum. Es wäre möglich, daß jeder Staat für die Aus dehnung eines Wandergewerbescheines auf sein Gebiet von neuem die darauf lastende Steuer einfordert oder daß jede aus dehnende Behörde für diese Amtshandlung eine erhebliche Stempel- oder Kanzleigebühr verlangt, so daß die dazu erforder lichen Mittel dem Gewerbetreibenden unerschwinglich werden können. Nun ist aber gerade im Buchhandel das Bedürfnis vor handen, daß ein Geschäft sich einen großen Kreis des Absatzes sichert. Denn es kommt häufig vor, daß von solchen für einen Verleger ganze Auflagen oder doch bedeutende Teile eines Ver lagsobjektes abgesetzt werden; wie soll das möglich sein, wenn der Geschäftsmann auf einen engen Bezirk beschränkt ist, wo er nicht einmal die Sicherheit hat, die erforderliche Anzahl von Wandergewerbescheinen zu erlangen. Diese hat er nur dann, wenn seine Reisenden beständig bei ihm in Dienst bleiben, da sie den Anspruch nur dann behalten sollen, wenn sie die letzten drei Jahre beständig in dem Bezirk gereist sind; dieses soll nicht etwa dadurch erlangt werden, daß das Geschäft, die Firma, in dieser Periode hat reisen lassen, sondern dies ist abhängig gemacht von der Person des Reisenden. Es würde bei Gesetzwerdung jener Vorschläge künftig unmöglich sein, eine neue Erscheinung, welche auf einen raschen Absatz angewiesen ist, unterzubringen, wenn man nicht der mit den Wandergewerbescheinen privilegierten Personen sich versichern kann; jedes ohne Voraussicht der Verwaltungsbehörde eintretende neue Bedürfnis steht einer absoluten Unerfüllbarkeit gegenüber. Die Stellung, welche die Behörden dem Volks- und Reise buchhandel gegenüber einnehmen, läßr übrigens erwarten, daß sie das Bedürfnis für Wandergewerbescheine in diesem Gewerbe möglichst gering anschlagen; ja es kann die Behörden niemand hindern, dieses Bedürfnis gänzlich zu leugnen. Wir stehen also vor der Möglichkeit einer gänzlichen Unterdrückung des Vertriebes von Preßerzeugnissen. Jedenfalls würden die eben geschilderten Beschwerungen diesen derartig behindern, daß ein ganz eminentes Herabgehen der Bucherzeugung die unausbleibliche Folge sein müßte. Eine große Anzahl von Werken nützlichster Art, welche bisher durch die Reisenden der Buchhändler Absatz gefunden, müßte verschwinden und aufhören, des Volkes Belehrung und Bildung zu fördern. (Schluß folgt.) *) Gewerbe-Ordnung 88 57, 57a, 57b. SS2»
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