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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.03.1922
- Strukturtyp
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- 1922-03-11
- Erscheinungsdatum
- 11.03.1922
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- Deutsch
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Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 60, N. März !92L Sinne, und darum wird sich der Buchhandel auch nie in das rein kaufmännische, trockene Prinzip einordnen lassem Das ist sein Nachteil, seine Schwierigkeit im heutigen Wirtschaftsleben, die zum ewigen Laborieren führte. Ich will nun hier als Buchhändler, wie ihn das Publikum am ehesten kennen lernt, vor allem den Sortimenter ins Auge fassen. Er ist vielleicht auch der, der mit am stärksten von den buchhändlerischen Bräuchen abhängig ist und berührt wird und überhaupt der echteste Buch»händler« ist. Er, der als Letzter das Buch dem Publikum vermittelt, hat im Grunde nichts gemein mit irgendeinem anderen Verkäufer einer »Ware-; denn er muß sowohl das Subjekt als auch das Objekt in ganz anderer, persönlicherer Art erfassen und nehmen. Der Käufer muß eine sanfte, unaufdringliche Überlegenheit seitens des Verkäusers fühlen. Dann wird sich der Buchhändler auch die Würde ver schaffen, die ihm Gebildet« zollen, die Ungebildete fühlen müssen und die ihm auch zukommt. Gewiß, viele andere Verkäufer müs sen auch ein eigenes Talent und Menschenkenntnis besitzen, um jeden Käufer seinem Wunsch, seinem Geschmack, seiner Person nach möglichst zu befriedigen. Beim Buchhändler muß das aber alles noch viel geistiger, tiefer ausgeprägt sein. Man könnte fast von einem Kunstsinn bei ihm sprechen. Er muß so viel Menschen kenntnis, so viel psychologisches Gefühl in sich haben, daß er möglichst schnell in Kontakt mit Charakter und Seele des Käufers gerät und sofort weiß, was dieser will und möchte, was ihm zu sagt, worüber er sich bet Empfehlung von Unbekanntem freuen muß. Deshalb braucht er noch lange nicht sklavisch einem schlech ten Geschmack, einem niedrigen Instinkt zu dienen, sondern im Gegenteil: begegnet er in der Praxis einem niedrigen, unbehol fenen Verlangen, so soll er dieses unmerklich auf Gutes lenken, das wohl dem besonderen Wunsche (Spannung, viel Handlung, Humor, Derbheit u, a,) des --Klienten« entgegenkommt, aber im Grunde eben doch gut und veredelnd wirkt. Man sollte nie einen Kunden wieder gehen lassen, weil man prinzipiell nicht Courths- Mahler oder dergl, führt! Dieses Jnfühlungkommen mit dem Kaufenden ist ein sehr wichtiger Faktor für Wissen und Befähigung des rechten Buch händlers und wächst sich oft langsam zu einer Art Begabung aus. Besonders bei gebildeter, empfindlicher, gar bibliophiler Kund- schaft ist -es zum Erfolg fast unerläßlich. Welcher Dankbarkeit man bei solchen Menschen begegnet, wenn man ihnen einmal etwas Neues oder Unbekanntes empfiehlt, das dem tiefsten Ver langen des Betreffenden entspricht, wird mancher schon mit wahrer Freude und Genugtuung erfahren haben. Eine gewisse Kritikergabe mutz der rechte Buchhändler auch insofern in sich haben, als er es verstehen mutz, dem Kaufenden das Typische, be sonders Feine, die Perlen und Höhen von Stil, Sprache oder Aufbau recht verführerisch nahezubringen. Denn es darf nie vergessen werden: er soll immer auch Kaufmann sein um der Existenz willen. Auch die Freude, einem einfachen, ungebildeten Menschen, der ein schlechtes, gar gemeines Buch verlangt, ein an deres, gutes (oft macht der Titel schon viel aus!) in die Hand gegeben zu haben, ist eine schöne, lies befriedigende. Das Ungesundeste, Unreifste an einem Buchhändler ist und ist es immer gewesen, wenn er ein Tendenz-Buchhändler ist, mag er nun gegen alle Literatur sein, die von Juden stammen könnte, mag er aufs Kaisertreu-Nationale eingeschworen sein, mag er über haupt jeden --Modernen« oder »Modernsten« seinem Lager fern halten (die Klassiker sind wohl selbst dem -modernsten« Buch händler nicht verpönt!), mag er sonst irgendwie eine Literatur-» gruppe oder Dichter, die er nach Nation, Rasse, Menschentum u, a. Äußerlichem einschätzt, seinem geweihten Raum aus rein persön lichen Gründen fern halten. Bei solchem engstirnigen, verbohrten Buchhändler kann man nicht vom erwähnten Künstlerischen, vom Menschen mit der universellen Seele, vom reifen, tiefsühlenden Berater sprechen. Ein gewisser Haß, eine Art Verbitterung wird jeden feinfühlenden Käufer und Menschen befallen, der in die spürbare Nähe eines solchen Buchhändlers gerät. Inkonsequent oder charakterlos braucht er deshalb keineswegs zu sein. Denn wenn ich auch nicht persönlich eine Richtung usw, verehre oder vertrete, so kann ich doch das ewig Wahre und Gültige an ihr erfühlen und deshalb auch die entsprechende Literatur führen nnd verkaufen. Selbstverständlich ist dies beim reinen Spezialsortiment und beim Verlag etwas anderes. Jede Buchhandlung strömt wenn nicht schon durch das Fenster, doch durch den inneren Raum einen gewissen Geist auf den Besucher aus, der entweder anheimelnd, einladend oder grell abstoßend wirken kann. Nur aus diesem Grunde ist die Beliebtheit mancher (oft kleinen) Buchhandlung zu erklären. Es liegt so viel Erfolgsmöglichkeit in einem echten Schaufenster und einem besonders ausgestatteten und angeord neten Jnnenraum I Die jungen Buchhändler haben da viel und Großes geleistet. Auch erzieherisch« Momente soll der rechte Buchhändler in gewissem Maße in sich Iragen und auswirken -lassen. Nicht allein durch Empfehlung nur guter, wirklich ernster, dichterisch wahrer Bücher, sondern auch im Verkehr mit Kindern und in bezug aus richtige Erkennung und Anleitung beim Bllcherkauf, beim direkten Verkehr mit einfältigen Menschen, So habe ich besonders ältere Kollegen kennen gelernt, die bei den Kindern, die ost recht dumm, zaghaft und unbeholfen zu ihnen kamen, dann bald der -Onkel Buchhändler« wurden, zu dem die Kinder gern und immer kamen. Allerdings nervös darf man gerade im Verkehr mit Kindern nicht sein, denn mit welchen Rätsel-Wünschen gerade diese zur Oster zeit oft kommen, ist unglaublich. Zum anderen sollte man lang- sam den Kunden dahin dringen, daß für den Buchhändler eine sehr wichtige Sache am Buch der Verlag ist, und daß dies nicht allein für den Fachmann, sondern auch für ihn, den Kausenden, recht wertvoll und erkenntnisreich ist. Es wird sich ihm dann, langsam einprägen, was er ungefähr zu erwarten hat, wenn er hört und weiß, daß ein Buch z, B. vom Insel-Verlag, von S. Fischer, Kurt Wolfs, Cotta, Union, Rütten L Loening, I, F, Lehmann, Langewiesche, Gg, Westermann (Bartels), Br, Cassirer und ähnlichen typischen Verlegern ist. Auch soll er langsam dazu gebracht werden, zu erkennen, daß der Autor beim Buch wich tiger und für den Buchhändler wertvoller ist als der Titel, Wer solche Kunden hat, kann mit Lust Bestellungen entgegennehmen. Jeder rechte Buchhändler sollte auch mindestens etwas Bibliophile sein oder doch feines, bibliophiles Gefühl in sich tragen; denn dadurch lernt er erst, bis zu den herrlichsten Freu den eines Schriftwerks hinabzusteigen und von den eigenen Er kenntnissen und Schauern anderen verlockend mitzuteilen, — Was ich dann vom einfältigen Menschen meinte, ist das: Mir ist es oft in der Praxis begegnet, daß hochtrabende und hochfahrende Menschen, die sich für allwissend und höherstehend mir gegen über hielten, und die mir mit kurzen, stolzen Gebärden gegen übertraten, später meine besten Kunden wurden, mit denen ein schönes, vornehmes, zuvorkommendes Verkehren möglich war. Wie man diese Menschen nun anfatzt, liegt ganz in der Natur des Kunden und im Takt und Erfühlen des Buchhändlers, Am besten schlägt man sie mit ihrer eigenen Waffe, tritt ihnen so gegenüber wie sie uns. Es gibt kaum einen kaufmännischen Beruf, in dem ein um fassendes Wissen und stetes Weiterbilden so notwendig ist wie im Buchhandel. Allerdings muß gesagt werden, daß dieses »Wissen- des Buchhändlers vom wissenschaftlichen Standpunkte meist nichts als ein »nabgeschlossenes »Halbwissen« ist; allein es genügt, um mit jedem Fachmann und jedem Gebildeten mitreden zu können. Es ist ja auch ausgeschlossen, daß er auf allen Ge bieten eine Doktorarbeit schreiben könnte, auch soll er nicht durch sein Wissen glänzen wollen. Ganz besonders bin ich einem aufdringlichen, überlegenen Besserwissen und Belehren wollen in allen Dingen (selbst rein buchhändlerischen!> bei Leh rern begegnet. Wenn man nur bedenkt, welches Wissen, welche Orientierungsgabe immerhin zum Zurechtfinden und Beraten allein in den Tausenden von politischen Broschüren der Jetztzeit gehört, so mag manchem ein Schimmer arrsblassen! Das Publikum sollte, um unnötige Vorwürfe im Keime zu ersticken, und zum Verständnis für unsere Lage auch mehr nnd mehr in die Art und Weise des buchhändlerischen Verkehrs ein geweiht und mit der Eigenart des Buches als Ware und dem damit verbundenen umständlichen, erschwerenden kaufmännischen Verkehr des Buchhandels vertraut gemacht weiden.
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