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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.06.1893
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- Erscheinungsdatum
- 01.06.1893
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- Deutsch
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3292 Nichtamtlicher Teil. 124, 1. Juni 1893. Hierzu komme im vorliegenden Falle, daß es sich bei den Kundgebungen des Börsenvereins um öffentliche Maßregeln gehandelt habe. Mögen die erwähnten Rundschreiben und Zettel- listeu in verschlossenen oder unverschlossenen Briefumschlägen ver sandt worden sein, auf keinen Fall lasse sich bei der Höhe der Auflage (nahezu 3000 Stück) und bei der Zugänglichkeit der Schreiben auch für das Geschäftspersoual der Empfänger noch von einer Privatmitlcilung sprechen, deren Bekanntwerden dem Publikum entzogen wäre. Es sei nicht ausgeschlossen, daß un beteiligte Dritte von den Maßregeln des Vorstandes Kenntnis erlangen konnten. Nach alledem treffe den Börsenvereins-Vorstand der Klägerin gegenüber der Vorwurf, daß er — objektiv zu Unrecht — den Gewerbsgcnossen zu erkennen gegeben habe, die Klägerin sei würdig, daß ihr gegenüber mit vollständiger Lieferungssperre oder doch mit Lieferung unter Rabattverkürzung vorgegangeu werde. Daß die Verhängung der vollständigen Lieferungssperre das End ziel aller Bestrebungen des Börsenvereins von jeher gebildet habe, könne keinem aufmerksamen Leser der Kundgebungen des Börsen- Vereins-Vorstandes entgangen sein. Habe aber der Börsenvereins- Vorstand durch seine wahlweise Aufforderung die Verhängung vollständiger Lieferungssperre über die Klägerin gebilligt, so liege hierin objektiv eine Bethätigung des vom Reichsgerichte gekenn zeichneten widerrechtlichen Systems der Aechtung der Klägerin durch Inanspruchnahme einer ungesetzlichen zunftartigen Zwangs und Strafgewalt für den Börsenverein gegenüber der Klägerin. Gegen diese Rechtsansicht seien in dem berufungsgericht lichen Urteile des Königlichen Sächsischen Oberlandesgerichts vom 4. Januar 1893*) nach drei Richtungen hin Zweifel ausge sprochen worden. Zunächst sei angeregt worden, ob nicht der Mangel eines bestimmten gesetzlichen Verbotes bei der Löblichkeit des Zweckes das Vorgehen des Börsenvereins-Vorstandes als ein erlaubtes erscheinen lassen könne. Hiergegen sei zu bemerken, daß der Zweck erlaubt, das einzelne Mittel aber unerlaubt sein könne. — Zweitens habe das Oberlandesgericht den Zweifel auf geworfen, ob beim Mangel jeder beleidigenden oder auch nur anstößigen Form die Kundgebung des Börsenvereins-Vorstandes nicht vielleicht lediglich als geschäftliche Mitteilung über die Ge- schäslspraxis der Preisschleuderer aufzufassen sei. Auch dieses Bedenken vermöge das Landgericht nicht zu teilen. Denn wenn, wie auch das Reichsgericht annehme, die Kundgebungen des Börsen vereins-Vorstandes ein System der Aechtung der Betroffenen ent hielten, so lasse sich nicht mehr von einer unmittelbaren oder analogen Anwendbarkeit des H 193 Strafgesetzbuchs sprechen. — Drittens gebe das Königliche Oberlandesgericht noch dem Zweifel Ausdruck, ob nicht die in Rede stehenden Androhungen lediglich als ein nicht unter die Ausübung einer eigentlichen Straf gewalt zu bringender Appell an die Mitwirkung gleichgesinnter Ge nossen anzusehen seien. Das Landgericht müsse diese Frage verneinen; denn der offensichtliche Zweck des Vercinsvorstandcs sei, wie dargelegt worden, die Herbeiführung einer Lieferungssperrc. Solchenfalls aber lasse sich nicht sagen, der Vorstand habe nur die Verbündeten Verleger zu der Entschließung bestimmen wollen, daß diese nicht mehr lieferten. Billigte er einen solchen Entschluß und stiftete er dazu an, so müsse er auch die Verantwortung für die Herbei führung solcher Entschlüsse tragen. Erledigten sich somit die angeregten drei Iweifelspunkte des Königlichen Obcrlandesgerichts, so habe es bei der obigen Fest stellung, daß der Börsenvereins-Vorstand durch Erlaß der drei Rundschreiben objektiv rechtswidrig gehandelt habe, sein Be wenden. Bei dieser Sachlage bedürfe es keines Eingehens aus die Frage einer Personalunion zwischen der klagenden Firma und der Firma Mayer L Müller. Wir haben diese gesamten im Urteil erst in zweiter Linie ausgejührten Urteilsgründe hier vorweg genommen, weil sie uns den bei weitem wichtigeren Teil derselben zu enthalten schienen, und greifen nunmehr auf die bisher übergangenen ersten Teile der Entscheidungsgrüude zurück. Hier begegnen wir zunächst der ausführlich begründeten Feststellung, daß Leipzig als Ort der Handlungen zu gelten habe und diese letzteren somit nach dem im Königreiche Sachsen geltenden Rechte zu beurteilen seien. Diese Anwendung habe zunächst die für die Klägerin günstige Folge einer Haftung des Börsenvereins als juristischer Person für die Handlungen seiner Vertreter. Die Haftung des Börsen vereins sei zwar von den Beklagten nicht angezweifelt, dennoch sei sie von Amtswegen zu prüfen. Das Landgericht bejaht schließlich diese reichsgesetzlich nicht geregelte Frage unter sehr ausführlicher Darlegung der von Wissenschaft und Praxis in Sachsen bisher übereinstimmend befolgten Grundsätze, die auch der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (1. Lesung. § 46) allgemein einzuführen gedenkt. Zu gunsten der Beklagten gestaltet sich die Anwendung des sächsischen Rechtes bei Prüfung der Frage, ob sie bei ihren ob jektiv rechtswidrigen Maßnahmen auch subjektiv ein Ver schulden treffe. Diese Frage wird am Schluffe des Urteils sehr ausführlich behandelt und verneinend beantwortet. Nach den einschlagenden Bestimmungen des sächsischen Landesrechts (Z116) in Verbindung mit 8 773 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen habe das Einstehen für die Verletzung der Rechte eines anderen die Verschuldung des Handelnden zur Vor aussetzung. Die Verschuldung beruhe nach 8 121 auf Absicht, wenn die rechtsverletzende Handlung im Bewußtsein des Unrechts vorgenommen werde, und auf Fahrlässigkeit, wenn die Hand lung ihren Grund in Leichtsinn, Unwissenheit oder Trägheit habe. Der sächsisch-rechtliche Begriff der zur Verschuldung an rechenbaren Absicht decke sich also nicht ohne weiteres mit dem des deutschen Strafgesetzbuches. Während nach diesem regel mäßig zur Feststellung der Absicht das Wollen des sodann ein getretenen Erfolgs oder doch das Bewußtsein der Möglichkeit des Erfolges genüge, unabhängig davon, ob sich der Thäter der Strafbarkeit seines Thuns bewußt gewesen sei oder nicht, ver lange das sächsische bürgerliche Recht außer dem Willen des Thäters, eine objektiv verletzende Handlung zu begehen, noch das Bewußtsein desselben, daß seine Handlung ein Unrecht sei. Dafür nun, daß die Mitglieder des Börseuvereins - Vor standes mit dem zur Verurteilung erforderlichen Bewußtsein des Unrechts gehandelt hätten, fehle es an jedem Anhalte. Das Gegenteil sei vielmehr anzunehmen. Schon die Persönlichkeiten der Vorstandsmitglieder und ihre Wahl zu diesem unentgeltlichen Ehrenamte legten die Vermutung nahe, daß das Vertrauen ihrer Berufsgenossen, das sie zu dieser Thätigkeit berufen habe, sich nur auf Männer von Ansehen und bestem bürgerlichen und gesellschaft lichen Rufe gelenkt habe. Wie sehr aber der Vereinsvorstand in seiner hier in Betracht kommenden Zusammensetzung seit Kantate 1889 bemüht gewesen sei, seine Maßregeln zur Bekämpfung der Preisschleuderei mit dem Gesetze in Einklang zu halten und sich dem zu fügen, was das Reichsgericht für zulässig und für unzulässig erachtet habe, beweise überzeugend die Bekanntmachung vom 2. Dezember 1891, die deutlich das Bestreben erkennen lasse, zwischen den vom Reichsgericht beanstandeten und den nicht beanstandeten Maßregeln zu unterscheiden. Daß das Kampf mittel der Betreibung von wahlweisen Verlegererklärungen nach Ansicht des Landgerichts objektiv zu weit gehe, könne den Be klagten nicht als Schuld in subjektiver Hinsicht angerechnet werden, denn das Reichsgericht selbst habe dieses Kampfmittel unbeanstandet gelassen, und wenn der höchste Gerichtshof diese Maßregel nicht beanstandet habe, so lasse sich gegen die Beklagten nicht der Vorwurf erheben, daß sie im Bewußtsein des Un rechts gehandelt hätten. Im Gegenteil, die angezogene Stelle des Reichsgerichtsurteils sei sogar geeignet gewesen, etwaige Zweifel über die Zulässigkeit der Maßregel zu beseitigen, und auch einen eventuellen Dolus auszuschließen. *) Vgl. Börsenblatt 1893, Nr. 36 u. 56 (Beilage).
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