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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.01.1893
- Strukturtyp
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- 1893-01-09
- Erscheinungsdatum
- 09.01.1893
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- Deutsch
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148 Fertige Bücher. 6, 9. Januar 1893. Verlag von Kart Jacoösen in Leipzig. M4j Ein aufgehender Stern. Am IS. Dezember v. I. erschien das Erst lingsepos eines unbekannten jungen Dichters — Richard Nordhausen. Der Buchhandel war wegen der Kürze der Zeit und starker geschäft licher Inanspruchnahme nicht in der Lage, die neue Erscheinung „Jotz Fritz der Landstrcichcr, Ein Sang aus den Bauernkriegen" nach Gebühr zu beachten, zumal zum Christfeste nur wenige Besprechungen des Buches Vorlagen. Auch bis heute sind nur sechs Besprechungen des Werkes der Verlagsbuchhandlung zu Gesicht ge kommen, aber dieselben geben die Urteile her vorragender Kritiker wieder, die um so in teressanter sind, als sie trotz tadelnder Kritik die „Erstlingsdichtung" Nordhausens den Wer ken der beliebtesten deutschen Dichter der Gegenwart weit voranstellen. Daß diese Ansicht im Leserkreise geteilt wird, beweisen mir Zuschriften von höchster Stelle und aus dem Publikum, die meist ihren Zweifel an der Thatsache aussprechen, daß es sich um die Erstlingsarbeit eines unbekannten Poeten han delt, und vielmehr den Namen „Nordhausen" für ein Pseudonym halten, dessen ein schon be kannter Autor sich bedient habe. Alle diese Aeußerungen von Presse und Publikum zeigen, daß wir es mit einem unge wöhnlichen Dichtertalente zu thun haben und die Verlagsbuchhandlung wäre erfreut, wenn die Herren Kollegen vom Sortiment der neuen Dich tung „Joß Fritz der Landstreicher" zunächst nur das Interesse entgegenbringen möchten, selbst einmal das Epos zu lesen, von dem eine be trächtliche Anzahl ä cond. ausgeliefert wurde. Die zweite Auflage (4. u. 5. Tausend) wird bereits vorbereitet. Es wird von der 2. Auflage an eine Erhöhung des Ladenpreises von 4 Vil 50 H auf 6 ^ für das 432 Oktav-Seiten starke (ge bundene) Werk erfolgen. Zur gef. Kenntnisnahme nachstehend die bis heute erfolgten Besprechungen: Leipziger Tageblatt, Nr. 641. 1892: Job Fritz der Landstrcichcr. Ein Sang aus den Bauernkriegen von Richard Nord hausen. Leipzig, Verlag von Carl Ja- cobsen. Wer ist Richard Nordhausen? . . Hier haben wir es nicht mit einem Pseudonym, sondern mit einem wirklichen Namen zu thun, und wenn wir uns die oben stehende Frage wiederholen, lautet meine Antwort darauf: Ri chard Nordhausen ist ein Dichtergenic ersten Ranges, ein Genie, wie unsere Zeit nur wenige aufzuweisen hat, ge klärt, ausgereist, von hinreißender, elementarer Kraft, die nur in ihrer Ver bindung mit der heißen Glut der Lei denschaft tiefer Empfindung, seltener Anmut und Sinnigkeit und vollendeter Formschönheit und Gewandtheit im Aus druck aufs höchste frappiert und mit stei gender Bewunderung erfüllt, je mehr wir uns in seine epische Schöpfung Jotz Fritz vertiefen. Der Dichter bietet uns kein versifiziertes Chronikon, aus dem uns wie bei vielen ähnlichen Erscheinungen trotz des moder nen Einbandes und der modernen Lettern der Moder entgegenriecht und schon beim Lesen der dritten Seite ein Gähnen ankommt, seine frischen und tiefsinnigen Liedlein, an denen der schmucke Band sehr reich ist und von denen die meisten gar bald ihren Komponisten finden werden, haben nichts gemein mit der gleißenden „Butzen- scheiben-Lyrik", in der sich unsere Zeit so lange gefiel, bis man ihren falschen Glanz, ihren Un wert erkannte. In gewaltigen, packenden Zügen läßt er jene große Zeit sozialer und geistiger Gärung und religiösen Freiheitsdranges all mählich vor unseren Blicken entstehen, und mit erschütternder Plastik zeichnet er in scharfen Kon- touren das blutige Drama jener allgemeinen Bauernerhebung in Franken, Schwaben, in Thü ringen und am Rheine. Da ist alles Leben, Bewegung, Farbe! Und wie versteht Nordhausen für seinen schier unerschöpflichen Bilderreichtum die Farben zn wählen und sie abzustimmen. Oft in drei Verszeilen zeichnet er uns effektvolle malerische und dramatische Scenen, die jeden Künstler verlocken müssen, nach Kohle oder Stift zu greifen. Seine stimmungsvollen Natur malereien, welche einen wohlthunden Kontrast zu den wildbewegten Aktionen bilden, sind meister haft. In ihnen verrät sich der feinfühlige Lyriker, der wahre Poet. Hier nur als Probe ein kleines allegorisches Nachtlied (Kapitel II): „Dunkeläugig, tief verschleiert, Wie ein Feenkind mild und gütig, Nun die Nacht aus leichten Sohlen Von den Bergen niedersteigt. Und ein blauschwarz Seidentuch Hat sie um ihr Haupt gewunden, Hat's mit Perlen und Demanten Schier verschwenderisch geschmückt. Und sic kommt, und majestätisch Wallt des grauen Mantels Schleppe, Flattern Nebel über's Thal. Stille wird's im Eichenhage, Nur zuweilen spricht der Nachtwind, Nur zuweilen zieht ein Gähnen Knarrend durch's Geäst, zuweilen Wie im Traume singt ein Vöglein, Schwebt ein welkes Blatt hernieder. Still auch ist's im Lager worden. Und die alten Wurzelknubben Und die Gnomen drin erlauschen Nichts als tiefe Atemzüge. Flüsternd durch die Dunkelheit Klingt der Wachen leiser Anruf Um Herrn Florians krieg'risch Lager, Und ein Spähen ist und Horchen, Häufig Stolpern, ängstlich Tasten; Ward doch, um den Feind zu täuschen, Heut kein Feuer angezündet." Diese wunderbare Plastik, die schon in den lyrischen Elementen des Epos stark hervortritt, ist auch den überaus zahlreichen Personen der Handlung eigen. Das sind Gestalten von Fleisch und Blut, kernig, leidenschaftlich in ihrem Fühlen, Wollen, Handeln, Lieben und Leiden. Die Hand lung hat einen versöhnenden Ausklang. Wie die ausgehende Sonne siegreich über den rauchenden Trümmerhaufen steht, so flutet ein breiter Streifen ungeahnten sonnigen Glücks in das Herz der Helden und Dulderinnen der blutigen Episode, und die allmächtige Liebe gebietet Frieden und eint die Herzen. — Für den jungen Poeten aber ist sein hervorragendes Epos: Jotz Fritz, der erste intensive Sonnenblick eines ausgehenden Dichterruhms. Franz Woenig. „Berliner Tageblatt", Nr. 645. 1892 (Feuilleton): Richard Nordhansen, der unseren Lesern von seinen Wanderungen im Sande der Mark bekannt ist, hat in diesen Tagen ein Epos Joß Fritz, der Landstreicher, bei Jacobsen in Leipzig erscheinen lassen. Was in seinen Wan derungen vorteilhaft hervortrat, eine ungemein feine Empfindung für Nalurstimmungen, eine jugendfrische Kraft in der Erfindung sarben- satter Bilder und eine kühne Behandlung der Sprache, reißt ihn in diesem Sang aus den Bauernkriegen fort, zu Gunsten der Stimmungen die Geschlossenheit der Handlung zu beeinträch tigen. Aber diese Erstlingsarbeit ist die Kund gebung (eines starken, dichterischen Talentes, einer frischen Natur, und Richard Nordhausen ist als Sturmbock gegen die Auswüchse des Verismus mit Freuden zu begrüßen. Ich betrachte in diesem Epos mehr die dichterischen Elemente als die Ausführung, und so glaube ich ohne Zögern sagen zu dürfen, daß Joß Fritz eine höchst bedeutsame Arbeit ist. Freilich, wer wollte sich vermessen, am Most die Blume des Weines zu erkennen? Aber Nordhausen ist beim Volksliede in die Schule gegangen und er hat den Ton desselben richtig ersaßt, er hat einer großen Zeit ins Herz geschaut und das rein Menschliche in ihr er kannt. Ganz unauffällig zieht er die Parallele mit der modernen Bewegung, und es sind nicht die schwächsten Stellen, in denen er mit dem Feuer eines Revolutionssängers die Forderungen der unterdrückten Massen proklamiert Joß Fritz ist eine durchaus beachtenswerte Dichtung und Nordhausen hat sich mit einem kühnen Sprunge eine seinem Talente würdige Stellung errungen. An ihm bewährt sich so recht der alte Spruch — es klingt fast wie eine Trivialität — „es bildet ein Talent sich in der Stille." Kölnische Zeitung, 23. Dezember 1892: Bei Carl Jacobsen in Leipzig hat Richard Nordhausen ein Epos „Joß Fritz der Land streicher" erscheinen lassen, das in reicher Glie derung ein buntbewegles Bild des schwäbischen Bauernkrieges giebt und sich nicht mit einer einzelnen Episode begnügt, sondern Volk und Ritterschaft, sowie alle hervorragenden Führer gestalten in die Darstellung hineinzieht. In ungemein gewandten Versen wird das Bild höchst charakteristisch getroffen und die den leitenden Faden bildende Liebesgeschichte ist von heißer Romantik durchglüht. Wir möchten dem Werk eine beson ders bevorzugte Stellung einräumen! „Tägliche Rundschau", Nr. 300 1892: Joß Fritz, der Landstreicher. Ein Sang aus den Bauernkriegen von Richard Nord hausen; Leipzig, C. Jacobsen. Als ick dieses Buch aufschlug, stieß ich zufällig auf eine Schilderung des erwachenden Mor gens (Kapitel 7», und als ich sie gelesen, da wußte ich, daß Nordhausen ein echter Poet ist, ein Poet voll Schwungkraft und Frische, der nach Eigenart in Bild und Ausdruck ringt. Die Dichtung enthält viele Stellen, die diesen ersten Eindruck be kräftigen, — aber als Ganzes ist sie unhaltbar. Wie, mit wenigen Ausnahmen, fast all unsre jungen Epiker ist Nordhausen bei Scheffel, Kinkel, Baumbach, Wolfs in die Schule gegangen, statt bei Homer, Dante, Firdusi und dem Dichter des Nibelungenliedes. Und in jener Schule hat er gelernt, eine Mischung aus Lyrik und Epik zu brauen, die bei unseren Zeitgenossen überaus beliebt ist und die doch jeder, der mit den großen Meistern der Weltlitteratur vertraut ist, als einen Greuel empfindet. Ich weiß, daß ich mit dieser Behauptung ziemlich einsam stehe, denn Kritik und Publikum schwärmen vorläufig noch für den Mischmasch unserer romantischen Epi gonen. Aber die Zukunft wird mir recht geben, nicht weil ich etwa klüger wäre als meine Kol legen, sondern weil ich dem augenblicklichen Zeit empfinden nicht nachgebe, weil ich weiß, daß ähnliche Strömungen mehr als einmal Mode und nur Mode waren; es gehört ihnen keines der Meisterwerke an, welche die Jahrhunderte überdauern. Kürze, in rechtem Sinn ausgefaßt, Konzentration von möglichst viel Gehalt in möglichst gedrängter, lebensvoller Form, — das ist nicht nur die Seele des Witzes, sondern auch der Dichtung, vor allem des Dramas und des Epos. Breite lyrische Ergüsse und Reflexionen bewirken unbedingt, daß ein Epos., schnell ver altet; an ihnen ist die mittelalterliche Dichtung, abgesehen von dem echt epischen Nibelungen- und Gudrunliede, an ihnen Klopstocks Messias ge storben. Wer könnte heute noch durch die Odyssee sich hindurchwinden, wenn die Insel der
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