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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.03.1883
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- Erscheinungsdatum
- 19.03.1883
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- Deutsch
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Es blieb also nur eine freiwillige Vereinbarung der einzelnen Regierungen auf diesem Gebiete übrig, welche Aussicht gewährte. Es hat nicht, wie Hr. Jensen sagt, „ein einzelner Geheimer Rath psr orärs äs Llulti dem Volke Anweisung ertheilt", sondern, was er wünscht, „eine Corporation sprachverständiger, reiflich wägender Männer", zunächst also eine Conferenz solcher Männer ist auf Einladung des preußischen Unterrichtsministeriums und der zustimmenden Unterrichtsministerien der andern deutschen Regie rungen im Januar 1876 in Berlin zu einer Berathung über eine einheitliche deutsche Orthographie zusammengetreten. Es waren eingeladen fünf Universitätsprofessoren, darunter zwei frühere Gymnasiallehrer, sechs Schulmänner, darunter zwei Provinzial- schulräthe, ein Vorstand des Germanischen Museums, ein Privat gelehrter , zwei Delegirte des deutschen Buchhändler - Vereins und des deutschen Buchdrucker-Vereines. Von diesen beiden abgesehen stellte Preußen fünf Mitglieder, Bayern zwei, Sachsen, Württemberg, Baden, Reichsland, Mecklenburg, Thüring. Herzog tümer je eins. Zu bedauern ist, daß nicht auch Vertreter der deutschen Schriftsteller hinzugezogen wurden; zwei der Professoren sind jedoch zugleich Schriftsteller, deren Werke, bez. auch Feuilletons sich eines großen Leserkreises erfreuen. Schon 1872 hatten die Delegirten der Bundesregierungen desDeutschen Reichs über Fragen des höheren Schulwesens zu Dresden Einigung in der Ortho graphie als erstrebenswert hingestellt. Zur Anbahnung einer Ge meinsamkeit wurde von dem preuß. Ministerium im Einverständniß mit den Bundesregierungen der inzwischen verstorbene Prof. R. v. Raumer in Erlangen beauftragt, eine Vorlage auszuarbeiten, als „der Gelehrte, welcher nach dem Urtheil der Sachkenner um Klarlegung der Prinzipien unserer Orthographie sich vorzugsweise verdient gemacht hat". Professor v. Raumer entwarf also „Regeln und Wörterverzeichnis für die deutsche Orthographie" mit einem Anhang: „Zur Begründung der Schriften: Regeln u. s. w". In dem letzteren gibt er eine kurze Geschichte der deutschen Ortho graphie, stellt das phonetische Prinzip als das vorherrschende der deutschen Orthographie hin, bekennt aber, daß er glaube, mit der überlieferten Schreibweise, abgesehen davon, daß hier so manches schwankend sei, in lebendigem Zusammenhang bleiben zu müssen, und erklärt schließlich, daß er seine Feststellungen an die des oben erwähnten Vereins der Berliner Gymnasial- und Realschullehrer, welche ja auch schon die Probe bestanden hatten, im Wesentlichen anschließe. Die Berliner Conferenz nun des Jahres 1876 ging in den Neuerungen über den Raumer'schen Entwurf weiter hinaus und beschloß eine von der üblichen Orthographie namentlich in Be seitigung der Dehnungszeichen ziemlich abweichende Orthographie. Aber die einzelnen Beschlüsse wurde» oft mit sehr schwachen Majo ritäten gefaßt, und es ergab sich ein ungleichmäßiges Compromiß. Das Protokoll der Conferenz und ihr Wörterverzeichnis wurden gedruckt und vertheilt, und von der preußischen Regierung wurde somit die Reihe der gemeinsamen Schritte geschlossen, indem den einzelnen Bundesregierungen die Beschlußfassung anheimgestellt wurde. Die Conferenz hatte zur Klärung der Ansichten viel beigetragen und rief eine vielseitige Besprechung der offenen und im Fluß be griffenen orthographischen Frage in den Zeitschriften hervor; aber weder Regierungen noch Publicum fanden an dem Ergebniß Ge fallen. In der Conferenz selbst war schon im Hinweis auf die weit- tragende Bedeutung einer Aenderung für die Deutschen auch außer halb des Reiches und auf die Schwierigkeit der Durchführung, sowie mit Rücksicht auf die Wünsche ausgezeichneter deutscher Schriftsteller ein Doppelantrag gestellt worden, in den Dehnungs zeichen auf den conscrvativeren Raumer'schen Entwurf zurück zugehen. Die Raumer' sche maßvolle Ausarbeitung nun („Regeln und Wörterverzeichnis") war es, welche die bayerische Regierung durch Ministerialverfügung vom 21. September 1879, um Einheit in ihren Schulen herzustellen, vom 1. Januar 1880 an auf ihrem ganzen Schulgebiete einführte; nur war das „h" noch in den Worten „Rat, wert und Atem" gefallen. Damit war der Weg ge bahnt. Es folgte das Preußische Cultusministerium im December desselben Jahres und führte die Raumer'sche oder jetzt bayerische Schreibweise von Ostern 1880 auf seinem Schulgebiete ein, aller dings mit einzelnen Abweichungen, aber so wenigen und so un bedeutenden, daß die bayerischen und preußischen Schulbücher gegen seitig als normal orthogrgphisch gedruckt und einführbar anerkannt wurden.*) So hatten wir denn eine bayerisch-preußische Rechtschreibung, der sich die königl. sächsische Regierung durch Generalverordnung vom 7. Octobcr 1880 anschloß, und der allmählich die kleinen deutschen Staaten, sowie Baden und das Reichs land zustimmten. Nur Württemberg hängt an seiner in verschiedenen Einzelheiten von der bayerisch-preußischen Orthographie ab weichenden Norm so zäh wie an seinen Postmarken. Hoffentlich verschwinden bald die beiden störenden Eigenthümlichkeiten. Von der gesammten Schuljugend Deutschlands schreiben 95 Prozent die neue Orthographie. In Bayern sind bisher schon drei Jahr gänge, in Preußen zwei, in den meisten andern Staaten ist ein Jahrgang aus Volks- und höheren Schulen mit der neuern Ortho graphie in das praktische Leben übergetreten, und der Jugend gehört die Zukunft. Die Schullesebücher sind sämmtlich, die andern Schulbücher zum größten Theil, z. B. auch griechische Gramma tiken, in der neuen Orthographie gedruckt; von größeren Zei tungen hat die Kölnische, die auch im Ausland verbreitetste, die neue Orthographie sofort angenommen, bedeutende Leipziger Druckereien drucken, wenn nicht der Schriftsteller ausdrücklich anders wünscht, in der neuen Orthographie, und Cotta läßt eben in seiner Bibliothek der Weltlitteratur (in den schön ausgestatteten Bänden zu l M.) Goethe, Schiller, Platen, Kleist, Körner, Chamisso, Lenau, sowie Shakespeare, Calderon und Dante in der neuen Orthographie in die Welt gehen. „Der Sommermorgen, an dem", wie Hr. Jensen träumt, „der ganze nächtliche Spuk spurlos in den Boden zurückverschwin den wird", wird von Hrn. Jensen nicht erlebt. Keine Orthographie wird Allen recht sein, und die Uebergangszeit ist eine für alle Betheiligten unangenehme Zeit der Verwirrung. Verbesserungs fähig ist auch die bayerisch - preußische; geht es noch einmal vor wärts, so fallen consequent noch einige „h"; aber rückwärts von dem Guten, was wir jetzt haben, geht es nicht. Uebrigens ist es in vielen Einzelheiten ganz gleichgültig, ob so oder so geschrieben wird, nur muß das Eine oder das Andere als Norm gelten, und eine solche Norm besitzen wir jetzt an der bayerisch - preußischen Orthographie. Das Durchdringen beim Publicum ist nur eine Frage der Zeit. Die Schriftsteller und die Presse gehen ja, wenn nicht früher, naturgemäß durch den jungen Nachwuchs aus der Schule allmählich vollständig über. Vielleicht überläßt auch Hr. Jensen zuletzt seine Werke der neuen Schreibweift. Was die von der Schule unabhängigen Druckereien betrifft, so hoffe ich, sie helfen zur Beendigung der heillosen Uebergangszeit, indem sie bald die jetzt bayerisch-preußische und demnächst Reichsorthographie annehmen. Kreuznach, März 1883. vr. O. Kohl. *) Die Unterschiede sind 1) die einzelnen Worte, bayerisch: Lite ratur, Moriz, Möve, Widerhall; preußisch: Litteratur, Moritz, Möwe, Wiederhall. 2) in Zusammensetzung bayerisch: Schnelläufer; preußisch: Schnellläufer u. s. w. 3) in Silbentrennung, bayerisch: la-sten, klo-psen; preußisch: las-ten, klop-fen u. ä.
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