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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.11.1889
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 13.11.1889
- Sprache
- Deutsch
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265, 18. November 1889. Nichtamtlicher Teil. 5987 Will nun auch He rn Wroblewskis Buch nichts weiter sein als eine heitere und liebenswürdige Plauderei, die man mit großem Vergnügen liest, so hätten wir gern etwas Ausführlicheres daraus im Börsenblatt mitgeteilt, wenn auch nur als Nascherei nach den verschiedenen schweren Gängen »Schleuderei«, aber wir müssen dabei strenges Maß Hallen, damit uns nicht die Redaktion ein böses Gesicht macht, und uns auf einige wenige Züge be schränken, welche Reitzel als einen edlen Menschen und echten Buchhändler zeigen. Denn das war er trotz einiger Eigentüm lichkeiten und wenn er auch nicht sechzehn Ahnen anfweisen konnte. Reitzel war als dritter von fünf Söhnen eines einfachen deutschen Handschuhmachers in Kopenhagen geboren. Den Buch handel lernte er, ohne weitere Vorkenntnisse zu besitzen, bei Gerhard Bonnier, Vater dreier der bekanntesten schwedischen Buchhändler, und brachte dort nach Ablauf seiner Lehrzeit noch weitere zehn Jahre zu, bis er sich am 1. Mai 1819 mit einem ganz kleinen geborgten Kapital etablierte. Das Geschäft mit deutschen Büchern war damals sehr wichtig, seine Einführung in Leipzig ward aber Reitzel sehr erschwert. Da bestellte er, von dem in Deutschland sehr bekannten dänischen Ge lehrten Bischof Münter als braver und ehrlicher Mann em pfohlen, bei Cotta 100 Exemplare der eben bei diesem erschienenen (Wiener) Ausgabe von Schillers sämtlichen Werken in 18 Bänden, obwohl er nicht einen einzigen Subskribenten hatte. Cotta führte die für damalige Zeit bedeutende Bestellung aus und Reitzel zahlte prompt, und nun war ihm der Weg in Deutschland geebnet. In Kopenhagen gewann er durch sein entgegenkommendes Benehmen bald einen großen Kundenkreis; sein Verlag schlug ebenfalls ein, und es dauerte nicht lange, bis Reitzel eine bedeu tende Stellung unter den Buchhändlern Kopenhagens einnahm. Namentlich hatte er es verstanden durch ein höchst liberales Vor gehen die dänischen Dichter und Romanschriftsteller zn gewinnen. Reitzels Buchladen galt als einer der litterarischen Brenn punkte Kopenhagens, wo Schöngeister und Männer der Wissen schaft sich fast täglich in den Vormittagsstunden trafen und ihre Ansichten über Littcratnr und Tagesereignisse austauschten, manchmal wohl auch ein wenig Stadtklatsch trieben. Reitzels Laden gestaltete sich fast zu einem Klubhause, so daß schließlich, als der Geschäftsbetrieb darunter erschwert wurde, Reitzel einen Stuhl nach dem andern aus dem Lokal wegschasfen ließ, um den Aufenthalt dort nicht gar zu bequem zu machen. In dem Verkehr mit den Kunden war er außerordentlich liberal. Namentlich gegen die studierende Klasse; und damit handelte er eben so nobel als klug, denn er erhielt sich für die Zukunft, wenn die jungen Männer später ins Amt und zu Würden kamen, manchen vorzüglichen und einflußreichen Kunden. Er war ein wirklicher »Universitäts-Buchhändler«, und die ganze studierende Jugend blieb ihm, wie er ihr, für immer zugethan. Die Schriftsteller gewann er nicht allein durch reiche Honorare, sondern auch durch seine wahrhaft humane und wohl wollende Gesinnung. Einen hübschen Zug hiervon erzählt der obenerwähnte Dichter Holst in seinem Vorwort zum Verlags katalog. Holst hatte von der Regierung ein Stipendium zur Reise ins Ausland erhalten. Am Tage vvr der Abreise empfing er eine Einladung von Reitzel, ein Glas Wein mit ihm in einem bekannten Restaurant zu trinken. Nach dem Dessert äußerte Reitzel, daß man auf der Reise immer mehr Geld gebrauche, als man denke, und es treffe sich deshalb recht gut, daß er an Holst noch einiges Geld schuldig sei, woran dieser in der Unruhe der Reisevorbereitungen wahrscheinlich gar nicht gedacht habe. — »Sie mir Geld schuldig? das wäre ja eine ganz neue Situation; ich dachte, es wäre umgekehrt!« — »Nein, diesmal bin ich wirklich der Debitor« meinte Reitzel und setzte auseinander, wie Holst ihm seinerzeit geholfen habe, eine passende poetische Unterschrift für ein Erinnerungsblatt an den verstorbene» König Friedrich VI. auszuwählen. Honorar habe er ihm nicht anbieten wollen, jedoch in seinem stillen Sinn beschlossen, daß er den etwaigen Gewinn mit ihm teilen würde. »Und dieser ist doch nicht so gering gewesen, wie Sie vielleicht denken«. Mit diesen Worten zog Reitzel seine große Brieftasche hervor und schob Holst eine Abrechnung und eine hübsche Anzahl größerer Banknoten hin, indem er sich, während dieser ihn ganz verdutzt ansah und seinen Augen nicht iraucn wollte, den eine» Arm mit der Hand des andern rieb und Holst so kindlich froh und vergnügt anblickte, als ob er selbst das Geld erhalten hätte und die Reise antrclen sollte. Es wird wohl kaum einer unter den schönwisseuschastlichen Autoren sein, der nicht ähnliches von Reitzel erzählen konnte, wie das bereits mehrere, nach Holsts Beispiel, öffentlich gcthan haben. Es beruhte eben alles zwischen den Autoren und Reitzel auf einem gegenseitigen Vertrauens- und Ergebenheitsverhältnis, wie es in einem anderen Berufskreise kaum Vorkommen kann. Deshalb wechselte auch derjenige Autor, der einmal mit Reitzel in Ver bindung stand, nicht leicht den Verleger. Geschah es doch viel leicht einmal aus irgend einem Grund, daß ein Buch von einem der »Reitzelschen Autoren« in einem andern Verlage erschien, so konnte Reitzel freilich auch ganz außer sich sein, heftig ausbrausen, mit den Armen um sich werfen, als sei ihm die gröblichste per sönliche Beleidigung widerfahren; denn er war nicht nur ein guter Geschäftsmann, sondern ein Gefühlsmensch durch und dnrch. Aber bei vernünftiger Vorstellung ließ die Heftigkeit bald nach und dann konnte Reitzel über sich selbst mit dem Betreffenden lachen. »Die fünfjährige Lehrzeit«, sagt Wroblewski, »war anregend nnd anstrengend zugleich. Der Kitt, der uns alle zusammcnhielt, war »der Mann«. Anders hieß Reitzel nicht unter uns, und die Bezeichnung war für ihn wirklich zutreffend; denn er war in seinem Geschäfte, wie in seinem Hause und in dem Verhältnis zu uns der ganze Mann, dabei bei aller Herzensgüte ein strenger Mann. Groß waren die Ansprüche, die er an sich selbst stellte; er verlangte aber auch nicht wenig von andere». Er war, das wußten wir, aber auch ein gerechter Mann und von einer Ehren haftigkeit ohne Fehl. Ein Accordieren mit seinem Gewissen in irgend einem Verhältnis war ihm unbekannt. Nichts war bei ihm darauf berechnet, sich in ein gutes Licht zu stellen«. Nach damaliger Sitte wohnten und aßen die Lehrlinge und die unverheirateten Gehilfen im Hause des Principals, und Wroblewski entwirft ein anziehendes Bild von dem Verhältnis zwischen der Familie und den Zöglingen, die es vortrefflich hatten, aber tüchtig arbeiten mußten, von früh bis zur Mittagsstunde um 3 Uhr nnd dann bis Abends gegen 9 Uhr, wo das Abendbrod erschien, nach welchem noch gewöhnlich bis um 10 Uhr gearbeitet wurde. Ganze Feiertage gab es im Jahre nur drei. Jeden zweiten Sonntag hatte der Lehrling frei von 4—10 Uhr, d. h. wenn nicht der optische Telegraph — einen anderen gab es damals nicht — die Ankunft der Pakctpost aus Korsör auf den Sonntag Nachmittag angekündigt hatte. Denn im Winter konnte man, wenn der große Belt zugefroren oder voll Treibeis war, auf eine Regelmäßigkeit nicht rechnen. Kam nun der laiige Zug von offenen, mit geteerten Decken überzogenen Wagen an dem, dem Geschäft sehr nahe gelegenen Postamte an, so hieß es »alle Mann auf Deck«. Denn Reitzel erhielr aus besonderer Vergün stigung seine Bücherpakete bereits am Sonntag Abend, während andere Sterbliche bis Montag Vormittag warten mußten. Dann galt es rasch Pakete aufmachen, Inhalt mit Faktur vergleichen, Preise umzurechnen und in Buchstaben auszeichnen. Das alles ging nnter Leitung Reitzels mit Lust und Liebe vor sich, und war »der Mann« bei ^guter^Laune, so setzte es ein Glas Punsch und ein Stück Kuchen. Urlaub und Ferienreisen waren unbekannte Dinge bei Reitzel, der so streng gegen sich selbst war, daß Wroblenski sich nur erinnert, daß er sich während der 10 Jahre, wo er im Hause war, einmal eine Erholungstour von vier oder fünf Tagen gegönnt habe. Er wollte nicht recht begreifen, wozu eine andere Erholung, als im Wechsel der Arbeit notwendig sei. 820'
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