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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1879
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- 1879-06-16
- Erscheinungsdatum
- 16.06.1879
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- Deutsch
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136, 16. Juni. Nichtamtlicher Theil. 2361 an einem Bindfaden aufgehobene hölzerne Initialen, wie sie in jeder größeren Druckerei verwendet werden, gesehen hatten, verbanden sie damit die komische Vorstellung, daß die Prototypographen ganze Blattseiten (Bücher) mit eingefädelten Holzthpen gedruckt haben. Ferner dachte der „Kenner" und Geh. Obcrfinanzrath Sotzmann in Berlin, „wenn der Briesdrucker oder Holzschnitzler Gutenberg die Typographie erfunden haben soll, dann konnten es die andern ge- scheidten Briesdrucker, Albrecht Pfister in Bamberg, Lorenz Coster in Haarlem und Gott weiß wer von diesen Druckern noch, wohl auch. Und so entstand ein scheingelehrtes Geschreibsel, das bis aus den heutigen Tag die Köpfe unselbständiger Nachtreter verrückt. Sotz- mann phantasirte sich einen Wettlaus von Erfindern zurecht und in diesem Wettlauf errang der schnellfüßige Gutenberg den Preis. Die andern ,Kerls' blieben nämlich aus halbem Wege stehen." Ebenso unhaltbar, wie die oberfinanzräthlichc Erfindung dieser „Mitbewerber" sind die Versuche Derer, welche die mannigfachen „Ansprüche" einzelner Städte befriedigen wollten, und damit nur ihre völlige Unkenntniß der Herstellung des typographischen Appa rates verriethen. Wir wollen hier nur Schöpflin's und Wettcr's Hirngespinnste als Beispiel ansühren. Der Ersterc behauptete 1760: Coster in Haarlem erfand den Tafcldruck, Gutenberg in Straßbnrg (bis 1444) die beweglichen hölzernen und geschnitzten kupfernen Lettern, Schösser in Mainz aber die gegossenen Lettern; Wetter hingegen läßt Gutcnberg in Straßburg den Tafcldruck, in Mainz 1450 die hölzernen Lettern, 1452 gegossene Matrizen er finden, daraus wie Löffel Buchstaben gießen und ihn dann 1452 — 60 damit drucken, um 1453 endlich erfindet (und verheimlicht bis 1456) Schösser die geschlagenen Matrizen. Bekanntlich aber werden zunächst (nämlich als Stempel, Lettersorm, Patrize, Punze) die Buchstaben geschnitten, dann (näm lich als Matrize, Muttersorm) geschlagen und endlich (nämlich als Typen, Drucklettern) gegossen. Es fragt sich in der Geschichte der Prototypographie bloß, ob die ersten Bnchdruckertypcn nicht wirk lich von Messing gewesen sind? Eine solche Herstellung macht die Ungleichheit der Buchstabenabstände sowie die Verschiedenheiten der Form der Buchstaben unter sich erklärbar, denn bei dem Messing- oder Rothguß kommt der Gegenstand nicht so glatt aus der Form, wie beim Gießen des Bleies oder Schriftmetalls, son dern muß durch Beseilen und Beschneiden oder Bedrchen erst rectificirt werden. Die Erfindung des Letterngusscs also ist es, die Gutenberg beigelegt werden muß, Fust war der erste „Druckerherr", „Truck herr", d. h. Eigenthümer einer Buchdruckerei, und Schösser im ge schäftlichen Sinne der erste eigentliche und zwar sehr emsige „Buch drucker", der aber die Typographie ebenso wenig erfunden hat, wie z. B. Brockhaus, Tanchnitz oder Teubner. So findet man, daß in den Werken über die „Geschichte der Buchdruckerkunst" schon sehr srüh an die Stelle von Thatsachcn die Conjectur, des Beweises die Behauptung, der Geschichte die Phan tasie, der Urkunde die Fälschung getreten ist. Und da nicht gemüth- liche (weder religiöse noch patriotische), sondern rein verstandes- mäßige, wissenschaftliche Factoren zur Eruirung der Wahrheit gehören, hatte die unparteiische Geschichte hier einen schweren Stand. An eine richtige historische Methode gedacht hat man allerdings, schlug ihr aber in dem Augenblick, in dem man sie correct definirte, ins Gesicht. Man controllirte nicht die späteren Schreibereien der Compilatoren mit den ursprünglichen Urkunden, sondern verdeutelte und verrenkte die Geschichtsquellen im Interesse der späten Fabeln. Wir werden im Leben Gutcnberg's gleich weitere Belege hierfür erhalten. Johann Gänsfleisch zu Gutenberg wurde am Ende des ersten Decenniums des 15. Jahrhunderts — das Jahr seiner Geburt ist nicht bekannt — als jüngster Sohn des Patriziers Frilo Gänsfleisch und der Else zu Gutcnberg in Mainz geboren. 1434 begegnen wir ihm in Straßburg, wo er im Kloster Arbogast wohnte. Er widmete sich industrieller Thätigkeit, lehrte z. B. Andreas Dritzehn um 1435 das „Steinepoliren" (Steineschleisen), und verband sich mit Hans Riffe, dann noch mit Andreas Dritzehn und Andreas Heil mann, denen er erst Unterricht ertheilen mußte, 1438 zur Anfer tigung von Spiegeln, aus deren Verkauf gelegentlich der für 143S geplanten, 1440 aber erst zu Stande gekommenen großen Wallfahrt nach Aachen beträchtlicher Gewinn zu erhoffen war. 1438 starb Dritzehn, und Gutenberg wurde infolge der Klage von den Erben desselben auf Herausgabe der ganzen, von ihrem Bruder angeblich in die Gesellschaft gebrachten Summe in einen Prozeß verwickelt, dessen Verlauf und Ausgang bekannt ist. Von höchster Wichtigkeit für die Kenntniß der Thätigkeit Gutcnberg's in Straßburg, sind die Zeugenaussagen in diesem Prozesse von vielen Geschichtsschreibern zu nichts weiter als der Erfindung von allerhand Märchen benutzt worden. Die Versuchung dazu war aber auch gar zu groß! Kommen doch die Worte „Formen", „Presse" und „Drucken" in ihnen vor, und sie sollten sich nicht auf die ersten schüchternen Versuche Gutcnberg's in der Kunst, die ihn unsterblich gemacht, beziehen? Ganz und gar nicht! Denn das Vorkommen jener Wörter ver liert darum alles Auffallende, weil die von Gutenberg und seinen Genossen betriebene Industrie in dem Prozesse auch genannt wird. Ohne den Zeugenaussagen, den urkundlich beglaubigten Thatsachen Gewalt anzuthun, kann man nur behaupten, daß man Metallarbeit trieb; ihr diente das Blei, welches von der Gemeinschaft angetanst wurde, und ein unumstößlicher Beweis für diese Thätigkeit liegt weiter darin, daß nicht lange vor Weihnachten des Jahres 1438 vor AndreasHeilmann'sAugen alleinseincm undAndreasDritzehn's Besitz gewesenen Formen bei Gutenberg eingeschmolzen wurden. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß Spiegel angesertigt wurden. Wir erinnern daran, daß inan im Mittelalter nur Handspiegel von runder Form hatte, deren Glas mit einer Unterlage von gegossenem Blei oder Zinn in eine Tafel, die zur Einrahmung diente, oder, so jedoch seltener, in die eine von zwei Tafeln eingcfügt wurde, die zu sammen ein verschließbares flaches Kästchen bildeten. Die Rahmen und Kästchen waren von Holz oder Elfenbein und mit Bildwerk verziert, das seine Gegenstände nicht aus der heiligen Geschichte, sondern aus der für ein weltlicher Eitelkeit bestimmtes Geräth schicklicheren Welt, ihrer Dichtung und ihrer Wirklichkeit entnahm. Dritzehn gebrauchte nun zu seiner Arbeit auch eine Presse, und die Mitglieder der Gesellschaft wünschten selbstverständlich nach sei nem Tode von der Neugierde der kleinen Leute, mit denen der Ver storbene Umgang hatte, verschont zu bleiben. In der damaligen Zeit der Geheimthuerei mit nichts, des Aberglaubens, der Unwissen heit des Volkes, der entsetzlichsten Krähwinkelei, muß die Plebejer- neugierde wohl sehr reizbar und zur Gespenstersucht ausgelegt ge wesen sein. Es ist daher begreiflich, daß Andreas Heilmann dem Klatsch vorzubeugen suchte und den Verfertiger jener Presse, Conrad Sahspach, veranlaßte, zu Dritzehn zu gehen, die Stücke aus der Presse zu nehmen und „von einander zu zerlegen, dann weiß Nie mand was es ist". Sahspach that, was Heilmann wünschte, ging nach Dritzehn's Wohnung, suchte nach, aber „das Ding war fort". Seinerseits schickte Gutcnberg seinen Knecht Lorenz Bcildeck zu Claus Dritzehn, dem Bruder des Andreas, und ließ ihm sagen: „er solle die Presse, welche sein seliger Bruder Andres unter sich hatte, Niemandem zeigen, sondern so freundlich sein und dieselbe mit den zwei Wirbelchen öffnen, dann fielen die Stücke auseinander; diese Stücke sollte er dann in oder auf die Presse legen, so könnte Nie mand sehen, noch klug daraus werden, was es eigentlich sei". Dq
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