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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.11.1873
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 10.11.1873
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- Deutsch
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4143 Nichtamtlicher Theil. ckiL 260, 10. November. Die Ueberstürzung im Buchhandel. Wenn die Statistik ergeben hat, daß im letzten französischen Kriege gegen 45,000 Mann todt geblieben und 82,000 arbeitsun fähig geworden sind, so ist das kein so bedeutender Factor, daß ihm allein der Mangel an Menschen und die daraus entstandenen Cala- mitäten zuzuschreiben wären, obwohl berücksichtigt werden muß, daß dieser Verlust ganz besonders die Arbeitskräfte betroffen hat;— eine viel erheblichere Ursache ist die nach dem Kriege entstandene Ueberstürzung der Industrie, welche anfänglich, wo die Nachfrage stärker als das Angebot war, alle Arbeitskräfte sozusagen bei den Haaren herbeizog und Lohn auf Lohn bot, um nur massenhaft lie fern zu können. Fabriken wurden vergrößert, Betriebscapitalien verdoppelt ja vervierfacht; Niemand fragte, ob das nicht zur Ueber- production führen müsse, sondern man nahm die augenblicklich herrschende günstige Conjunctur für das Normale; man capitalisirte die augenblicklich hohen Erträge und schuf so Vermögen und Werthe, die doch nur in der Einbildung bestanden. Es liegt auf der Hand, daß dieser Ueberstürzung hauptsächlich die Arbeiterstrikes, die über alles Maß gehenden Lohnsätze und die mit diesen und durch dieselben im Preise gesteigerten Fabrikate (incl. Steinkohlen) und Lebens mittel zu verdanken sind. Die Folgen dieser Ueberstürzung können nicht ausbleiben und zeigen sich schon jetzt. Nicht wenig Fabriken arbeiten nur mit halben Kräften; einige haben, da sie es mit den Löhnen in keiner Art durchführen konnten, die Arbeit ganz eingestellt, und wenn man bedenkt, daß alljährlich viele Tausende neuer Arbeitskräfte heran wachsen, die essen und trinken wollen und deshalb Arbeit suchen müssen, so wird, wenn wir Frieden behalten, der doch wohl auf eine Reihe von Jahren gesichert ist, die im normalen Schritt gehende Industrie nicht nöthig haben, Löhne zu bieten, bei denen sie nicht bestehen kann, und ein größerer Theil der Arbeitskräfte als bisher wird sich den bürgerlichen und ländlichen Arbeiten wieder zuwenden müssen. Wenn dann die Preise der Lebensmittel auch nicht wieder so werden, wie sie es vor 40 und 50 Jahren waren, so steht doch eine Ermäßigung derselben in ziemlich bestimmter Aussicht. Gehen wir jetzt zum Buchhandel über, so drängt sich die Be merkung auf, daß eine Ueberstürzung der Production nicht von heute und gestern vorhanden ist, sondern daß sie schon seit einer Reihe von Jahren bestanden und sich nur jetzt nach den letzten Kriegen ver größert resp. verschlimmert hat. Die Consumtion hat schon seit vie len Jahren in keinem Verhältniß zur Production gestanden. Die Ueberstürzung hat jetzt zu dem Strike der'Buchdrucker-Gehilfen und wenigstens thcilweise zu dem sonderbaren Auftreten der Buchhand lungs-Gehilfen Veranlassung gegeben.*) Sie hat auch die Druck- und Papierpreise auf eine noch niemals gekannte Höhe getrieben und Jeder fühlt, daß es so nicht bleiben kann. *) Was diese Herren mit ihren so bedeutend erhöhten Ansprüchen sich denken, ist schwer zu begreifen, wenn man erwägt, daß der größere Theil derselben in kleineren Sortimentsgeschästen arbeitet und im Hause des Prinzipals Kost und Logis hat. Der Prinzipal muß die fast überall aus das Doppelte gestiegenen Preise für Lebensmittel, Miethe u. s. w. tragen und soll nun bei den durch diese Theuerung so sehr vermin derten buchhändlcrischen Geschäften auch noch höheres Salär bezahlen. Man denkt dabei unwillkürlich an den kleinen Buchbindermeister, welcher wünschte, wieder Geselle zu sein; — und was soll man von einem Vor gehen sagen, wie es wohl noch niemals im Buchhandel und auch in keinem andern Geschäft vorgekommen, daß die eigenen Gehilfen einen Aufruf erlassen wollen, der vom Erlernen des Buchhandels abhalten soll?! Derartiges Vorgehen fordert zu ernsten Maßregeln seitens der Prinzi pale auf; auch glaube ich, daß mancher dieser jungen Männer es später bitter bereuen wird; ebenso wie wohl manche neu etablirte Buchhändler aus dem Breslauer Gehilfenkreise cs bereuen werden, einst den Impuls ^ zur Beseitigung des Buchhändler-Examens mit gegeben zu haben, da eine unverkennbare Schädigung nicht nur Einzelner, sondern des gesummten Buchhandels sich daher datirt. l Eine Aenderung kann aber nur durch den Gesammtbuchhandel herbeigesührt werden und zwar dadurch, daß das über alles Maß gehende Drucken und Verlegen aufhört. Jeder muß sich die Ver pflichtung auferlegen, von jetzt an nur das Allernothwendigste drucken zu lassen; denn wie die Ueberstürzung der großen Industrie den Mangel an Arbeitern herbeigesührt hat, so ist auch die forcirte Fa brikation von Büchern daran schuld, daß die Arbeitskräfte nicht aus reichten. Dabei müßte dann auch das unverlangte Versen den von Neuigkeiten, welches sich noch immer ein Theil der Verleger auf Kosten des Sortiments-Buchhandels erlaubt, gänzlich aushören. Es sind jetzt in Leipzig allein gegen 28 zum Theil sehr bedeu tende Buchdruckereien, welche viele hundert Arbeiter beschäftigen. Wenn diese, sowie die in Berlin (27) und in andern großen Städten nur mit halben Kräften arbeiten könnten, so würden die Gchilfcn- Strikes, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben, nicht mehr Vorkommen und Mangel an Büchern würde deshalb doch nicht ein- treten.*) Jetzt ist der Markt überfüllt. Jeder Ballen bringt Massen von neuen Büchern, die der kleinere und kleine Sortimenter trotz aller Mühe nicht einmal zur Ansicht unterzubringen weiß und für welche Fracht und Spesen ganz umsonst ausgegeben werden, r. Stimmen über den „Allgemeinen Verein für deutsche Literatur". II.**) Im Börsenblatt Nr. 254 ist über den „Allgemeinen Verein für deutsche Literatur" ein Aufsatz veröffentlicht worden, der infolge des Auftretens dieses Vereins dem ganzen deutschen Buchhandel gewissermaßen den Untergang prophezeit, vor allen Dingen aber dem Sortimentsbuchhandel das allerungünstigste Prognostikon stellt. Einsender dieser Zeilen, selbst ein Sortimenter, wurde zuerst beim Lesen dieser Jeremiade stutzig; nachdem er sich indessen vom ersten Schrecken erholt hatte und zu einer ruhigen Prüfung des Für und Wider gekommen war, bildete sich ihm die Ueberzeugung, daß die Angelegenheit so sehr gefährlich für den Buchhandel nicht sei, daß jedenfalls die Farben des genannten Aufsatzes viel zu grell auf getragen seien. In nachstehenden Zeilen soll versucht werden, dem neuen Vereine in den Augen des Buchhandels womöglich ein harmloseres Aussehen zu geben, als er es nach den Auseinandersetzungen des Hrn. b'r. gewonnen hat. Mit Hrn. Ur. ist gewiß Jeder einverstanden, daß „auf den ersten Blick" der Aufruf etwas Bestechendes hat. Aber doch auch nur auf den ersten Blick. Es ist unserer Ansicht nach nicht wahr scheinlich, daß der Verein ein so außerordentlich großes Publicum finden wird. Diejenigen Gebildeten, die wirklich Bücherkäufer sind, haben mcistentheils auch ihre ganz speciellen Liebhabereien; entweder sie interessiren sich für Geschichte, oderfürNaturwissenschaften, fürPoesie rc. rc., und sie werden sich die in ihr Lieblingsfach einschlagcnden Werke vielleicht anschaffen, jedenfalls aber erst nach genommener Einsicht und Prüfung. Daß aber solche Gebildete (und diese bilden doch hauptsächlich den Kundenkreis des Buchhändlers), einen jähr- *) Ein höherer Regierungsbeamter sagte mir, daß es wohl recht zweckmäßig sein würde, wenn einmal ein Jahr lang außer etwaigen Fortsetzungen und neuen Auflagen gar nichts gedruckt würde; und ich glaube, daß der Verlags- und Sortimentsbuchhandel sich dabei nicht schlecht stände, denn das Publicum ist von der wöchentlich ankommenden Fluth neuer Bücher übersättigt und würde bei größerer Ruhe voraussichtlich seine Aufmerksamkeit den guten Erscheinungen der letzten Jahre zuwenden. Man sehe nur die kolossalen Bücheranhäufungen in Leipziger Niederlagen au und zwar nicht allein von mittelmäßiger Waare, sondern auch von vielen guten Büchern, die einer starken Lichtung bedürfen, um ihre Besitzer auf die Her stellungskosten zu bringen. '*) I. S. Nr. 254. 560*
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