Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.10.1873
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- 06.10.1873
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- Deutsch
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Hk 2 AI, 6 Oktober. Nichtamtlicher^Theil. 3647 darstellen, wodurch gleichzeitig gemäß tz. 32. idiä. die Vorbedingung für die Strafbarkeit des durch die Druckschrift verübten Vergehens erfüllt ist. Allerdings tritt eine öffentliche Lästerung Gottes nach H. 166. des Strafgesetzbuchs erst dann in das Gebiet des Strafrechts ein, wenn dieselbe „in beschimpfenden Aeußerungen" erfolgt. Diese durch den Reichstag beschlossene Aenderung der ursprünglichen Gesetzes vorlage bezweckte nach den stenographischen Berichten Seite 639, 640 ein Ausscheiden von philosophischen Erörterungen aus dem Thatbestande des Vergehens und ebenso von leichtfertigen Redens arten, in welchen ein kränkender Wille nicht zur Erscheinung kommt. Wenn aber der Angeklagte geltend macht, daß die Druckschrift lediglich eine wissenschaftliche Abhandlung darstelle, so kann dieser gegen ihre Strafbarkeit gerichtete Einwand nicht als durchgreifend erachtet werden. Mit Recht weist vielmehr schon der erste Richter daraus hin, daß der Verfasser selbständige wissenschaftliche Erörterungen gar nicht liefert, sondern in einer jeder Wissenschaftlichkeit entkleideten Form einzelne Resultate astronomischer Forschungen und Urtheile Anderer über Schöpfung und Schöpfer zusammcnstellt. Uebrigens erklärt der Verfasser selbst im Vorworte, daß er nicht auf ein System Anspruch mache, sondern zur Erreichung eines bestimmten Zweckes geschrieben habe, der darin bestehe, daß es endlich Tag werde in den Köpfen jener Armen, die bisher willenlose Sklaven in der Hand Derer waren, die sich in heuch lerischer Bescheidenheit „Diener Gottes" neunen, dabei aber als die eigentlichen Herren der ganzen Welt auftreten. Hiermit im Einklänge sucht er unter Benutzung gewisser astro nomischer und physikalischer Forschungen Anderer nicht bloß das Dasein eines Gottes zu widerlegen, sondern auch den Glauben Anderer an die Gottheit dadurch zu untergraben, daß er den von ihnen angcbeteten Gott beschimpft- In diesem Letzteren spiegelt sich der eigentliche Zweck der Druckschrift ab, zu dessen Erreichung alle übrigen Ausführungen über die Nichtexistenz Gottes mit heran gezogen werden. Solche beschimpfende Aeußerungen befinden sich Seite 18 in den Worten: Was soll uns schließlich ein Gott, der sich zu einem großen Theile aus Jahrtausende hindurch in Steinkohlenfelder einschließen läßt, der dann später voller Lust und Freude oder gleichsam rache schnaubend wie ein wildes Thier über die Schienen dahin schmettert? ferner Seite 36 in dem Satze: Da die Menschen die Abwechselung lieben, ist es wirklich höchst liebenswürdig von Gott gewesen, daß er die im Sommer und Frühjahr in Grün prangende Erde im Winter in Weiß kleidet, um uns so genügende Abwechslung zu bieten; nicht minder Seite 37 in den Sätzen: Wozu sollte ferner ein allgütiger und allbarmherziger Gott jene zahllosen Krankheiten den Menschen geschickt haben? Die Theo logen erklären dieselben als eine Ursache der Sünde. Ungeachtet der Dummheit dieser Beantwortung wollen wir dieselbe einmal für richtig annehmen. Haben wir aber dann nicht immer noch das Recht, zu fragen, wozu straft denn Gott die Ausschweifun gen eines Vaters an seinem Sohne, vielleicht erst an seinem Enkel durch Schwindsucht, durch Verkrüppelung einzelner Glieder? Warum an unschuldigen Kindern seine Rache und seinen Zorn ausschnauben, ein Verbrechen, das selbst an rohen Kriegern mit dem Tode geahndet wird; warum, fragen wir, dies einem allwei sen und allbarmherzigen Gotte zutrauen wollen? ;benso Seite 38 in den Versen: Warum, o Meister ohne Gleichen, schufst Du das Uebel denn so groß, daß Tugend und Vernunft erbleichen, betrachtend sich der Menschheit Loos? Wie kommt's, daß auf dem Erdeurnnde man so abscheul'che Frevel sieht, daß von des Bettlers bleichem Munde dein Vaterunser ihm entflieht? ingleichen Seite 41 in den Worten: Was war also natürlicher, als daß die Pfaffen, um die einmal errungene Herrschaft über das Volk nicht wieder zu verlieren, es lehrten, jene geheimnißvolle Kraft, die in jedem einzelnen Men schen wirke, rühre direct von Gott her, sei unsterblich und bestimmt, zu Gott wieder zurückzukehren, eventuell aber ewige Strafen zu erleiden. Ließe sich wohl ein energischeres und zugleich doch kräftigeres Mittel finden, um die Menschen im alten Gehorsam zu erhalten. endlich Seite 51 in den Sätzen: Allgemein ist, besonders unter den Theologen, das Jammern und Greinen über den Materialismus und seine verderblichen Couse- quenzen. Von den Theologen wundert uns das nicht. Sollten sie sich ruhig ihre fette Melkekuh entreißen lassen? So viel Entsagungs kraft haben sie noch nicht aus dem Christcnthnme geschöpft. Sie trommeln deshalb lieber allsonntäglich mit den Fäusten auf der Kanzel herum und predigen einen freilich nie zu Stande kommen den Feldzug gegen die verderbliche Lehre. Wenn schließlich der tz. 166. des Strafgesetzbuchs zu seiner An wendung noch erheischt, daß durch die Gotteslästerung ein Aerger- niß gegeben sei, so liegt auch dieses Erforderniß vor, da die in der Druckschrift enthaltenen beschimpfenden Aeußerungen über Gott so grell sind, daß sie geeignet erscheinen, das religiöse Gefühl Anderer zu verletzen und somit Aergerniß zu geben. Anlangend die Verantwortlichkeit des Angeklagten für das durch die Druckschrift begangene Vergehen, so kündigt sich das vom ersten Richter gegen ihn als Verleger angenommene Preßvergehen des ß. 35. des Gesetzes über die Presse als ein nur subsidiäres an, indem es davon abhängig ist, daß der Verleger nicht in Gemäßheit des K. 34. als Urheber oder Teilnehmer strafbar erscheint. Dem nach frägt es sich, ob eine dieser beiden Voraussetzungen, namentlich die von der Anklage behauptete Theilnahme als vorhanden anzu nehmen ist. Als Urheber einer durch die Presse begangenen strafbaren Handlung gilt nach den Grundsätzen des gemeinen Strafrechts zu nächst nur der Verfasser des Preßerzeugnisses, sofern er die Veröf fentlichung seines Werkes durch den Druck beabsichtigt hat. Nach den nicht widerlegten Angaben des Angeklagten hat er die Druckschrift nicht selbst verfaßt, vielmehr ist ihr Verfasser ein vor dem Staats examen stehender Kandidat, welcher sein Werk dem Angeklagten zum Berlage übergeben hat. Demnach kann der Angeklagte für den strafbaren Inhalt der Druckschrift uicht als Urheber haften. Da gegen hat er geständigermaßen ihren Druck und ihre Veröffentli chung herbeigcführt, dadurch aber dem Thäter zur Begehung des Vergehens Hilfe geleistet, sodaß er als Gehilfe im Sinne des K. 49. des Strafgesetzbuchs erscheint, sofern man berechtigt ist, abweichend von der Auffassung des ersten Richters anzunehmen, daß der Ange klagte wissentlich gehandelt hat. Eine solche Wissentlichkeit liegt vor, wenn der Angeklagte daS Werk, bevor er cs zum Drucke befördert und verbreitet, gelesen und das Bewußtsein in sich ausgenommen hat, daß es dadurch, daß es Gott in beschimpfenden Aeußerungen lästert, ein Aergerniß gibt. Eine derartige Wissentlichkeit auf Seiten des Angeklagten muß aber als 492»
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