Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.09.1870
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- 1870-09-05
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- 05.09.1870
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wieder zurück und blieb verhüllt. Aus vielen (fährt der Erzähler Reymann fort) nur ein Beispiel. Ein junger Livländer befand sich auf einer deutschen Universität; seine Studienjahre waren ge endigt, aber seine Freunde schienen ihn vergessen zu haben. Jede Unterstützung blieb aus und es war ihm unmöglich, sich dort loszu machen, geschweige denn in sein fernes Vaterland zurückzukehren. Schon gab er die Hoffnung auf, es jemals wieder zu sehen, als eine ansehnliche Gcldunterstühung von unbekannter Hand ihn plötz lich dazu in Stand setzte. Der junge Mann ahnte seinen Wohl- thäter und wollte ihm danken, aber Hartknoch lehnte cs ab und wollte von nichts gewußt haben, auch dann nicht, als die Zusam- mentreffung (siv) vieler Umstände es moralisch gewiß machte, daß er der Geber gewesen." (Eine Anmerkung zu dem Text dieses Berichts erzählt einen ähnlichen Fall und der Berichterstatter hebt ausdrücklich hervor, daß er von vielen nur „einzelne Beispiele nam haft gemacht habe".) „Er sah es auch sehr gern," heißt cs a. a. O., „wenn junge Leute, die sich literärische Kenntnisse verschaffen wollten, in seinen Buchladen kamen und, ohne etwas zu kaufen, ihre Wißbe- gicrdc befriedigten; er war gegen sie ohne allen Eigennutz gefällig und erinnerte sich dann oft mit Dank des Betragens, welches Kanter gegen ihn beobachtet hatte Die von Freimaurern errich tete und unterstützte Johannisschulc zu Riga, in welcher arme Kinder unterrichtet, erzogen und unterhalten werden, hat er bis an seinen Tod ansehnlich, wiewohl ohne die geringste Anmaßung, unterstützt." Daß ein Mann von so ausgebrciteten Verbindungen und so edlem, freigebigem und patriotischem Sinne in Riga allenthalben Liebe und Achtung genoß, versteht sich von selbst und geht schon aus der immer wiederkchrenden Nennung seines Namens in den uns er haltenen Briefen jener Zeit hervor. In den späteren Jahren seines Lebens scheint er sich indessen zurückgezogen und isolirt zu haben; er schreibt davon, daß er die gewohnten Cirkcl gemieden, und durch Reymann erfahren wir, daß er selbst die Freimaurerloge „Zum Schwert", deren eifriges Mitglied er war, schon „etliche Jahre" vor seinem Ableben nicht mehr besuchte. Auf diese Zeit scheint über haupt ein melancholischer Schatten gefallen zu sein, zu welchem zahlreiche Erfahrungen von der menschlichen Undankbarkeit und Un zuverlässigkeit wesentlich beigetragen haben mögen. Aus den letzten Briefen an Herder spricht eine Bitterkeit und Schärfe, von welcher früher keine Spur zu finden ist und an der Frau Herder's egoisti sches Verhalten seinen reichlichen Anthcil gehabt haben mag. Wir wissen, wie leidenschaftlich Hartknoch an Herder gehangen, wie kein Opfer ihm zu groß gewesen, wenn es einen Wunsch dieses verehrten Freundes gegolten. Was muß in der Brust dieses guten und stol zen Mannes vorgegangen sein, wenn er seinem früheren „Herzens- brudcr", dem Jugendfreunde, den er mit Wohlthaten überhäuft hatte, im Deccmber 1784 schreiben konnte: „Daß ich Ihnen die Anord nung des Drucks überlassen habe, ist wahr, aber daß ich für jeden Bogen, groß oder klein, 2 Louisd'ors zu geben versprochen habe, ist nicht wahr. Daß es Ihnen in Ihrem Leben auf eine Zeile mehr oder weniger nicht angekommen, weiß ich nicht, mein Beispiel be weist dies nicht Daß Sie mir, wenn ich Zeilen und Worte zahlen wollte, Pferde.... l zu verlegen rathen, ist grob — so habe ich Ihnen nie geschrieben. Ihre Werke machen mir Ehre, ich habe aber auch andere verdienstvolle Autoren. Bescheidenheit ist eine schöne Sache." Konflikte solcher Art müssen wesentlich dazu bei getragen haben, Hartknoch'sGemüth zu verbittern, seine schwankende Gesundheit zu untergraben; wenn dieselben auch äußerlich ausgegli chen wurden und seine Goldstücke noch ferner den gewohnten Weg nach Weimar nahmen, so blieb doch sicherlich ein Stachel in seiner Brust zurück. Herder selbst scheint genau gewußt zu haben, wie schwer seines Freundes edle und feine Natur von den Sorgen und Mißhandlungen der letzten Jahre gelitten. Als er die Nachricht von Hartknoch's Tode erhielt, schrieb er seiner Frau aus Italien: „So ist Hartknoch auch todt; nun ruhe Wohl, guter Mensch, Du hast aus gestöhnt." Dieser Tod erfolgte am 1. April 1789, in Hartknoch's 49. Lebensjahr. Hören wir, was sein treuer Gehilfe und Freund Rey mann darüber in den Miscellaneen berichtet. „Lungcnsucht und Hypochondrie nagten langsam, aber unheilbar an seinem Leben. Er fühlte sich zwar durch seine jährlichen Reisen zur Leipziger Oster messe jedesmal erleichtert, aber ohne Dauer. Auch im Frühjahr 1789 glaubte er sein Ucbelbefinden durch die Veränderung der Luft und beständige Bewegung auf der Reise nach Leipzig zu erleichtern. Wagen und Pferde waren schon in Bereitschaft, als ihm plötzlich der Tod zu einer andern Reise winkte. Doch auch zu dieser war er bereitet. Ein Lungengeschwür ging den 1. April (a. St.) des selben Jahres, Nachmittags um 2 Uhr, auf und machte seinem Le ben sanft und plötzlich ein Ende. Er wandte die letzten Augenblicke desselben dazu an, mit großer Geistesruhe seinen letzten Willen ge richtlich aufsehen zu lassen. Sich zum Tode jetzt zu bereiten, war nicht nöthig, das hatte er sein ganzes Leben hindurch gethan. Er starb als Mensch und Bürger mit dem süßen Bewußtsein, nicht um sonst gelebt zu haben, und als Weiser mit der Zuversicht auf die unsterbliche Fortdauer seines Geistes." — „Nach der Wahrheit," fügt Hupel diesem Berichte hinzu, „muß ich melden, daß er oft in seinen Briefen nicht nur eine uneingeschränkte Hochachtung für die christliche Religion, sondern auch eine unerschütterliche Ueberzeugung von ihrer Gewißheit und der daraus entstehenden Verpflichtung an den Tag gelegt hat, welches überhaupt auch sein Wandel bewies." Ob der volle Werth dieses seltenen Mannes von den Zeitge nossen gewürdigt worden, weiß ich nicht. Daß es an Zeichen des Dankes und der Anerkennung nicht ganz gefehlt, bezeugen die Mis cellaneen. Daß man ihm einen öffentlichen Nachruf gewidmet, wollte in jener Zeit, die minder ruhmredig als die unsere war, schon etwas sagen. Außerdem hielten die Rigaer Freimaurer zum Gedächt- niß des Verstorbenen eine „Traucrloge" ab, bei welcher ein poetischer Nachruf verlesen und vertheilt wurde, und Reymann ließ später ein Gedenkblatt zu Ehren seines Freundes in Kupfer stechen. Aus den etwas altfränkisch gewordenen Zügen dieses Blattes liest sich noch heute ein tiefes und warmes Gefühl heraus, dessen Hauch sich auch der moderne Leser nicht erwehren wird, wenn er gedenkt, wem diese Worte gegolten. Der von I. C. Krüger gezeichnete und in Dresden gestochene Kupferstich stellt in einem Hain Grab und Urne dar und an deren Fuß einen knieend betenden Wanderer. Auf der Urne steht „Hartknoch der Menschenfreund starb am Viz. April 1789" — unter dem ganzen Bilde „Seinem Nachruhm aus wahrer Dankbar- barkeit gewidmet." „Wenn eines Fürsten Grabes Monnment Dem Wanderer all' seine Thaten nennt, So trägt dies Grab die Aufschrift der Natur Ein wenig Moos — und meiner Thränen Spur." Gewidmet von Karl Reymann in Riga. Auch „dieser Thränen Spur" ist seitdem längst verwischt. Hart knoch's Wittwc, sein Sohn und seine Tochter sind längst todt, der Name ist ausgestorben, das Geschäft, welches so lange einen Stolz Riga's bildete, ist seit einem halben Jahrhundert nach Leipzig ver legt und in fremde Hände übergegangen. Auch das Andenken Jo hann Friedrich Hartknoch's, des „Menschenfreundes" im edelsten und weitesten Sinne des Worts, ist, wenn nicht erloschen, so doch auf einen kleinen Kreis von Freunden patriotischer Erinnerungen beschränkt worden. Aber die Arbeit, der dieser großartige und un eigennützige Mensch sein Leben gewidmet, lebt unter uns fort, sie hat ihre Früchte getragen und trägt sie noch heute, ihrem stillen Weiterwirken ist keine Grenze gesetzt, so lange sich die Kontinuität unserer Bildung erhält. Ihm, der seinen Namen und sein Verdienst.
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